Donnerstag, 18. Mai 2017

Chris Dercon irrt sich, glaube ich.

Die Welt geht unter und Leute leben einfach weiter.

Frau Schmidt, Herr Krause und Frau Schulz gehen, wenn wir Glück haben, gern ins Theater. Ein kindheitsprägendes Weihnachtsmärchen hat sie gefangen. Ihr bürgerliches Umfeld verlangt es von ihnen. Sie haben eine empfängliche Seele. Sie wollten selbst Künstler werden. Sie suchen nach Verstehen.
Vielerlei Gründe bewegen Leute, und mich, dazu, ins Theater zu gehen und ihr Geld für Eintrittskarten auszugeben. Bevor sie zu uns kommen, haben sie bis 5 oder 6 Uhr gearbeitet. Sie sind wohlsituiert oder von Entlassung bedroht, verliebt oder in den letzten Zuckungen ihrer Ehe, sie verstehen die Welt nicht mehr oder wollen sie verändern.
Wir verdienen unser Geld als Schauspieler, Regisseure von Schauspielen oder technische Mitarbeiter von Theatern. Wir wollen diese Leute unterhalten, ablenken, verarschen, trösten, schlauer machen, irritieren, aufwecken, ergreifen, amüsieren, erzürnen oder belehren. Belehren? Wissen wir es wirklich besser? 
Herr Brecht hat von der "splendid isolation" des Zuschauers geträumt. Dem Zustand, in dem Frau Schmidt, Herr Krause und Frau Schulz im Theatersaal allein sind und ihre persönlichen Schlüsse ziehen. Sie wurden intellektuell herausgefordert oder emotional berührt, aber die Schlussfolgerungen liegen allein bei ihnen. 
Dies ist nur möglich, wenn sie für uns, die Theater Produzierenden, gemeinhin "Theatermacher" genannt, von Interesse sind. Schauspieler, egal ob tanzend, singend, sprechend oder gefilmt müssen komunizieren wollen. Sie müssen geschaut, gesehen werden. Es gibt uns nicht ohne Zuschauer.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Was mich bei den veröffentlichten Gesprächen mit Chris Dercon irritiert, ist, dass er so ungemein stolz scheint, ein Außenseiter zu sein. Weiß er nicht, dass wir alle Außenseiter sind? Alle einsam? Alle verwirrt. Nur nicht so eitel deswegen?
Ich brauche, dringend, Verständnis, Miteinander, Irritation. Ich will nicht wiedereinmal übervorteilt werden.
Chris Dercon Und Marietta Piepenbrock werden finanziert,  um sich, mit mir, dem Zuschauenden, zu unterhalten, darauf bestehe ich.

Volksbühne Berlin heißt sie jetzt. Rosa ist raus.

Der Spielplan der Volksbühne 17/18 wurde vorgestellt.
Auf der großen Bühne eine Beckett Trilogie, die international schon viele Jahre durch Europa tourt, kürzlich erst im Royal Court in London. Eine neue Produktion von Susan Kennedy und eine Übernahme von den Münchner Kammerspielen. Viel Tanz, einiges an Film, kein Ensemble. Sehr viel Ästhetik, wenig Politik.

Chris Dercon sagt in der ZEIT: Wir beginnen ganz elementar, in dem Sinne, dass wir die Fundamente der darstellenden Kunst noch einmal vor Augen führen, für uns selbst und für das Publikum. Also das Abc des Theaters: Stimme, Bewegung, Raum, Licht, Maske. Im opulenten Theater, an das man hier gewöhnt war, wurde ja sehr laut gesprochen. 
etwas weiter unten:
...
Dercon: London war immer die Hauptstadt des Kapitals. Die Folge ist eine Monokultur: Es gibt nur noch Starbucks. Auch Paris hat diese Probleme, wobei es dort immer noch einen Sinn für Luxus und Grandeur gibt. Die andere Seite, das Plebejische, der plebejische Tourismus in Barcelona, mit seinem Airbnb, auch davon kann man lernen. 
weiter unten:
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ZEIT: Die klassische Konfrontation findet zwischen einer konservativen Obrigkeit und linker Kunst statt. Hier geht ironischerweise eine linke Stadtregierung gegen eine künstlerische Neuausrichtung vor. Sie gelten der Linkspartei und ihrem Kultursenator Klaus Lederer als neoliberal.

Dercon: Die beste Analyse dazu stammt von Diedrich Diederichsen. Er sagte in etwa: Plötzlich steht eine kosmopolitische oder globalisierte Kultur für "neoliberal", und gegen Chris Dercon und Okwui Enwezor regt sich eine Front, die mitunter Parallelen zu rechter, identitärer Politik hat.

In Der FAZ sprechen Chris Dercon und Marietta Piepenbrock:
Piekenbrock: Wir sehen uns nicht als soziales Labor. Wir haben nicht diese ganzen Konzepte von einem „Theater des Widerspruchs“, einem „Theater der Weltentwürfe“. Repräsentationskritik steht nicht ganz oben auf unserer Agenda.
Sind Sie weniger politisch?
Dercon: Nein. Unser Programm ist voller politischer Signale; sie sind nur nicht domestiziert durch irgendein Oberthema, durch das ich sie sofort navigieren kann. Wir interessieren uns aber für ideologische Motive und Phänomene, zum Beispiel die heilige Kommunion zwischen Alt-Linken und neuen Hipstern.

Chris Dercon in einem Interview mit m.dw.com
Wir wollen die unterschiedlichen Kunstsparten miteinander in Beziehung setzen. Das war mir in meinem ganzen Leben wichtig, auch im Museum. Aber erst jetzt im Theater kann ich das nachhaltig gestalten. Zum Beispiel: Ein Tänzer spricht, ein Filmemacher macht Licht für die Bühne. Oder man versucht, Beckett zu kombinieren mit Arbeiten von Tino Sehgal. 
...
Haben Sie noch einmal Lust, den Faust zu sehen, das letzte Stück Ihres Vorgängers Frank Castorf, bevor es abgesetzt wird?
Nein, denn es handelt von mir. 

4 Kommentare:

  1. Oh Gott - dieser verschmockte Typ - was fuer ein Albtraum - der kann dann im leeren Theatersaal seine ziemlich hohlen Gedanken ( wenn das ueberhaupt GEDANKEN sind) weiter verworten!!
    Aber - die Welt geht NICHT unter!! Nicht wegen dem Typen!

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  2. gequirlte kacke ,arbeiten nicht schwätzen !eure gedanken interessieren mich nicht sondern die umsetzung fürs theater und den theater menschen .und kommt mir nicht mit chic und so....
    verschmockt vom vorschreiber find ich bullshit

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  3. "Haben Sie noch einmal Lust, den Faust zu sehen, das letzte Stück Ihres Vorgängers Frank Castorf, bevor es abgesetzt wird?
    Nein, denn es handelt von mir. "
    Ist das Hybris? Er kommt vor heißt doch nicht, daß es von ihm handelt.

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  4. "Die nervös-heisere Marietta Piekenbrock, Dercons Programmdirektorin, redet von einem "charismatischen Nullpunkt", von dem aus man loslege."
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/volksbuehne-chris-dercon-stellt-sein-programm-vor-a-1147988.html

    Meiungsdifferenzen an Seite... dazu sei angemerkt... eine Programmdirektorin, die einen "charismatischen Nullpunkt" als Startpunkt für ein Theater festlegt, wählt freiwillig einen Ausgangspunkt, den ein Theater niemals erreichen dürfte und niemals erreichen sollte.
    Die Formulierung ist absurd und läuft allem zuwider, was Theater in sich selbst ist.

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