Sonntag, 15. November 2015

Bösewichte - Ratlosigkeit

Als sie ins Tal der Ameisen kamen, sagte eine Ameise: "O ihr Ameisen! Geht in eure Wohnungen, sonst zertreten euch Salomo und seine Streiter, ohne es zu merken.
Koran Sure 27/18 

128 Menschen sind bei den Anschlägen in Paris getötet worden. 
Viele Schwerverletzte befinden sich noch in Lebensgefahr.

Andere Anschläge, in Ländern, die weiter entfernt von uns liegen, werden weit weniger bestürzt aufgenommen, oder?

Unvollständige Liste von Terroranschlägen - 1925 bis Heute 

Heute von allen Tagen bin ich ins Kino gegangen und habe mir "Spectre", den neuen James Bond angesehen. Was für eine einfache Welt, der Bösewicht ist ein psychotischer Soziopath und hat ein Kindheitstrauma - voila, alles klar. Wilde Schießerei, Bösewicht besiegt, Problem gelöst.
  
Aber wie kann ich begreifen, dass Menschen in einen Musikclub, ein Fußballstadion, ein Restaurant gehen und dort andere Menschen, die sie nicht kennen, erschießen? 
Sie auslöschen. Sie ermorden. Sie niedermetzeln.

Immer wieder wird in den Augenzeugenberichten von der Ruhe der Angreifer gesprochen. 

Es ist mir wirklich zutiefst egal, was jemand glaubt, um mit der Welt klarzukommen. 

Aber wie kommt ein Mensch an einen Punkt, an dem er meint, dass das was er glaubt, so unbezweifelbar, so absolut sicher, unbestreitbar richtig und dadurch unvereinbar mit jeder anderen möglichen Vorstellung von Welt ist, dass er, um diesem seinem Glauben Herrschaft zu verschaffen, bereit ist zu töten und zu sterben? 

Ist da solch große Angst vor der Welt, die wahrhaftig nicht leicht zu ertragen ist, dass eigenes Denken, Gewissen, Zweifel dankbar gegen ein schützendes Regelwerk von Richtig & Falsch eingetauscht werden?

Ist die Hoffnungslosigkeit so vollständig, dass nur der Glauben dieses schwarze Loch füllen kann?

Fühlt es sich so gut an, sich im Besitz der einzigen Wahrheit zu wissen?

(Historische, soziale, ökonomische Faktoren seien, nur hier und heute, einmal mitgedacht, aber nicht formuliert.)

Und wie werden wir uns verändern durch Angst?

Heute morgen in der S-Bahn erwischte ich mich dabei, wie ich einen jungen Mann, der so semitisch aussah, wie ich es auch täte, hätte sich nicht mein blauäugig-blonder Vater durchgesetzt, anstarrte. Er grinste in den Bildschirm seines iPhones und ich dachte: "Freut er sich über die Toten, über die Panik?" Was für ein Dreck. Paranoia pur. Wahrscheinlich hat er blöde Katzenvideos geguckt. 

Im Kino heute Abend - der Gedanke, auch hier könnten plötzlich Männer in Schwarz eindringen und ...

Als ich nach 9/11 das erste Mal wieder in die USA einreiste, hat mich der barsche Ton, das professionelle Mißtrauen, die latente Unterstellung von Verdacht erschrocken und abgestoßen. Wird das jetzt hier in Europa auch so?

Ich will das nicht.


Einschusslöcher im Cafe Carillon in Paris

 

4 Kommentare:

  1. Benjamin Franklin hat gesagt: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren."
    Dann gab sich Amerika den USA PATRIOT Act und erschuf die Homeland Security.
    Wenn Menschen Angst haben, dann schlägt die Stunde jener, die Lösungen unterbreiten, die sonst niemals akzeptiert werden würden.
    Ich lebe in Europa. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich bei einem terroristischen Anschlag sterbe ist geringer als die bei einem Flugzeugabsturz umzukommen, bei einem Autounfall, bei einem Blitzschlag. Das ist ein nüchterner Blick... den zu bewahren schwer fällt. Das reale und das gefühlte Sicherheitsempfinden sind völlig verschieden. Das eine ist die Wahrheit, das andere ist ein Spielfeld. Von Scenarien, von Politik. Auch von jenen, die einem Extremismus einen anderen Extremismus entgegenstellen wollen.
    Terrorismus tötet. Das ist widerlich. Aber wenn er eine Gesellschaft dazu bringt sich zu verändern um ihn abzuwehren, dann ist das gefährlicher als er selber sein könnte.
    Paris ist eine Tragödie. Es ist aber auch eine Frage an jeden Menschen, der in Freiheit leben will. Die Frage danach wieviele unserer Werte wir aufgeben oder ändern wollen um unsere Werte zu schützen.

    AntwortenLöschen
  2. In der Schweiz gibt es diesbezüglich einige... sehr unverstellte... Äußerungen:
    http://www.msn.com/de-ch/nachrichten/politik/fdp-politikerin-fordert-ausgehverbot-f%C3%BCr-muslime/ar-BBn1FTD?li=AAaWcEG&ocid=mailsignoutmd

    Die Pariser Attentate wecken in mir Trauer und Wut... aber solche Äußerungen, DIE machen mir Angst.

    AntwortenLöschen
  3. O Gott, das klingt schlimm. Das klang damals auch nicht gut. https://en.wikipedia.org/wiki/Homeland_Security_Act

    AntwortenLöschen
  4. Naja - es ist wie in Spectre - die Bösen sind böse und die Guten gut und wir sind eben die Bösen. Eine einfache Welt teilt sich in Freund und Feind.

    Die Bühne ist auch eine Kinoleinwand, aber es gibt da auch die Möglichkeit ins Spiel direkt zu kommen und dabei zu sein - also nicht nur 3D sondern 4D.

    AntwortenLöschen