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Samstag, 20. Dezember 2014

Motto des Tages: Nur nicht bangemachen lassen!



Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Lukas 2

http://www.sz-online.de/nachrichten/sie-haben-kein-recht-sich-hier-festzusetzen-2997815.html 

Kommentar einer Leserin: Mir wird bange!

Es gibt so bange Zeiten,
Es gibt so trüben Mut,
Wo alles sich von Weitem
Gespenstisch zeigen tut.

Es schleichen wilde Schrecken
So ängstlich leise her,
Und tiefe Nächte decken
die Seele zentnerschwer . . . 

Es gibt so bange Zeiten
Der Wahnsinn steht und locket
Unwiderstehlich hin.
Der Puls des Lebens stocket,
Und stumpf ist jeder Sinn . . . 

Ein Engel zieht dich wieder
Gerettet auf den Strand,
Du schaust voll Freuden nieder
In das gelobte Land.

Novalis 

"Mir ist bang" - eine leicht unbestimmte Besorgnis, noch zittere ich nicht, noch ahne ich nur, dass ich in nicht allzu ferner Zukunft Angst haben werde. Noch ist es nur so ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Leichte Atemnot, kein Schlottern.





Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert.
Wiki

Unlustbetont ist ein merkwürdiges Wort, die Betonung liegt auf "Unlust", ich mag nicht, will nicht, würde lieber ... und dennoch ...


Angst & Bange / bangemachen / nicht bangemachen lassen / Bangigkeit / Bänglichkeit 

Mir war so weh. Ich sah dich blaß und bang.
Das war im Traum. Und deine Seele klang.

Ganz leise tönte meine Seele mit,
und beide Seelen sangen sich: Ich litt.

Da wurde Friede tief in mir. Ich lag
im Silberhimmel zwischen Traum und Tag.

Rainer Maria Rilke Frühe Gedichte

ANGST (vom indogermanischen anghosti über althochdeutsch angust und mittelhochdeutsch angest), bedeutet soviel wie eng, bedrängend. *anghu „beengend“  verwandt mit lateinisch angustus bzw. angustia für „Enge, Beengung, Bedrängnis“ (siehe auch Angina) und angor „Würgen“ .... Das Wort Bange hat denselben Wortstamm und bedeutet dasselbe. Es entstand im 13. Jahrhundert aus ango (ängstlich) und wurde später durch Martin Luthers Bibelübersetzung verbreitet.

Anst und Bange machen, heißt eigentlich Angst und Angst machen. Zweimal, doppelt. Einschüchtern. Unfähig zu reagieren. Passiv.

Lutherbibel - Lukas 12
Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden; was wollte ich lieber, als dass es schon brennte! Aber ich muss mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollbracht ist! 

Himmelangst, Schiss, Sorge, Bammel, Furchtsamkeit, Panik, Schrecken, Horror, Schauder, Herzklopfen, Alb, Besorgnis, Phobie, Unsicherheit, Kleinmut, Furcht, Schrecken, Befürchtung, Grausen, Grauen, Terror, Schreck, Zähneklappern, Höllenangst.

Tannenbäumchen sei nicht bange, wenn der Schnee dich drückt. 
Dauert gar nicht mehr so lange, wirst dann fein geschmückt, 
dauert gar nicht mehr so lange, wirst dann fein geschmückt.
Worte: Erika Engel
Weise: Horst Müller


 Und immer mannichfaltiger entſtiegen der Tiefe Geſtalten, mich ergriff Schwindel und Bangheit, meine Gedanken wurden hiehin und dorthin getrieben, wie eine Fackel vom Sturmwind, bis meine Erinnerung erloſch. 
Bettina von Armin: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840

MEMENTO

 
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
 
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
 
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
— Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muß man leben. 

Mascha Kaleko

Dienstag, 2. Dezember 2014

Kuddelmuddel, Kladderadatsch & Krimskrams


Ich war heute Abend im Theater.

Unsere Sprache hat so viele schöne Wörter für das, was nicht zu Ende gedacht wurde und darum schiefgegangen ist, oder viel wollte und nicht genug konnte oder einfach mittendrin aufgehört hat oder von der Bahn abgekommen ist und die Ziellinie verpasst hat oder einfach nicht lange genug eingekocht, bedacht wurde. All diese Pläne, Lebenssituationen, Theaterabende, Gespräche, Beziehungen, die in bester Absicht begonnen, hoffnungslos durcheinander geraten, ihre Mitte verlieren und fast schon nicht mehr erkennbar, als wildes Gemisch von gut, soso und schlecht; schön, öde und häßlich; zerrissen, zerrupft und zermatscht in der Welt stehen und nicht wissen, wie sie so geworden sind. 

Gut die Hälfte meines eigenen Lebens fühlt sich an wie: 

Kuddelmuddel zum Beispiel stammt aus dem Niederdeutschen oder aus Pommern, woher auch immer, wurden zwei sich reimende Begriffe  vermengt, und zwar koddeln, d.h. sich schlecht waschen und der Modder, der das schlecht gewaschene nochmal mit Schmutz bewirft.

In dem grünen Kuddelmuddel
Sitzt ein Aas mit einer Buddel
Grünem Schnaps. Grünem Schnaps.
Sitzt ein Aas mit einer Buddel und Herzklaps.
Und Herzklaps.

Bertolt Brecht Über den Schnapsgenuß

Kladderadatsch ist ein lautmalerisches Wort aus "Klatschen", "Ratschen", "Krachen", "Klirren". Für seine Verbreitung sorgte der Name eines 1848 gegründeten satirischen deutschen Wochenblattes.

 „Damenwahl am 19. Januar“
Am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland 
erstmals auf nationaler Ebene ihr Wahlrecht nutzen.

Gematsche Gemansche & Gepansche sind selbsterklärend für jeden, der mal im Matsch gemanscht & gepanscht hat.

Tohuwabohu ist ein hebräisches Lehnwort aus der Bibel, Buch Moses 1.1. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. & 2. Und die Erde war wüst und leer , das heißt in hebräisch tohu vavohu. Manche übersetzen es auch mit Irrsal und Wirrsal, was mir noch besser gefällt.

Quatsch mit Soße ist wahrscheinlich ein guter Verhörer von Quatsch nicht krause oder red keinen Blödsinn.

Mischmasch. Das Wort ist eine Reduplikation, Ablautdoppelung des Wortstamms von mischen aus dem 16./17. Jahrhundert. (Wiktionary) Noch früher sagte man Mischmesche.

Glaubt nicht, daß ich fasele, daß ich dichte;
Seht hin und findet mir andre Gestalt!
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und von Gewalt.

Johann Wolfgang von Goethe Sag, was enthält die Kirchengeschichte?


Wirrwarr kommt laut Pauls Deutschem Wörterbuch in allen drei Geschlechtern vor. Merkwürdigerweise ist man/frau/es oft verwirrt, aber nicht wirrt, genauso wie wir manchmal unwirsch aber nie wirsch sein können.

Sammelsurium. Der Duden beschreibt die Etymologie dieses Wortes so: mit lateinischer Endung scherzhaft gebildet zu niederdeutsch sammelsūr = sauer angemachtes Gericht aus gesammelten Speiseresten, 2. Bestandteil Substantivierung von niederdeutsch sūr = sauer und eigentlich = das Saure

Mittwoch, 12. November 2014

Sprache und Zahlen

Ich liebe Worte und Wörter! Ob plump, gewitzt, mysteriös, direkt oder umständlich. Sie leben, schimmern, geben Bedeutung und stellen sie in Frage.
Poetisch oder krass, zart und grob. Wir Menschen sind Menschen, auch weil wir miteinander sprechen können. Nur oft wissen wir kaum, was wir sagen, geschweige denn, was der Andere sagt oder meint. 
Was zählt? Zahlen wir drauf. Kopf oder Zahl?

Nullkommanichts

Schneller als schnell, kürzer als kurz, null, nuller am nullsten, sofort, jetzt, praktisch schon geschehen. Schneller als der Blitz oder, wie ich es auf Proben manchmal sage, ein Mü schneller. Ein Mü dabei steht für eine unmeßbare Zeiteinheit, weniger als ein Bisschen und mehr als Nichts.

1A
Der höchsten deutschen Güteklasse zuzuordnen, oder einfach, auf gut Deutsch, besser geht's nicht.

Mit zweierlei Maß messen
Je nachdem, abhängig von Umständen oder Vorlieben, bewerten wir Dinge nach anderen Kriterien. Liebe macht z.B. blind, Erkenntnis öffnet uns die Augen. Wir gewähren Vorteile, wir erwarten Vorteile. Wir mißtrauen. Wir urteilen ungerecht.

Aller guten Dinge sind drei
Die Dreifaltigkeit, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.

Dreikäsehoch 
Das Benennungsmotiv dieser seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlichen Redewendung ist unklar. Eine Möglichkeit besteht in der scherzhaften Verwendung aufeinander gestapelter Käselaibe als Größenangabe für Kinder
Der Begriff wurde 2007 zum drittschönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gewählt. Andererseits wird vermutet, dass das Wort hingegen nichts mit Käse zu tun hat, sondern vom französischen Wort caisse (deutsch: Kiste, Kasten) abstammt. Demnach bezeichnet es jemanden, der so groß ist wie drei Kisten. (Wiki)
Drittschönstes bedrohtes Wort des Jahres 2007, was für ein poetischer Name!

Ergebnisse des Wettbewerbs "Das bedrohte Wort" 
Dezember 2006 bis Mai 2007

Platz 1: Kleinod
Platz 2: blümerant
Platz 3: Dreikäsehoch
Platz 4: Labsal
Platz 5: bauchpinseln
Platz 6: Augenstern
Platz 7: fernmündlich
Platz 8: Lichtspielhaus
Platz 9: hold
Platz 10: Schlüpfer


Alle viere von sich strecken
Sterben. Heute hat mich ein junger Mann, ein Vertreter meiner Krankenkasse angerufen und bot mir an, eine Sterbeversicherung zu erwerben, für den Fall, dass ich "vom Sterben mal Gebrauch machen will". 

Seine fünf Sinne nicht beisammen haben
Erklärt sich von selbst. Alle Fünfe auf einmal, das kommt selten vor. Und warum nur fünf?

Alle Fünfe gerade sein lassen
Andere Völker nenen das Laissez-faire oder cool sein, sich keinen Kopf machen, und wenn die Fünf auch nicht durch Zwei teilbar ist, kann man doch einfach behaupten, dass es doch ginge. Was soll's? Wen stört's? Warum nicht?

Sieben auf einen Streich 
Das tapfere Schneiderlein, der Fliegenkiller in heroischer Verteidigung seiner Pflaumenmusstulle oder seines Apfels. Aus solchen Irrtümern entstehen Heldenbilder.

In einem Städtlein Romandia war ein Schneider gesessen, welcher auf ein Zeit, als er gearbeitet, einen Apfel bei sich liegen gehabt, darauf viel Fliegen, wie dann Sommerszeiten gewöhnlich, gesessen; das thät dem Schneider Zorn, nahm einen Fleck von Tuch und schlug auf den Apfel und erschlug der Fliegen sieben. Als solches der einfältige Schneider gesehen, gedacht er bei sich selbst, sein Sach sollte gut werden, ließ sich bald einen sehr schönen Harnisch machen und darauf mit goldenen Buchstaben schreiben: sieben auf einen Streich geschlagen! zog mit seinem Harnisch auf der Gasse, wer ihn besahe, der meinte, er hätte sieben Menschen auf einen Streich zu todt geschlagen; ward darnach von jedermann übel gefürchtet. (Von einem tapfern Schneider Hausmärchen der Brüder Grimm 1812) 

Auf Wolke sieben schweben
Die Redensarten „auf Wolke sieben sein“ und „im siebten Himmel sein“ stehen für eine außergewöhnliche Hochstimmung, zum Beispiel das Gefühl von purer Freude oder Verliebtheit. Im Englischen gibt es im religionswissenschaftlichen Bereich den Ausdruck seventh heaven. Die außergewöhnliche Hochstimmung wird dagegen mit cloud nine bezeichnet, also „Wolke neun“. Der Ausdruck siebter Himmel stammt wahrscheinlich aus der Theorie des griechischen Philosophen Aristoteles. Dieser teilte den Himmel als Plural in sieben durchsichtige Gewölbe (Schalen) ein, in die die Himmelskörper eingebettet sind. In jeder der sieben Himmel oder Sphären bewegt sich je einer der sieben bekannten Planeten.

Talmud (Hagiga II, 1; 12b) heißt es:
„Es gibt sieben Himmel und zwar Vorhang, Veste, Dunstwolke, Wohnung, Burg, Stätte und Gewölk. … Auf Gewölk (dem siebten) befinden sich Gerechtigkeit, Reichtum und Heil, die Schätze des Lebens, die Schätze des Friedens und die Schätze des Segens, die Seelen der Gerechten, die Geister, die Seelen derer, die einst geboren werden, und der Tau, der einst die Toten beleben wird, Gerechtigkeit und Recht. Gefunden sind fernerhin: die Ophanim, die Seraphim, die Heiligen Tiere, die Dienstengel und der Thron der Herrlichkeit.“ (Wiki)


Ein Buch mit sieben Siegeln
"Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen". Offenbarung des Johannes 

 Apokalyptisches Lamm auf dem Buch mit den sieben Siegeln
Johann Heinrich Rohr, um 1775

Seine Siebensachen packen
Die besondere Beachtung, die der Zahl sieben seit der Antike gewidmet wird, geht wohl auf die Periode von jeweils sieben Tagen zurück, in denen der Mond eine seiner Formen (ab- und zunehmender Halbmond, Voll- und Neumond) zeigt. Über das Juden- und Christentum ist die Sieben auch in deutsches Recht und Brauchtum gekommen: Sieben Zeugen werden als glaubwürdig angesehen, es gibt sieben Kurfürsten, sieben Ratsherren, und am normalen großen Galgen ist Platz für sieben Gehenkte. Eine große Bedeutung hat die Sieben (auch in den Varianten sieben mal sieben, siebzig usw.) natürlich auch bei Fristen aller Art. Auch in der Sage und im Märchen dominiert die Sieben: Es gibt sieben Schwaben, sieben Geißlein, sieben Zwerge, und das tapfere Schneiderlein tötet sieben Fliegen auf einen Streich. Oft steht die Zahl sieben aber auch einfach ohne besondere Bedeutung als prototypische Zahl überhaupt. Dies trifft beispielsweise auf die Wendung "seine Siebensachen packen" zu. Hier hat die Sieben allerdings auch den Nebensinn des Kleinen und Armseligen. (www.redensarten.de)

08/15
Normal, üblich, gewöhnlich, aber eigentlich nur abschätzig gebraucht, im Sinne von nicht gut genug.
Das MG 08 war ein Maschinengewehr aus deutscher Produktion, das insbesondere im Ersten Weltkrieg verwendet wurde. Es wurde nach seinem Einführungsjahr 1908 benannt. Die Zusätze /15 und /18 geben die Modellvarianten ihres Erscheinungsjahres an. Ab dem Zeitpunkt der Einführung des MG 08/15 nahm die Materialqualität ab und die Fehlerhäufigkeit zu. Die Soldaten prägten den Ausdruck „Die Waffe ist 08/15!“ (Wiki) 

Ach Du grüne Neune!
Oder wie Pittiplatsch im Sandmännchen zu sagen pflegte: Ach, du meine Nase!
Die Redewendung bezieht sich eventuell auf eine Übertragung der französischen Spielkarten auf das deutsche Blatt. Die Pik-Neun entspricht der Gras-Neun, also dem Grünen Neuner, der Grünen Neune. Beim Kartenlegen gilt die Pik Neun traditionell als Karte, die nichts Gutes verheißt. (Wiki) 

4711
Meine Tante Gerda roch danach. Dem "Westpaket" entnahm sie Onko-Kaffee, HB-Zigaretten, Nesquicks schnelllösliches (drei l!!!) Kakao Pulver, Seife der Marke Lux und eben 4711 im Schmuckkarton, innen mit seidigem Stoff ausgeschlagen. Sie roch wunderbar, klar und sicher. Verlässlich. 

Einer Legende nach erhielt der Kaufmann Wilhelm Mülhens im Jahr 1792 die Rezeptur für ein „aqua mirabilis“ von Franz Maria Carl Gereon Farina, einem Kartäusermönch, zur Hochzeit geschenkt. Gesichert ist jedoch nur, dass Wilhelm Mülhens seit 1797 in der Kölner Glockengasse ansässig war und seit 1799 „Kölnisch Wasser“ vertrieb. Das Haus in der Glockengasse erhielt zur Zeit der französischen Besatzung die Nummer „4711“.  (Wiki)


falscher Fuffziger 
Berliner Slang für einen Täuscher, einen Scharlatan, eine Lügner, wahrscheinlich erst im letzten Jahrhundert entstandene Wendung auf den Umlauf von gefälschten Fünfzig-Pfennig-Stücken zurückgehend.
Eine andere Deutung sieht die Entstehungszeit früher, als zwischen 1840 und 1850 eine Berliner Bande die preußischen 50-Taler-Scheine fälschte. (Wiki)
 
180prozentig
Oh, nein, kein Schnaps, aber Menschen, die gläubiger als gläubig sind, gehorsamer als notwendig, gefährliche Menschen!

Freitag, 3. Oktober 2014

hals Maul kleine opfah - Auch das ist Sprache



SMS-Gespräch 2014 stark gekürzt:

A:
Mädchen -- bitte erhäng dich mal - Wallah du Fishfresse du wer denkst du wer du bist beleidigst xxxx und ziehst mich im Spiel mit rein Bitte hab so ein hass auf dich tfuu auf dich bitte -.- !! MÄDCHEN Zieh mich nicht im Spiel mit rein mädchen du trägst Kopftuch wo ist dein Respekt?Mädchen Zieh mich noch ein mal mit im Spiel rein Dan erlebst du deine Fish fressen Gesicht nicht mehr sondern Haj fresse Wallah! !! Wie kann ein Mädchen mit angeblichen. Respekt und stolz wie du so ein Zeichen machen 
... 
Mädchen denkst du du kannst dich cool fühlen wenn du mit deine Drecks Freunde bist und xxxx beleidigst tfuu auf dich bitte Wallah warte ab morgen und xxx Dan dich fertig machen wenn sie will - du babjBitch erhäng dich - Wallah wie gehst das nur tffu wie würdest du erzogen jz mal ehrlich 
....

B:
Warum sollte ich 1 Respekt haben und wer bist du opfah
B:
?
A:
Halt die fresse hab Respekt du ehrenloser Wallah warte ab
B:
... hals Maul kleine opfah
A:
Hahahahaha du Zwerg lebt bitch
B:
Hals maul opfah
A:
Was bitch du schlampe geh mal blasen du spermafresse leck eier du nutte Wallah du bist die gröste Ehrenloser schlampe du hurentochter WALLAH hahahahaha  denkst du ich habe Angst vor dir du Nutte Bitch leck eier du Bläserin Kopftuch aber unerzogen Bitch tfüü auf dich du schlampen Gesicht
..................

B:
Ja weil du sie und mein bruder voll beleidigt hast
B:
Warum den so schiss egal bye
A:
schiss hahahaha komm doch Wallah
....

B:
Bye ich schreibe nicht mit solchen überzogenen mädchens bye!
Und noch was das Tausendste mal wer auch immer dir das gesagt hat das ich über dich geredet habe tfuu auf den



 
"Doch die Darstellungen in den Medien sind häufig übertrieben", erklärt Inken Keim vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim: "Und wenn Jugendliche von dort etwas übernehmen, dann sind das vermutlich eher vorübergehende Modeerscheinungen."

http://www.sueddeutsche.de/wissen/jugendsprache-yalla-lan-bin-ich-kino-1.911134

Wallah (auch: Vallah; arabisch ‏والله‎, DMG wa-llāh) ist ein arabischer Ausdruck mit der Bedeutung „(ich schwöre) bei Gott“ (Wiki)


tfuu - nicht sicher, könnte ich spucke auf dich bedeuten

hdf - Halt die Fresse 

Sonntag, 21. September 2014

Gehorsam


Ich höre Dir zu. Ich höre auf Dich. Ich bin Dir gehorsam. Ich gehorche Dir. Zwischen Gehör und Gehorsam liegt der Schnitt. Gehöre ich mir oder bin ich hörig. Horch! Gehorche. Sei gehorsam! Kadavergehorsam, blinder Gehorsam. Gehorche ich, darf ich nicht mehr auf mich hören, muß mich taub stellen für alle Stimmen, die Anderes sprechen als der, dem ich gehorche. Horch wer kommt von draußen rein? 

Mein Großvater väterlicherseits hatte so ein riesiges altmodisches rosafarbenes Hörgerät, wenn er Fernsehen gucken wollte, setzte er sich ganz nah an den Apparat, schaltete seine Hörhilfe aus und beantwortete das ununterbrochene Gerede meiner Großmutter auf die Sekunde genau alle fünf Minuten mit einem freundlichem "Ja, Margarete" - es schien, eine glückliche Ehe zu sein. Er hat nichts gehört. Ach, wenn Ungehörsam immer so einfach wäre!


Der Übergang
Monument Anonymer Passanten
Errichtet in Erinnerung an die Ausrufung des Kriegsrechtes vom 13.12. 1981 bis zum 22.7. 1983 durch die polnische Regierung mit General Wojciech Jaruzelski an ihrer Spitze
Jerzy Kalina 2005 Wroclaw

gehorsam Adj. ‘folgsam, willig, brav’, ahd. gihōrsam, hōrsam (8. Jh.), mhd. mnd. gehōrsam, mnl. ghehoorsaem, nl. gehoorzaam, aengl. (ge)hīersum, (ge)hȳrsum. Das Adjektiv entsteht als Wiedergabe des den christlichen Gehorsamkeitsbegriff gegenüber Gott und der klerikalen Hierarchie ausdrückenden lat. oboediēns Part.adj. ‘willfährig, fügsam’. Dieses geht aus dem Part. Präs. von lat. oboedīre ‘jmdm. Gehör schenken, gehorchen, gehorsam sein’ hervor. Das Germ. knüpft an das dem lat. Wort zugrundeliegende Simplex lat. audīre ‘hören’ an und leitet das Adjektiv von dem unter hören (s. d.) behandelten Verb mit dem Suffix zur Bezeichnung von Charaktereigenschaften germ. -sama- (s. -sam) ab. – Gehorsam m. ‘Folgsamkeit’, ahd. gihōrsamī f. (um 1000), hōrsamī f. (9. Jh.), mhd. gehōrsam(e) f., daneben gehōrsam m.; seit dem 16. Jh. überwiegt die maskuline Form. Noch im 18. Jh. steht Gehorsam auch für ‘Gefängnis’, entstanden wohl aus einer Wendung wie in den Gehorsam gehen ‘in Haft gehen’. Gehorsamkeit f. ‘Folgsamkeit’, vgl. mhd. gehōrsamecheit ‘Gehorsam, Gelübde’. (Etymologisches Wörterbuch)

Gehorsam ist prinzipiell das Befolgen von Geboten oder Verboten durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen. Das Wort leitet sich (ähnlich wie Gehorchen) von Gehör, horchen, hinhören ab und kann von einer rein äußerlichen Handlung bis zu einer inneren Haltung reichen. (Wiki)

Obedience (engl. „Gehorsam“) ist eine Hundesportart, bei der es besonders auf harmonische, schnelle und exakte Ausführung der Übungen ankommt. Obedience wird auch als „Hohe Schule“ der Unterordnung bezeichnet.
(Wiederum Wiki) 

https://www.youtube.com/watch?v=98iK532OZgg

http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Sonntag, 7. September 2014

Mein lieber Schwan!



SCHWAN
SCHWANENHALS, SCHWANENGESANG, MIR SCHWANT ETWAS.

Herr Schwan, Herr Schwan, dein Gesang ist süß, aber deine Eier sind sauer.

Sprichwort

Leo Slezak, berühmter österreichischer Tenor, sang den Lohengrin, in dieser Oper wird der Gralsritter Lohengrin, auf einem Schwan reitend zu Elsa, der Herzogin von Brabant als Helfer und Beschützer gesandt. Er gebietet ihr, ihn niemals nach seinem Namen zu fragen und reist mitsamt Schwan wieder ab. Der verantwortliche Bühnentechniker zog eines Abends den Reiseschwan zu früh oder zu schnell, jedenfalls gelang Slezak der Aufstieg nicht, woraufhin er sich mit fragendem Gesicht an das Publikum wandte und " Wann kommt der nächste Schwan?" fragte. 

Im Aassee von Münster hat sich der weibliche Teil eines Paars schwarzer Schwäne, nach dem Tod ihres Partners, unsterblich in ein schwanenförmiges Tretboot verliebt. Sie begleitete es überallhin. Andre ebenfalls Schwänen nachgebildete Gefährte führten zu keinerlei Reaktion.
Nach Ansicht des zooeigenen Verhaltensbiologen ist nicht davon auszugehen, dass sich das Tier jemals von seinem Tretboot trennen wird.” 


Die Schwanen- oder kontinentbedingt Giraffenhälse der Frauen der Padaung


http://de.wikipedia.org/wiki/Padaung

Wieso sagt man, wenn jemand eine Vorahnung hat, dass ihm etwas schwant? Ist der Schwan im Volksglauben ein Vogel mit Zukunftsahnung?

Ob die Wendung etwas mit dem Schwan zu tun hat, ist nicht geklärt. Sie findet sich zuerst im Mittelniederdeutschen (Braunschweig 1514), aber in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch schon im Hochdeutschen. Möglicherweise liegt das Verb wanen ›wähnen, ahnen‹ zugrunde, wobei zwischen einem vorgestellten Personalpronomen und diesem Verb die Wortgrenze sich verschoben hat (mir’s wanet > mir swanet. Ähnliches ist – in umgekehrter Richtung – bei dem Wort Otter (›Schlange‹) eingetreten, das auf Natter zurückgeht. Hier wurde das anlautende n als Ende eines vorangehenden unbestimmten Artikels empfunden (ein[e] Atter); das a im vermeintlichen Anlaut wurde zu o verdumpft. – Eine andere Herleitungsmöglichkeit bringt doch den Schwan ins Spiel: Der Wendung könnte neulateinisch olet mihi (›es ahnt mir‹, von lat. olere, ›riechen, sich durch Geruch bemerkbar machen‹) zugrunde liegen. Von Gelehrten der frühen Neuzeit könnte dieses Verb scherzhaft an das lateinische Wort für den Schwan, olor, angeschlossen worden sein, so dass schwanen die »wörtliche« Übersetzung von olere wäre.
Gefunden bei:

 
SCHWANENGESANG

Kyknos (altgr.: Κύκνος, Schwan), ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Sthenelos und der Okeanide Klymene (Okeanide).
Kyknos war König von Ligurien und Geliebter des Phaethon. Als Phaethon tot vom Himmel in den Fluss Eridanus stürzt, eilt Kyknos herbei und trauert um ihn. Von Apollon wird er daraufhin aus Mitleid in einen Schwan aus leuchtenden Sternen am Nachthimmel verwandelt. Bevor Kyknos aus Trauer über den geliebten Freund starb, sang er auf jene von keinem anderen Gesang an trauriger Schönheit übertroffene Weise. Wiki

Der Schwan

Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen:

in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehen, Flut um Flut;

während er unendlich still und sicher


immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht. 

Rainer Maria Rilke
Aus der Sammlung Neue Gedichte, Erster Teil

 Wenn Schwäne an Land sind, watscheln sie wie Balletttänzerinnen ohne Tanz.
Eine sich bedroht fühlende Schwänin hat einmal mit ihren Flügeln den Yorkie meiner Mutter ohnmächtig geschlagen, eins ihrer Kinder war blind, die ersten Wochen des Sommers schwamm es noch in einiger Entfernung hinter seiner Familie her, eines Tages nicht mehr, ich habe ihn nie wieder gesehen.

Und dann gibt es noch Die Sechs Schwäne, ein Märchen in der Sammlung der Gebrüder Grimm auch unter Die Zwölf Brüder oder, Hoffnung aller Mädchen, die sich unansehnlich finden, Das häßliche Entlein von Hans Christian Andersen.

http://de.wikisource.org/wiki/Die_sechs_Schw%C3%A4ne_%281812%29

http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/die_zwoelf_brueder

Und aus der Carmina Burana von Carl Orff, das Lied des gebratenen Schwanes:

Olim lacus olumeram

Der gebratene Schwan singt:

Einst schwamm ich auf den Seen umher,
Einst lebte ich und war schön,
Als ich ein Schwan noch war.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Es dreht und wendet mich der Koch.
Das Feuer brennt mich sehr.
Nun setzt mich vor der Speisemeister.

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Jetzt liege ich auf der Schüssel
Und kann nicht mehr fliegen,
Sehe bleckende Zähne um mich her!

Armer, armer!
Nun so schwarz
Und so arg verbrannt!

Leviticus 11:27
Unter den Vögeln sollt ihr Folgende verabscheuen - man darf sie nicht essen, sie sind abscheulich: ... das Käuzlein, den Schwan, den Uhu...


Sonntag, 31. August 2014

WUT!



      
    Singe den Zorn, o Göttin, 
    des Peleiaden Achilleus 
  Illias, erste Zeile

      Sei nicht so wütend, die Gänse zu beißen, und nicht so schwach, von 
      Gänsen dich beißen zu lassen.

 
      Dampf ablassen oder vor Ärger platzen?
      Aufbrausen, einen Koller kriegen, einen Wutausbruch haben,  
      sich entrüsten, sich empören, es satt haben, toben, seinem Zorn
      freien Lauf lassen, in die Luft gehen, die Fassung verlieren, rot sehen, 
      ergrimmen, aufbegehren, austicken, ausrasten, aus der Haut fahren, 
      mit der Geduld am Ende sein, in Rage geraten, explodieren, rasen,
      fuchsteufelswild werden, einen Hals haben, garstigwerden, vor Wut 
      schäumen oder tief durchatmen und bis zehn oder 155 zählen? Was tun
      in dem Augenblick, wo der Kragen platzt, der Hut hoch geht,
      Schluß ist, man an die Decke geht?
     
      Zorn gleicht einem vorübergehenden Wahnsinn, denn er ist, ebensowenig    
      wie dieser, Herr über sich selbst.
      Seneca 
  
      "Johanna, die Milch kocht über!" flötete Fräulein Montowski durch das
      Klassenzimmer, wenn ich, siebenjährig, wegen irgendeiner empfundenen
      Ungerechtigkeit, wieder die idiotische Disziplin der sozialistischen
      Grundschule störte. Lehrer, Therapeuten, Kummerkastentanten, alle
      möglichen Leute raten einem dazu, Ruhe zu bewahren. Wer die
      Contenance verliert, macht sich klein. Wer pur reagiert, verliert die
      Oberhand. Wer die Kontrolle verliert, verliert. Warum eigentlich?

      In meiner Jugend wurde ich oft von allzuleicht erregbarem Jähzorn gequält,
      das hat sich gelegt. Gottseidank. 
      Es dauert heutzutage lang, sehr lang bis ich die Ruhe verliere. 
      Und dann folgt erst noch die Phase, wo ich die Wut unterdrücke,
      meine Unterlippe zittert und ich, welch Ironie, vor Wut platzen könnte,
      weil ich nicht weinen mag, weil das wie Demut wirken könnte.
      Sicher ist meine größere Geduld auch antrainierte Vorsichtigkeit, um nicht 
      andauernd mit beiden Beinen knietief in verschiedensten Fettnäpfchen
      herumzustehen, aber auch Folge der entspannteren Amüsiertheit meines 
      höheren Alters.
      ABER, aber, wenn mein Limit erreicht ist, dann ...
      Ich bin froh, dass ich noch sauer werden kann. Froh, dass ich nicht
      immer überlegt und bedacht handele. Wenn ich lange genug Verständnis
      und Mitgefühl gezeigt habe und mir im Gegenzug Unverschämtheit und 
      Nachlässigkeit erwiesen wurde, dann lege ich irgendwann mein wohl-
      erzogenes, einsichtiges, immer auch die Gegenseite verstehendes
      Ich ab und lasse meinem garstigen, empörten, verletzten Ego freien
      Lauf. Oh, welche Erleichterung! Ja, die Folgen muß ich ausbaden, und
      wenn schon. Das ist es wert!
      Fuck it!
     
http://www.sueddeutsche.de/kultur/peter-sloterdijk-zorn-und-zeit-entdecke-buerger-den-zorn-1.878953

 

Sonntag, 27. Juli 2014

KRIKELKRAKEL KRAKELEI KRITZELEI KRIKELEI


KRIKELKRAKEL KRAKELEI KRITZELEI KRIKELEI

Im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache findet man unter krakeln: 
‘zittrig, ungleichmäßig, schlecht leserlich schreiben’ (19. Jh.). Die Herkunft des nd. md. Verbs ist unbekannt. Vergleichbar sind mnd. krōken, krāken ‘falten’, krōke, krāke, krōkel, krākel ‘(Gesichts)falte, Runzel’, vielleicht auch nhd. Krakel ‘dürrer Zweig’ (danach der diesem ähnliche Schriftzug?). Vgl. Krakelfüße ‘seltsame Schrift’ (Lessing), Krakelwerk ‘seltsam gestaltetes Werk’ (Goethe). – krak(e)lig Adj. ‘zittrig, unleserlich geschrieben’ (19. Jh.). Krakelei f. ‘das Krakeln, Gekrakelte’, nd. Krakelie (19. Jh.). 
klieren, krickeln, kritzeln 


Im Etymologischen Wörterbuch steht: Krakel "unregelmäßiger Schriftzug" std. stil. (16. Jh., Bedeutung 19. Jh.) Stammwort. In der Bedeutung "dürrer Ast" bezeugt seit dem 16. Jh. (zunächst in der Form Gragel). Dann übertragen auf Schriftzüge usw.; bei krakelig "zerbrechlich" tritt ein anderes Merkmal der dürren Äste in den Vordergrund. Wohl lautmalend zu krachen (Krach). Verb: krakeln; Abstraktum: Krakelei. S. auch krickeln.
 
 
WIEDERGEBURT

Ein Kunstbarbar mit schlaffer Hand
Befleckt das Bild eines Genies,
Indem er es voll Unverstand
Mit eignen Krakeln überzieht.

Die fremden Farben mit den Jahren
Platzen schuppenwelk herab;
Bis das, was das Genie gestaltet,
In alter Schönheit wieder strahlt.
 
So muss auch jener Irrtum schwinden,
Der lang schon meine Seele quält,
Bis sich Visionen wiederfinden,
Die rein der erste Tag enthält.

Alexander Puschkin 1819
übersetzt von Eric Boerner  

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EDWARD HOPPER 
KRAKELEIEN - SCRIBBLES





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Jakob Krakel-Kakel

Jakob Krakel-Kakel war schon ein alter Rabenvater. Aber – dem Himmel sei es geklagt – er machte noch immer Seitenflüge. Besonders häufig traf er sich in einer Felsengalerie mit seiner Nichte, der Nebelkrähe. Er schwärmte so für aschblonde Federn. Da saß er und schnäbelte, statt sich die Felsenbilder zu besehen, wie es ehrbare Leute tun. Denn dazu sind die Felsengalerien da, wie jeder weiß. Die Felsen blieben freilich ungerührt, aber sonst war es betrübend.
»Krah«, sagte Jakob Krakel-Kakel und ließ sich elegant auf den Rand seines Nestes niedergleiten. »Jakob«, sagte Frau Krakel-Kakel, die häuslich auf ihren Eiern saß, »Jakob, wo sind die bestellten Regenwürmer?« »Regenwürmer sind dieses Jahr sehr schwer zu beschaffen. Ich fand nichts als einen Engerling, den ich im Versehen verschluckte.« Jakob Krakel-Kakel hatte Übung in solchen Dingen. »Jakob, wo warst du?« fragte Frau Krakel-Kakel. »Ich sagte es dir schon«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »ich habe alle Felder abgesucht. Ich bin erschöpft. Außerdem bin ich erkältet.
»Du bist eher erhitzt«, sagte Frau Krakel-Kakel. »Jakob – hat nicht deine Nichte, die Nebelkrähe, aschblonde Federn auf der Brust?«
»Was wird sie haben«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »sie wird schon aschblonde Federn haben.«
»Jakob«, sagte Frau Krakel-Kakel, »du hast eine aschblonde Feder auf dem Rock.«
»Ich werde eben grau«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »es ist kein Wunder.« Er putzte sich die Feder fort.
»Jakob, kakle die Wahrheit! Du bist polygam. Pfui!«

 
Jakob Krakel-Kakel senkte schuldbewußt den großen Schnabel. In der Tiefe seiner Rabenseele aber war er wütend und beschloß, Rache zu nehmen – Rabenrache!
»Krah«, sagte Jakob Krakel-Kakel und flog davon. Er flog zum Kuckuck.
»Ich habe gehört, daß Sie Ihre Eier vergeben. Ich will eins haben.«
»Mit Vergnügen«, sagte der Kuckuck.
»Mehr als einen oder höchstens zwei Regenwürmer möchte ich nicht anlegen«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »ich bin verheiratet und kann mir keine Extravaganzen gestatten.
»O bitte, das genügt vollkommen, ich tue es überhaupt nur aus reiner Vogelfreundlichkeit", sagte der Kuckuck. »Ich will das Ei dann gleich mitnehmen«, sagte Jakob Krakel-Kakel.
»Das geht nicht«, sagte der Kuckuck pfiffig. »Eierlegen ist eine produktive Tätigkeit. So was ist doch nicht vorrätig. Man braucht Stimmung dazu. Das müßte solch ein alter Vogel doch eigentlich selbst wissen.«
Jakob Krakel-Kakel tat, als wisse er das nicht.
»Wann kann ich es mir holen?« fragte er.
»Ich liefere es Ihnen loco Rabennest«, sagte der Kuckuck zuvorkommend.
»Das tun Sie lieber nicht«, sagte Jakob Krakel-Kakel, »Sie könnten da auf ungeahnte Schwierigkeiten stoßen. Ich hole es mir selbst ab.«
Nach einigen Tagen flog Jakob Krakel-Kakel von hinten auf seine Frau zu. Er hatte ein Ei im Schnabel und schob es ihr vorsichtig ins Unterrockgefieder. Dann segelte er von dannen – ruchlos krächzend.
Nach einer kurzen Weile kam er wieder und setzte sich auf den Nestrand. Er sagte nicht einmal »Krah« zur Begrüßung und kehrte seiner Frau den Rücken zu. Dann wandte er den Schnabel und sprach über die Schulter.
»Lea«, sagte er, »was ist das für ein Ei?«
»Was werden es für Eier sein«, sagte Frau Krakel-Kakel, »unsere Eier – Rabeneier.«
»Lea – kakle die Wahrheit! Du hast ein fremdes Ei im Nest!«
»Ach, du meinst das kleine, das du mir heute zugesteckt hast?« sagte Frau Krakel-Kakel. »Das hab' ich ausgetrunken. Es war doch eine Aufmerksamkeit für die bestellten Regenwürmer, die du vergessen hast? Nicht wahr?« Jakob Krakel-Kakel war zumute, als müsse er selber Eier legen.
»Natürlich«, sagte er und sah seine Frau mit Rabenaugen an. Er tat es nicht lange. Frau Lea Krakel-Kakel hatte einen Zug um die Schnabelwinkel – einen Zug, den man niemand beschreiben kann, der ihn nicht kennt. Jakob Krakel-Kakel wurde hundert Jahre alt. Den Zug vergaß er nie. Er hat auch auf dem tadellos schwarzen Rock nie wieder eine aschblonde Feder gehabt. Und das heißt: Er hat sie sich stets vorher sorgsam abgeputzt.

Manfred Kyber um 1926

Dienstag, 17. Juni 2014

HAMLET 1 - Sein oder Nichtsein - Da liegt der Hund begraben





 
Vier Wochen Proben für das Stück der Stücke, ja, richtig gelesen, vier, und ich habe eine Ahnung, was geht in solch beschränktem Zeitraum und was nicht und kann doch nicht aufhören über all die irritierenden, überraschenden, erleuchtenden Details nachzudenken. Meine Spieler, mit hysterischer Unternote, sind offen und waghalsig. Ein Abenteuer im deutschen Stadttheaterberieb! 

To be or not to be, that is the question:
Whether 'tis nobler in the mind to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing, end them? To die: to sleep;
No more; and by a sleep to say we end
The heart-ache and the thousand natural shocks
That flesh is heir to, ’tis a consummation
Devoutly to be wish’d. To die, to sleep;
To sleep: perchance to dream: ay, there’s the rub;

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Mit "rub" meint Hamlet eine Schwierigkeit, ein Hindernis oder einen Einwand - in diesem Fall, was seinen Selbstmord betrifft. Der Begriff hat seinen Ursprung im alten Spiel Kugeln (etwa wie das Boule der Franzosen oder Boccia für Italiener). Ein "rub" ist ein Mangel auf der Oberfläche des Rasens, der die Kugel von der vorgesehenen Richtung abbringt. Das Wort taucht schon einige Jahre vor Shakespeares Zeit auf und ist immer noch in Gebrauch.

World Wide Words © Michael Quinion
hier liegt das Problem
hier drückt der Schuh 
hier liegt der Fehler 
da ist der Haken 
da reibt es sich
da liegt der Hase im Pfeffer
da liegt der Hund begraben
das ist des Pudels Kern
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Seyn oder nicht seyn – – Das ist die Frage – – Ob es einem edeln Geist anständiger ist, sich den Beleidigungen des Glüks geduldig zu unterwerfen, oder seinen Anfällen entgegen zu stehen, und durch einen herzhaften Streich sie auf einmal zu endigen? Was ist sterben? – – Schlafen – – das ist alles – – und durch einen guten Schlaf sich auf immer vom Kopfweh und allen andern Plagen, wovon unser Fleisch Erbe ist, zu erledigen, ist ja eine Glükseligkeit, die man einem andächtiglich zubeten sollte – – Sterben – – Schlafen – – Doch vielleicht ist es was mehr – – wie wenn es träumen wäre? – – Da stekt der Haken

Christoph Martin Wieland

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Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –
Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:

August Wilhelm Schlegel

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Sein, oder nicht sein, das ist die Frage:
Ob’s mehr uns adelt wohl im Geist, die Pfeile
Und Schleudern wüsten Schicksals stumm zu dulden,
Oder das Schwert zu ziehn gegen ein Meer der Plagen
Und im Anrennen enden: sterben… – schlafen,
Mehr nicht; und sagen, daß durch einen Schlaf
Wir’s Herzweh enden und die tausend Lebenshiebe,
Die unserm Fleisch vererbt sind: ‘s ist eine Erfüllung
Inbrünstig beizuwünschen. Sterben, schlafen,
Schlafen, womöglich träumen – ja, da hakt’s:
 
Frank Günther 

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Sein oder Nichtsein, das ist die Frage,
Ob es von edlerm Sinn ist, man erduldet
Geschoß und Schleuder des erzürnten Schicksals,
Oder nimmt Waffen gegen Seen von Drangsal
Und endet sie durch Kämpfen. Sterben, schlafen
Sonst nichts, und sagen mit dem Schlaf, vorbei
Das Herzweh und die tausendfachen Schläge
Die Fleischeserbe sind, es wäre ein Ziel
Auf innigste zu wünschen. Sterben, schlafen,
Schlafen, vielleicht träumen - ja da steckts,


Adolf Dresen

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Sein oder nicht sein, das ist die Frage –
Ob es von edlerm Geist ist, auszuhalten
Geschoß und Schleuder des wütenden Geschicks
Oder, in Waffen gegen eine See
Von Plagen, enden im Aufstand. Sterben, schlafen
Nicht mehr, und sagen mit dem Schlaf: vorbei
Das Herzweh und die tausend Qualen, unser
Fleischliches Erbteil. Das ist ein Schluß
Aufs innigste zu wünschen. Sterben, schlafen.
Schlafen, träumen vielleicht. Da ist der Haken.

Langhoff / Müller