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Dienstag, 23. April 2024

Ich bin Jüdin, tja, was heißt das.

Wenn man, wie ich, in eine atheistische, kommunistische, ostdeutsche Familie geboren wurde, ist die Definition der eigenen Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, ein kompliziertes Ding.

Nach jüdischem Recht bin ich Jüdin, weil meine Mutter und Großmutter Jüdinnen waren. Das machte Sinn, in alten Zeiten, denn bevor es DNA-Überprüfung gab, war die Mutter mit großer Sicherheit, der Vater nur bei Unschuldsvermutung festzustellen. 

Meine erste Liebe, Kurt Goldstein, hat mir einen selbstgemachten silbernen Davidstern-Anhänger geschenkt. Den habe ich getragen und in der "judenlosen" DDR viele dumme Fragen beantworten müssen, aber der Stern erlaubte mir auch, mich als anders zu fühlen. Ein gutes Gefühl in der DDR. Ich habe den Anhänger noch immer.

Da ich an keinen Gott glaube, helfen mir religiöse Zuordnungen nicht. 

Wie und warum bin ich, Johanna, dann jüdisch?

Jüdisch bin ich "no matter what", auch ohne Synagoge und Befolgung der Koscher-Regeln. Warum? Weil es bei uns Juden diese eigenartige Vermischung oder Gleichsetzung von Ethnie und Religion gibt. Ich gehöre zum "auserwählten Volk", selbst wenn ich nicht an seinen Gott glaube. Ich könnte einen israelischen Pass beantragen und ihn höchstwahrscheinlich auch bekommen. Wäre aber jetzt wahrscheinlich nicht meine erste Wahl. Netanjahu und seine Leute, Siedler, Ultra-Orthodoxe etc. machen, dass es so ist.

Und dann kommt das, was Shakespeare so unvergleichlich mit "there lies the rub" beschreibt, zu Deutsch "da liegt der Hund begraben" oder "das ist des Pudels Kern", egal ob ich mich jüdisch empfinde, wenn es hart auf hart kommt, werden andere, nicht-jüdische Menschen, mich dazu bringen Jüdin zu sein. Ich bin jüdisch by default. Egal wie ich mich selbst definiere, wenn „man“ Juden noch einmal vernichten wollen würde, wäre auch ich dran.

Und darum kann ich, bei aller Wut auf Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, nicht einfach „From the river to the sea“ schreien. Ganz abgesehen davon, dass einige der Schreienden nicht wirklich zu wissen scheinen, was für ein Fluss und welches Meer gemeint sind. 

2000 Jahre sind Leute wie ich durch die Welt gelaufen, haben ihre religiösen Regeln eingehalten und sich so gut angepasst wie möglich. Aber immer wenn es ungemütlich wurde, waren wir dran, wurden aus Städten verwiesen, durch Pogrome dezimiert, verbrannt, gehängt, für jedwedes Unglück, sei es Pest oder Überschwemmung, verantwortlich gemacht. Christliches Kinderblut im Mazze, wie unkoscher, aber als Vorwurf doch immer wieder gern verwendet.

What the fuck is Antisemitismus? Uiguren werden gemordet, kein Aufschrei, Assad killt Hunderttausende, lautes Schweigen, Tutsis, der Sudan, etc. Aber?

Um es klarzustellen, wir, die Juden, sind keinen Deut besser als ihr. Es ist eine wirklich kranke Idee, dass der Holocaust uns zu besseren Menschen gemacht hat. Man muss nicht nur die unvorstellbarste Gewalt überleben, sondern dadurch auch noch besonders empathisch und rücksichtsvoll werden?

Der 7. Oktober war ein Schrecken und eine alle Sinne betreffende Erinnerung an unzählige antisemitische Attacken zuvor. Und er passierte, als Israel die schlechtest mögliche aller Regierungen hatte, zugegebenermaßen selbstgewählt, aber eben und Gott sei Dank, auch heftigst protestiert. 

Netanjahu will nicht abdanken, weil er dann in den Knast muss, seine Rechtsaußen Koalitionspartner machen Druck und die Geiseln, 130, oder seien auch nur noch 100, weil die anderen ermordet wurden, sind immer noch nicht frei und die Hamas orchestriert einen Krieg, der Krankenhäuser und Kinder und Frauen bevorzugt. 

"Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat." Präambel der Charta der Hamas.

"Friedensinitiativen und so genannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung. Die Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen ... Für das Palästina-Problem gibt es keine andere Lösung als den Jihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung." Artikel 13

Aber da gibt es eben auch die israelischen Siedler mit ebenfalls äußerst unangenehmen ideologischen An- und Absichten.

Alle Beteiligten bersten vor Hass.

Wohin führt das?

Die Siedler wollen siedeln und Groß-Israel ist ihr Ziel.

Hamas, Hisbolla, Hutis, Iran und andere wollen Israel auslöschen.

Kein Israel mehr? Wohin sollen die 10 Millionen Juden dann gehen? Zwei Milliarden Muslime und gerade mal 10 Millionen Israelische Juden stehen einander in einem über Generationen gehegtem und gepflegtem Hass gegenüber. 

Die Nakba führte zur Vertreibung unzähliger Palästinenser aus ihrer Heimat, aber auch viele Juden, die seit Jahrhunderten in arabischen Ländern lebten, mussten gehen, weil das funktionierende, friedliche Zusammenleben von Muslimen und Juden plötzlich nicht mehr möglich war. 

Gibt es eine friedliche Lösung? Ich befürchte nicht. 

2000 Jahre haben wir " Next year in Jerusalem" gemurmelt und gelten jetzt nach den Regeln des Postkolonialismus als weiße Kolonialherren. 

Jetzt, da Palästina unter britischem Mandat steht und Herr Balfour den Juden ein Heimatland versprochen hat ... na ja, nicht gerade versprochen, er sagte, die Regierung seiner Majestät würde das wohlwollend prüfen, sofern die Palästinenser – bezogen auf das Land ohne Volk für das Volk ohne Land – sofern also die örtlichen Einwohner nichts dagegen hätten – Tom Stoppard Leopoldstadt

Dieses Schwanken zwischen ich und wir, ich bin Jude, aber kein Israeli, ich verachte die jetzige Regierung Israels und lehne das Verhalten der ultra-orthodoxen Siedler in der Westbank heftigst ab, aber, meine Wahrheit liegt unglücklicherweise zwischendrin.

 


Montag, 16. Oktober 2023

Die AfD eine für mich sehr persönliche Gefährdung

Was, konkret, werden wir tun, wenn die AfD die Regierung stellt? Was werde ich tun? Wie werde ich leben? Wie werde ich es ertragen? Wie halte ich aus, dass eine solche Partei an der Macht ist? Wie wird sie mich behandeln? Werden sie mich in Ruhe lassen und ich akzeptiere das?

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Meine Mama war 12 Jahre auf der Flucht vor den Nazis. Und wenn die AfD auch nicht das Gleiche ist, so ist sie doch nah genug dran. Wieder Nationalismus anstatt überlegter Hilfe, wieder Restauration anstatt neuer Lösungen. Wieder Verachtung, anstatt des verzweifelten Versuchs zu Verstehen. Ich bin nicht blind gegenüber den Problemen, die die Einwanderung von Menschen mit grundverschiedenem sozialen Hintergrund  aufwerfen, aber völlige Empathielosigkeit kann nicht die Lösung sein.  

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Ich habe keine Ahnung. 

Beim Anblick von Alice Weidel wird mir schlecht, mit O-Ton wird mir kotzübel. Das Gesicht hart und verkrampft, der Ton herablassend und verächtlich. Eine ehemalige Investitionsbankerin, die lesbisch, aber nicht queer ist und die ganze Welt hasst, weil sie nicht ihren Vorstellungen von bürgerlicher Eleganz entspricht. Weiße Bluse und schwarzes Kostüm, ihre Uniform. 

„Das Jahr beginnt mit dem Zensurgesetz und der Unterwerfung unserer Behörden vor den importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs, an die wir uns gefälligst gewöhnen sollen. Die deutsche Polizei kommuniziert mittlerweile auf Arabisch, obwohl die Amtssprache in unserem Land Deutsch ist.“ Alice Weidel, am 1. Januar 2018 auf Facebook

Ganz schlimme Worte kommen da in mein Hirn. Ganz schlimme Worte. Worte, wie das, das mit V beginnt und das ich eigentlich nie, nie für einen Menschen verwende. Und Bernd Höcke, da habe ich sogar sein Buch gelesen, nicht zu fassen. Wenigstens hat er keinen Charme. Es geht mir übrigens genauso bei Donald Trump.

Was, konkret, werden ich tun, wenn die AfD die Regierung stellt? Weitermachen wie bisher? Ginge das überhaupt? Ich gehöre nicht zu denen, die unsere Zeit mit der vor 1933 gleichsetzen und ich erwarte auch nicht, dass die AfD, wenn in der Machtposition, sofort Konzentrationslager bauen läßt. Aber es wird ein anderes Land werden, dieses schwierige Land, in dem ich lebe. Und es wird dann von Leuten regiert werden, deren Absichten mir Abscheu einflößen. Zugegeben, bin ich, als deutsche Jüdin, etwas schreckhaft. Die Verwendung eines Wortes wie Lebendgeburten flößt mir Angst ein. Und deutsche Leitkultur, was ist das? Goethe kontra wen genau? Ich liebe meine Sprache, aber lasse ich mich durch sie leiten? Wohin? Ist die Familie unser traditionelles Leitbild. Wer genau ist das? Die nicht queere Alice? Dagegen ich und meine Ambivalenzen. Viele meiner Mitbürger*innen, die auf der Suche sind, werden unter furchtbaren Druck geraten

Die USA bleiben unser Partner. Russland soll es werden. Die AfD setzt sich deshalb für ein Ende der Sanktionen und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland ein.

Die AfD tritt dafür ein, für alle männlichen deutschen Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 25 Jahren den Grundwehrdienst wieder einzusetzen.

Entwicklungshilfe sollte stets „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein. Die Auswanderung von Menschen in wirtschaftlicher Not nach Deutschland löst die Probleme vor Ort nicht. Fluchtursachen in den Herkunftsländern müssen bekämpft werden.

Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild. Ehe und Familie stehen nach dem Grundgesetz zu Recht unter dem besonderen Schutz des Staates.

Den demografischen Fehlentwicklungen in Deutschland muss entgegengewirkt werden. Die volkswirtschaftlich nicht tragfähige und konfliktträchtige Masseneinwanderung ist dafür kein geeignetes Mittel. Vielmehr muss mittels einer aktivierenden Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung als mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung erreicht werden.

In Deutschland kommen auf rund 700.000 Lebendgeburten pro Jahr ca.100.000 Schwangerschaftsabbrüche. Werdende Eltern und alleinstehenden Frauen in Not müssen finanzielle und andere Hilfen vor und nach der Entbindung angeboten werden, damit sie sich für ihr Kind entscheiden können. Die Alternative für Deutschland wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie zu einem Menschenrecht zu erklären.

Die AfD will den Einfluss der Parteien auf das Kulturleben zurückdrängen, gemeinnützige private Kulturstiftungen und bürgerschaftliche Kulturinitiativen stärken. Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.

Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur. Die Ideologie des Multikulturalismus betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität selbstbewusst verteidigen.

Die Gender-Forschung erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. Bestehende Gender-Professuren sollen nicht mehr nachbesetzt, laufende Gender-Forschungsprojekte nicht weiter verlängert werden. 

Traurigster Nachtrag:

Gestern hat Israel der Hamas, nach einem schweren Angriff auf seine Bürger, den Krieg erklärt. Grauenhaft, bedrohlich. Wer ist schuldig? Ich wünschte es gäbe eine einzige richtige Antwort. Das schlechte Gewissen Europas ermöglichte die Gründung des Staates der Juden, die nach der Verwüstung des Holocausts, jedes Recht hatten, einen sicheren Ort zu suchen. Die Palästinenser bezahlten eine Schuld, die sie nicht zu verantworten hatten und einige, nicht wenige wurden durch erfahrenes Leid, aber auch religiösen, nationalistischen rückwärtsgewandten Starrsinn und die Korruptheit ihrer Anführer zu Terroristen. Gibt es eine Lösung? Wenn ja, kenne ich sie nicht. Der Iran jubiliert. Das Regime, das Frauen hasst und Abweichler und wer weiß wen noch. Israel ist ein demokratischer Staat, der von einem korrupten Mann regiert wird und es hat verzweifelt versucht, sich gegen ihn zu wehren. Jetzt müssen alle Israelis notwendigerweise zusammenstehen.Und nun? Ich wünsche die Sicherheit aller Juden überall. Aber ich wünsche auch, dass die Palästinenser würdig leben dürfen. Ich wünsche mir einander ausschließende Dinge.

 

Freitag, 1. September 2023

Rechte, Faschisten, Nazis - lauter Kosenamen für Leute, die Demokratie nicht mögen.

Herr Aiwanger von den bayrischen Freien Wählern hat mal früher, oder war es sein Bruder, ekelige Witze über Konzentrationslager gemacht.

Ich kenne da auch einen: "Mein Vater ist im KZ umgekommen, er ist besoffen vom Wachturm gefallen."

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir uns, um nur nicht unfair, oder Gott verhüte es, intolerant zu scheinen, einen Knoten in unser untrügliches Bauchgefühl winden.

Wer Menschen wegen ihrer Hautfarbe, geschlechtlichen Orientierung, religiösen Affinität a priori ausgrenzt, wer meint, dass "Deutsch" zu sein eine Leistung ist, wer Nationalismus höher stellt als Humanismus - ist ein Arschloch. Punkt.

Ich bin nicht "Deutschland". Ich bin eine Mischung aus Völkerwanderung, zufälligen sexuellen Begegnungen und meine DNA ist so vermanscht, wie die der meisten Leute.

Zufällig ergab sich daraus eine weiße, deutsch-jüdische Cis-Frau. Der Kommentar meiner Tante beim meinem Anblick, weiß, blauäugig, blond, war: "Jetzt sind wir endgültig in der arischen Rasse untergetaucht.

Ich habe eine Menge toter Verwandte, die ich nicht kennenlernen konnte, weil sie wegen ihrer Rassenzugehörigkeit von Nazis gemordet worden sind. 

Ich weiß nicht, wie wir die vielen muslimisch erzogenen jungen Männer integrieren können. Ich weiß es nicht.

Ich weiß nicht, wie wir die Kette von Opferempfindlichkeit und Schuldzuweisung in den östlichen Bundesländern unterbrechen können. Ich weiß es nicht.

Hitler war schuld, die Stasi war schuld, der Kapitalismus ist schuld -  und Du und ich hatten wir nie gar keinen Anteil. Sind wir für gar nichts verantwortlich? Was haben wir geduldet, nicht verhindert, wo waren wir feiger, als überlebensnotwendig? Wann ging es uns besser als den Opfern und wir blieben still?

Und jetzt soll ich mich daran gewöhnen, dass die AfD demnächst mitregiert?

Heute abend gab es Unter den Linden eine kleine Demonstration gegen unsere Unterstützung des Krieges in der Ukraine. Ja. Krieg ist furchtbar. 

Aber diesen nicht unterstützen? Russland ist der Aggressor. Ist die Nato in Russland einmarschiert? Ist Putin ein Menschenfreund? Ist Prigoschins Flugzeug zufällig abgestürzt? Sich aus allem raushalten, kann auch heißen, dass man schlimmes Unrecht duldet.

Aber enige meiner digitalen Freunde scheinen in einer Zeitschleife zu leben. Die "kommunistische" Sowjetunion = das bedrohte Russland = der Kapitalismus ist immer böse.

Mein Lieblingsrabbi hat einmal in etwa einen tollen Satz gesagt: Demokratie ist furchtbar, aber man kann alle 4 oder 5 Jahre seine Fehler wieder gut machen.

Ich will nicht von rechten Politikern regiert werden. Nicht von Nazis, nicht von Faschisten und auch nicht von Leuten, die sich anders nennen, aber das gleiche meinen.


Dienstag, 4. Juli 2023

Die afd und ihre Wähler

Eine Meinungsumfrage des Institutes INSA im Auftrag von „Bild“ erklärt die AfD mit 28 Prozent zur momentan stärksten Partei in Brandenburg. Die SPD käme mit 21 Prozent auf Platz zwei.

Soll ich jetzt froh sein, dass meine Mutter schon gestorben ist, dass sie das nicht mehr erleben muss?

Soll ich, wie manche Freunde es tun, die Wiederkunft der Dreissiger Jahre heraufbeschwören?

Wahlergebnis der Reichtagswahlen 1928 NSDAP 2,6% KPD 10,6 SPD 29,8

Wahlergebnis bei den Reichstagswahlen 1930 NSDAP 18,3% KPD 13,1 SPD 21,5

Wahlergebnis bei den Reichstagswahlen 1932 NSDAP 33,1% KPD 16,9 SPD 20,4

Wahlergebnis bei den Reichstagswahlen 1933 SPD 18,3 KPD 12,3 NSDAP 43,9

Soll ich heulen? Kotzen? Angst haben?

Was mich irre macht, ist die Fähigkeit  avon vielen ganz gewöhnlichen Menschen aus Eigeninteresse, Faulheit, Dummheit oder Bösartigkeit eine fiktive Vergangenheit herzuphantasieren, deren Wiedererstehen, sie endlich zu Gewinnern der Geschichte machen wird.

Egal ob der Weg dahin der Brexit, die Wiederherstellung Großungarns oder die Renazifizierung Deutschlands ist.Und sie alle erklären sich dabei selbstgerecht bibbernd zu Opfern - Opfern der Umstände, der jeweiligen Regierungen, obskurer Eliten, der gierigen Ausländer, der gierigeren Juden. Sie selbst haben nie etwas getan, nur immer erlitten. Hitler war schuld, die Kommunisten waren schuld, der okkupierende Westen war schuld, die Grünen sind schuld. Irgendjemand ist immer schuld.

Vor Jahren saß ich in einem Cafe an einem Tisch neben einem Ehepaar aus dem damaligen West-Deutschland, sie schwärmten von der Wärme und dem Zusammenhalt, die in den Familien während des Dritten Reiches geherrscht hätten. Mein Mund konnte nicht still bleiben und fragte, ob sie von den Milionen Opfern dieser so kuscheligen Zeit wüßten. Die Frau schaute mich mit großen Augen an und sagte: "Aber die wären doch sowieso irgendwann gestorben."

Kultiviere gänzliche Empathielosigkeit, entmensche den erwählten Schuldigen, vergiss Deine eigene Feigheit, informiere dich nicht, glaube nur, was in dein Wunschbild passt, ignoriere alles Leid anderer. Dann kannst du mit einem Gefühl von selbstgerechter Wut Nazis an die Macht wählen und alle Not um dich herum ignorieren, die der "letzten Generation", die, derer, die vor Krieg und Hunger fliehen, die, deren Not deiner Not nicht gleicht.

Leider, leider ist Netanjahus Regierung in Israel auf einem erschreckend ähnlichen Irrweg.

Ich bin traurig und hilflos. Und wenn ich nach den USA schaue, wird mir gänzlich schlecht. Wir zerfleischen uns derweil über Sprachdetails und sexuelle Definitionen. Ich möchte, dass jeder genauso leben kann, wie er oder sie oder es für komfortabel hält und wünschte, wir alle LGBTQ+ und alle individuellen Varianten würden uns vereinen , um Faschisten daran zu hindern, an die Macht zu kommen.

Sonntag, 9. April 2023

Sonne und Beton - Ein Film

Walter Adolf Georg Gropius (* 18. Mai 1883 in Berlin; † 5. Juli 1969 in Boston, Massachusetts) war ein deutscher (seit 1944 US-amerikanischer) Architekt und Gründer des Bauhauses. Beginnend 1960 entwickelte er das Wohnbau-Projekt Gropiusstadt in Berlin-Neukölln. Die rund 18.500 Wohnungen der von Walter Gropius geplanten Trabantenstadt wurden zu 90 Prozent als Sozialbauwohnungen errichtet. Seit den 1980er Jahren gilt die Gropiusstadt als sozialer Brennpunkt. 

Levy Rico Arcos, der Hauptdarsteller.

Der Film: Vier Jungen, 15, 16 Jahre alt, leben in eben dieser Gropiusstadt, jetzt, 2023, nicht mehr als 15 Kilometer von mir in Berlin-Mitte, dem wahrscheinlich gentrifiziertesten Teil meiner Stadt, entfernt. Mit ihnen erlebe ich eine fremde Welt, die meiner bekannten benachbart ist und doch nur in Momentaufnahmen von ihr aus sichtbar.

Ein Film über eine mir nahezu gänzlich unbekannte Kultur. Na klar, ich schnappe täglich Gesprächsfetzen in der U- oder S-Bahn auf oder wenn ich gelegentlich in Neu-Kölln bin und meine älteste Freundin ist Lehrerin an einer Brennpunktschule in dem Bezirk und sie erzählt viel. Ich habe auch erlebt, wie sich ihr Wortschatz verändert hat in der täglichen Konfrontation mit ihren Schülern. Verrückterweise hatte ich die ersten 15 Minuten sogar Schwierigkeiten dem Dialog zu folgen, bis ich mich in dieses fremde Deutsch eingehört hatte, alle, biodeutsch oder ganz oder teilweise anderen Regionen entstammend sprachen ein anderes, exotisches Deutsch, gespickt mit "ficken", "Hurensohn", "schwul" und erstaunlich und erschreckend phantasievollen Zusammenstellungen von Verbalinjurien aller Art. Gewalttätige Sprache ist offensichtlich oder oder besser offenhörlich überlebenswichtig in solchen Zusammenhängen. 

Diese Kinder sind in Not, Gewalt in unterschiedlichsten Formen gehört zu ihrem Alltag. Sie erleben sie. Sie üben sie nach streng hierarchischen Regeln aus. Sie klammern sich an sie, wie an eine Boje im Sturm. Sie werden von ihr überwältigt und gebrauchen sie ohne sichtbare Skrupel. Kein Geld in einer Welt voller Verlockungen, keine Macht über den Gang des eigenen Lebens, keine nachlebbaren, glaubwürdigen Regeln nach denen sie sich richten könnten.

Die Spieler sind gecastete Laien, aber wahrlich bedacht und genau gecastet. Levy Rico Arcos spielt Lukas, Vincent Wiemer Julius, Rafael Luis Klein-Hessling Gino, Aaron Maldonado Morales Sanchez und alle drumherum. 

Ich habe große Teile des Films durch meine angstvoll gespreizten Finger gesehen, obwohl die eigentliche Brutalität nicht gezeigt wurde, nur Intention von Gewalt, nicht die Treffer. Die Geräuschemacher und Schnittmeister haben tolle Arbeit geleistet.

Hingehen, angucken, erschrecken, nachdenken.

Samstag, 29. Oktober 2022

Im Westen nichts Neues - Im Osten jeden Tag was Neues, Schreckliches.

Granaten, Gasschwaden und Tankflottillen – Zerstampfen, Zerfressen, Tod.
Ruhr, Grippe, Typhus – Würgen, Verbrennen, Tod.
Graben, Lazarett, Massengrab – mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Erich Maria Remarque veröffentlichte 1928 seinen Roman, "Im Westen nichts Neues", den er 1918 als zufällig überlebt habender Soldat der deutschen Armee begonnen hatte zu schreiben. 

Die Geschichte des Soldaten Paul Bäumer von seiner Soldatwerdung bis zu seinem frühen Soldatentod. Der Titel könnte auch "Der vermeidbare Tod des Soldaten Bäumer" sein.

Edward Berger hat den Roman neu verfilmt.

Im Osten was Neues lesen wir seit dem 24. Februar jeden Morgen in unseren Nachrichten. Städte, von denen ich vorher noch nie gehört hatte, sind nun täglicher Teil meiner Lektüre. 

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte  bis zum 23. Oktober 2022 mindestens 6.374 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter mindestens 402 Kinder.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1297855/umfrage/anzahl-der-zivilen-opfer-durch-ukraine-krieg/

Die Zahl der getöteten Soldaten auf beiden Seiten ist umstritten, aber hoch. Auf jeden Fall sind es viel zu viele Tote. 

"Was ist ein Soldat ohne Krieg?" 

"Ein Mann wird alleine geboren, er lebt allein und er stirbt allein." 

WAS FÜR EIN TRAURIGER DRECK!


Krieg als industriell organisierter Ablauf. Soldaten sterben, werden entkleidet, die Uniformen werden gewaschen, getrocknet, repariert und für neue Soldaten verwendet, die wiederum sterben werden. Das gibt dem Begriff "Secondhand" eine ungemütliche Bedeutung.

Wer wer ist, Freund oder Feind ist nurmehr an der Form der Helme erkenntlich.

Deutsche, die nach 1945 geboren wurden, haben Krieg am eigenen Leib nicht erlebt, wenn sie nicht an Auslandseinsätzen beteiligt waren. Aber meine Freundin ist im Februar 1945 geboren worden, und als dieser neue Krieg im Osten begann, so nah, nicht an exotischen Orten, wie sonst, hat sie intensiv körperlich darauf reagiert. Die Bomben, die das Baby gefühlt hatte, waren in ihr Körpergedächtnis eingebrannt. Ich bin, wie so oft in letzter Zeit, überfordert, Pandemie, Klimakatastrophe, Krieg, es ist zu viel, zu schlimm, zu überwältigend. 

Dreht unsere Welt durch? Wird Irrsinn unsere neue Normalität? Oder war es schon immer so und nun ist es uns privilegierten Europäern erstmals ganz nah an der Haut?

P.S. Albrecht Schuch ist eine Freude. So genau, so differenziert, so glaubwürdig. Daniel Brühl versucht sich an einem seltsamen Dialekt.

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Eine Berliner Flaniermeile

In London gibt es lebendige, pulsierende, unterhaltsame Fußgängerzonen, autofreie Bereiche in der Innenstadt, wie Convent Garden oder Neal Street. Sie sind entweder dicht an dicht gefüllt mit Läden oder eine gut geplante Mischung von Cafes, Läden, Museen, Theatern und vielen unterschiedlichen Strassenkünstlern. Menschen, Londoner und Auswärtige schlendern, essen, trinken, kaufen ein, geben viel zu viel Geld aus und amüsieren sich trotzdem. In Paris gibt es solche Gegenden, auch in Florenz und anderswo.

Berlin wollte sowas auch haben. Dazu wurde die Friedrichstrasse zwischen Französischer und Leipziger Strasse vom Senat, ganauer von der Bürgermeisterin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Bettina Jarrasch zur autofreien Zone erklärt. Die Berliner Verkehrssenatorin Frau Jarasch jubelte öffentlich über das beglückende Gefühl, dass diese Flaniermeile in den Flanierenden auslöste. Leider fuhren mittendurch sehr schnelle Fahrradfahrer und außenherum war wenig Unterhaltsames zu finden. Es schien, als wollte man das Gefühl haben, ohne die Arbeit leisten zu wollen. Die Idee wollte man übernehmen, aber nicht die nötige Infrastruktur dafür schaffen. 

Das Ergebnis? Ein menchenleerer, häßlicher Strassenabschnitt, der niemanden erfreut. Und schon gar nicht irgendjemanden anlockt.

Das Quartier 206 ist fast unbenutzt, das riesige ehemalige "Haus der Russischen Kultur" ebenfalls, das Lafayette läuft soso, dann gibt es noch einen kanadischer Fritten Shop, ein Einstein Cafe, ein paar mittelinteressante Läden und jede Menge deprimierende Ödnis, unbequeme Bänke und in ihrer Häßlichkeit kaum zu übertreffende Glasschaukästen vervollkommnen das Ensemble. What the fuck? Wer will hier sein? Und warum sollte er hier sein wollen? Oder sie?

Nach heftiger Kritik wurde jetzt umgedacht. Die Radfahrer werden nun in die Charlottenstrasse umgeleitet und die Markgrafenstrasse darf den gesamten Autoverkehr inclusive der vielen Touristenbusse abfangen. Juche!

 
 Die Flaniermeile am Sonntag, den 16. 10. 2022 um 14:08 Uhr bei 25°.

FLANIEREN: ohne ein bestimmtes Ziel langsam umherschlendern, um andere zu sehen und sich sehen zu lassen, sagt Wiki. Aber warum sollte ich hier herumlaufen? Keiner ist da, der mich sieht, nichts Interessantes ist da zum Ansehen. Und zwischendurch versuchen immer wieder, einige rasende Radler mich zu töten. Gut, die sind weg, wenn die Charlottenstrasse sie übernimmt, aber dadurch wird die Friedrichstrasse leider auch nicht interessanter.

Ich bin unbedingt für eine starke Verminderung des Automobilverkehrs. Bin dafür SUVs für Menschen, die nicht durch unzugängliches Gelände manövrieren müssen, ganz zu verbieten, den Nahverkehr intensiv zu fördern. Ich habe selbst kein Auto mehr und auch, wenn ich selbst nicht Fahrrad fahre, bin ich froh, dass es jetzt so viele andere tun. (Auch wenn einige Idioten sehr aggressiv und unachtsam fahren.) Aber autofreie Strassen müssen eine neue, andere interessante Aufgabe übernehmen, oder? Vielleicht muss das Konzept STADT und VERKEHR neu gedacht werden? Den Nahverkehr weiter ausbauen, die Bahn hin und wieder pünktlich sein lassen, Autofahren für alle, die nicht wirklich darauf angewiesen sind, wie z.B. Pendler, sehr, sehr teuer machen. Meine Freundin sagt, Kapitalismus und echter Klimaschutz schließen einander aus, der eine existiert durch ständiges Produzieren von immer mehr, das gekauft werden oder vernichtet werden muß. (ZARA muß 11 Kollektionen im Jahr anbieten.), der andere verlangt, braucht Einschränkung, Weniger. Wer wird gewinnen, ich befürchte ...

 
Die Flaniermeile am Dienstag, den 18. 10. 2022 um 16:11 Uhr bei 17°
 
NEUESTE ENTWICKLUNG!
 

Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Berlin:„Die Friedrichstraße bleibt dauerhaft autofrei. Gut so! Bettina Jarasch folgt dem überwiegenden Wunsch der Nutzer*innen. Sie führt eine sach- und bürger*innenorientierte Politik fort, statt den lauten Stimmen zu folgen, die die Autostadt konservieren wollen. Vier von fünf Befragten sprechen sich für die dauerhafte Sperrung der Friedrichstraße für den motorisierten Verkehr aus. Die Umgestaltung bietet insbesondere Fußgänger*innen mehr Raum und Sicherheit. Der angekündigte Gestaltungswettbewerb des gesamten Areals bis zum Gendarmenmarkt wird die Grundlage für einen fairen Interessenausgleich schaffen. Im Rahmen dessen wird auch der Radverkehr von neuen und größeren Lösungen profitieren."

 Die Flaniermeile am Dienstag, den 25. 10. 22 um 15:54 Uhr bei 17°

ODER:

Bordsteine sollen weichen

Mit einem Gestaltungswettbewerb wolle man unter anderem mehr Grün oder Sitzgelegenheiten ermöglichen, so Jarasch. Auch die Bordsteine könnten entfernt werden, sodass der gesamte Bereich ebenerdig sei. Der Radverkehr werde in die Charlottenstraße verlegt.

Die solle aber auch prinzipiell für Autos befahrbar bleiben, um dort die Parkhäuser erreichen zu können. Nach den Vorstellungen der Verkehrssenatorin sollte der gesamte Stadtraum auch im Umfeld der Friedrichstraße mitgedacht und mit einer italienischen Piazza vergleichbar werden. Durch das geänderte Einkaufsverhalten kämen die Menschen nur noch dann zum Shoppen in die Stadt, wenn sie sich dort auch wohlfühlen.

... Die Einzelhändler in der Friedrichstraße hatten Jarasch zufolge schon vor dem Beginn des Feldversuchs wirtschaftliche Probleme. Deshalb müsse man zusätzliche Kunden anziehen."

  Die Flaniermeile am Samstag, den 22.10. 22 um 10:57 bei 17°

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/fuer-die-neue-fahrradstrasse-in-mitte-wird-eine-verbindung-fuer-autos-zerstueckelt-charlottenstrasse-almut-neumann-friedrichstrasse-li.277969 

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/05/berlin-mitte-friedrichstrasse-piazza-jarasch-verkehr-fussgaenger-radfahrer.html

Sonntag, 13. März 2022

DER HORATIER - HEINER MÜLLER - 1968


Heiner Müller
DER HORATIER (1968)

Zwischen der Stadt Rom und der Stadt Alba

War ein Streit um Herrschaft. 

Gegen die Streitenden

Standen in Waffen die Etrusker, mächtig.

Ihren Streit auszumachen vor dem erwarteten Angriff

Stellten sich gegeneinander in Schlachtordnung

Die gemeinsam Bedrohten. Die Heerführer

Traten jeder vor sein Heer und sagten

Einer dem andern: Weil die Schlacht schwächt

Sieger und Besiegte, laßt uns das Los werfen

Damit ein Mann kämpfe für unsere Stadt

Gegen einen Mann, kämpfend für eure Stadt

Aufsparend die andern für den gemeinsamen Feind

Und die Heere schlugen die Schwerter gegen die Schilde 

Zum Zeichen der Zustimmung und die Lose wurden geworfen. 

Die Lose bestimmten zu kämpfen

Für Rom einen Horatier, für Alba einen Kuriatier.

Der Kuriatier war verlobt der Schwester des Horatiers

Und der Horatier und der Kuriatier

Wurden gefragt jeder von seinem Heer:

Er ist/Du bist verlobt deiner/seiner Schwester. 

Soll das Los Geworfen werden noch einmal?

Und der Horatier und der Kuriatier sagten: Nein

Und sie kämpften zwischen den Schlachtreihen

Und der Horatier verwundete den Kuriatier

Und der Kuriatier sagte mit schwindender Stimme:

Schone den Besiegten. Ich bin

Deiner Schwester verlobt.

Und der Horatier schrie:

Meine Braut heißt Rom

Und der Horatier stieß dem Kuriatier

Sein Schwert in den Hals, daß das Blut auf die Erde fiel.

Als nach Rom heimkehrte der Horatier

Auf den Schilden der unverwundeten Mannschaft

Über die Schulter geworfen das Schlachtkleid

Des Kuriatiers, den er getötet hatte

Am Gürtel das Beuteschwert, in Händen das blutige eigne 

Kam ihm entgegen am östlichen Stadttor

Mit schnellem Schritt seine Schwester und hinter ihr

Sein alter Vater, langsam

Und der Sieger sprang von den Schilden, im Jubel des Volks 

Entgegenzunehmen die Umarmung der Schwester.

Aber die Schwester erkannte das blutige Schlachtkleid

Werk ihrer Hände, und schrie und löste ihr Haar auf.

Und der Horatier schalt die trauernde Schwester:

Was schreist du und lösest dein Haar auf.

Rom hat gesiegt. Vor dir steht der Sieger.

Und die Schwester küßte das blutige Schlachtkleid und schrie: Rom.

Gib mir wieder, was in diesem Kleid war.

Und der Horatier, im Arm noch den Schwertschwung

Mit dem er getötet hatte den Kuriatier

Um den seine Schwester weinte jetzt

Stieß das Schwert, auf dem das Blut des Beweinten

Noch nicht getrocknet war

In die Brust der Weinenden

Daß das Blut auf die Erde fiel. Er sagte:

Geh zu ihm, den du mehr liebst als Rom.

Das jeder Römerin

Die den Feind betrauert.

Und er zeigte das zweimal blutige Schwert allen Römern

Und der Jubel verstummte. Nur aus den hinteren Reihen

Der zuschauenden Menge hörte man noch

Heil rufen. Dort war noch nicht bemerkt worden

Das Schreckliche. 

Als im Schweigen des Volks der Vater 

Angekommen war bei seinen Kindern

Hatte er nur noch ein Kind. Er sagte:

Du hast deine Schwester getötet.

Und der Horatier verbarg das zweimal blutige Schwert nicht

Und der Vater des Horatiers

Sah das zweimal blutige Schwert an und sagte:

Du hast gesiegt. Rom Herrscht über Alba.

Er beweinte die Tochter, verdeckten Gesichts

Breitete auf ihre Wunde das Schlachtkleid

Werk ihrer Hände, blutig vom gleichen Schwert

Und umarmte den Sieger.

Zu den Horatiern jetzt

Traten die Liktoren, trennten mit Rutenbündel und Beil

Die Umarmung, nahmen das Beuteschwert

Vom Gürtel dem Sieger und dem Mörder aus der Hand das zweifach Blutige eigne.

Und von den Römern einer rief:

Er hat gesiegt. Rom Herrscht über Alba.

Und von den Römern ein andrer entgegnete:

Er hat seine Schwester getötet.

Und die Römer riefen gegeneinander:

Ehrt den Sieger.

Richtet den Mörder.

Und Römer nahmen das Schwert gegen Römer im Streit

Ob als Sieger geehrt werden sollte

Oder gerichtet werden als Mörder der Horatier.

Die Liktoren

Trennten die Streitenden mit Rutenbündel und Beil

Und beriefen das Volk in die Versammlung

Und das Volk bestimmte aus seiner Mitte zwei

Recht zu sprechen über den Horatier

Und gab dem einen in die Hand

Den Lorbeer für den Sieger

Und dem andern das Richtbeil, dem Mörder bestimmt

Und der Horatier stand

Zwischen Lorbeer und Beil.

Aber sein Vater stellte sich zu ihm

Der erste im Verlust, und sagte:

Schändliches Schauspiel, das der Albaner selbst

Nicht ansäh ohne Scham.

Gegen die Stadt stehn die Etrusker

Und Rom zerbricht sein bestes Schwert.

Um eine sorgt ihr.

Sorgt um Rom.

Und von den Römern einer entgegnete ihm

Rom hat viele Schwerter.

Kein Römer

Ist weniger als Rom oder Rom ist nicht.

Und von den Römern ein anderer sagte

Und zeigte mit Fingern die Richtung des Feinds: 

Zweifach mächtig

Ist der Etrusker, wenn entzweit ist Rom

Durch verschiedne Meinung

In unzeitigem Gericht.

Und der erste begründete so seine Meinung:

Ungesprochenes Gespräch

Beschwert den Schwertarm.

Verhehlter Zwiespalt

Macht die Schlachtreihe schütter.

Und die Liktoren trennten zum zweiten Mal

Die Umarmung der Horatier, und die Römer bewaffneten sich

Jeder mit seinem Schwert.

Der den Lorbeer hielt und der das Beil hielt

Jeder mit seinem Schwert, so daß die Linke jetzt

Den Lorbeer oder das Beil hielt und das Schwert

Die Rechte. Die Liktoren selbst

Legten aus der Hand einen Blick lang

Die Insignien ihres Amts und steckten

In den Gürtel jeder sein Schwert und nahmen

In die Hand wieder Rutenbündel und Beil

Und der Horatier bückte sich

Nach seinem Schwert, dem blutigen, das im Staub lag. 

Aber die Liktoren Verwehrten es ihm mit Rutenbündel und Beil.

Und der Vater des Horatiers nahm sein Schwert auch und ging 

Aufzuheben mit der Linken das blutige

Des Siegers, der ein Mörder war

Und die Liktoren verwehrten es ihm auch

Und die Wachen wurden verstärkt an den vier Toren

Und das Gericht wurde fortgesetzt

In Erwartung des Feinds.

Und der Lorbeerträger sagte:

Sein Verdienst löscht seine Schuld

Und der Beilträger sagte:

Seine Schuld löscht sein Verdienst

Und der Lorbeerträger fragte:

Soll der Sieger gerichtet werden? 

Und der Beilträger fragte:

Soll der Mörder geehrt werden?

Und der Lorbeerträger sagte:

Wenn der Mörder gerichtet wird

Wird der Sieger gerichtet

Und der Beilträger sagte:

Wenn der Sieger geehrt wird

Wird der Mörder geehrt.

Und das Volk blickte auf den unteilbaren einen

Täter der verschiedenen Taten und schwieg.

Und der Lorbeerträger und der Beilträger fragten:

Wenn das eine nicht getan werden kann

Ohne das andere, das es ungetan macht

Weil der Sieger/Mörder und der Mörder/Sieger sind ein Mann, unteilbar 

Sollen wir also von beidem keines tun

So daß da ein Sieg/Mord ist, aber kein Sieger/Mörder

Sondern der Sieger/Mörder heißt Niemand?

Und das Volk antwortete mit einer Stimme

(Aber der Vater des Horatiers schwieg): 

Da ist der Sieger. Sein Name: Horatius. 

Da ist der Mörder. Sein Name: Horatius. 

Viele Männer sind in einem Mann.

Einer hat gesiegt für Rom im Schwertkampf.

Ein andrer hat seine Schwester getötet

Ohne Notwendigkeit. Jedem das Seine.

Dem Sieger den Lorbeer. Dem Mörder das Beil. 

Und der Horatier wurde gekrönt mit dem Lorbeer 

Und der Lorbeerträger hielt sein Schwert hoch 

Mit gestrecktem Arm und ehrte den Sieger

Und die Liktoren legten aus der Hand

Rutenbündel und Beil und hoben das Schwert auf

Das zweimal blutige mit verschiedenem Blut

Das im Staub lag und reichten es dem Sieger

Und der Horatier mit gekrönter Schläfe

Hielt sein Schwert hoch so daß für alle sichtbar war

Das zweimal blutige mit verschiedenem Blut

Und der Beilträger legte das Beil aus der Hand, und die Römer alle 

Hielten jeder sein Schwert hoch drei Herzschläge lang

Mit gestrecktem Arm und ehrten den Sieger.

Und die Liktoren steckten ihre Schwerter

In den Gürtel wieder, nahmen das Schwert

Des Siegers aus der Hand dem Mörder und warfen es

In den vorigen Staub, und der Beilträger riß

Dem Mörder von der Schläfe den Lorbeer

Mit dem der Sieger gekrönt worden war und gab ihn

Wieder in die Hand dem Lorbeerträger und warf dem Horatier 

Über den Kopf das Tuch in der Farbe der Nacht

In die zu gehen er verurteilt war

Weil er einen Menschen getötet hatte

Ohne Notwendigkeit, und die Römer alle

Steckten jeder sein Schwert in die Scheide

So daß die Schneiden alle bedeckt waren

Damit nicht teilhatten die Waffen

Mit denen der Sieger geehrt worden war

An der Richtung des Mörders. Aber die Wachen

An den vier Toren in Erwartung des Feinds

Bedeckten ihre Schwerter nicht

Und die Schneiden der Beile blieben unbedeckt

Und das Schwert des Siegers, das im Staub lag, blutig.

Und der Vater des Horatiers sagte:

Dieser ist mein letztes. Tötet mich für ihn.

Und das Volk antwortete mit einer Stimme:

Kein Mann ist ein andrer Mann

Und der Horatier wurde gerichtet mit dem Beil

Daß das Blut auf die Erde fiel

Und der Lorbeerträger, in der Hand

Wieder den Lorbeer des Siegers, zerrauft jetzt

Weil von der Schläfe gerissen dem Mörder

Fragte das Volk:

Was soll geschehn mit dem Leichnam des Siegers?

Und das Volk antwortete mit einer Stimme:

Der Leichnam des Siegers soll aufgebahrt werden

Auf den Schilden der Mannschaft, heil durch sein Schwert.

Und sie fügten zusammen ungefähr

Das natürlich nicht mehr Vereinbare

Den Kopf des Mörders und den Leib des Mörders 

Getrennt voneinander mit dem Richtbeil

Blutig aus eigenem beide, zum Leichnam des Siegers

Auf den Schilden der Mannschaft, heil durch sein Schwert 

Nicht achtend sein Blut, das über die Schilde floß

Nicht achtend sein Blut auf den Händen, und drückten ihm 

Auf die Schläfe den zerrauften Lorbeer

Und steckten in die Hand mit den gekrümmten Fingern 

Vom letzten Krampf sein staubig blutiges Schwert ihm 

Und kreuzten über ihm die nackten Schwerter

Andeutend, daß nichts versehren solle den Leichnam 

Des Horatiers, der gesiegt hatte für Rom

Nicht Regen noch Zeit, nicht Schnee noch Vergessen 

Und betrauerten ihn mit verdecktem Gesicht.

Aber die Wachen an den vier Toren

In Erwartung des Feinds

Verdeckten ihre Gesichter nicht.

Und der Beilträger, in Händen wieder das Richtbeil

Auf dem das Blut des Siegers noch nicht getrocknet war 

Fragte das Volk:

Was soll geschehn mit dem Leichnam des Mörders? 

Und das Volk antwortete mit einer Stimme

(Aber der letzte Horatier schwieg) :

Der Leichnam des Mörders

Soll vor die Hunde geworfen werden 

Damit sie ihn zerreißen

Also daß nichts bleibt von ihm

Der einen Menschen getötet hat 

Ohne Notwendigkeit.

Und der letzte Horatier, im Gesicht

Zweifach die Tränenspur, sagte:

Der Sieger ist tot, der nicht zu vergessende

Solange Rom über Alba herrschen wird.

Vergeßt den Mörder, wie ich ihn vergessen habe

Der erste im Verlust.

Und von den Römern einer antwortete ihm:

Länger als Rom über Alba herrschen wird

Wird nicht zu vergessen sein Rom und das Beispiel

Das es gegeben hat oder nicht gegeben

Abwägend mit der Waage des Händlers gegen einander

Oder reinlich scheidend Schuld und Verdienst

Des unteilbaren Täters verschiedener Taten

Fürchtend die unreine Wahrheit oder nicht fürchtend

Und das halbe Beispiel ist kein Beispiel

Was nicht getan wird ganz bis zum wirklichen Ende

Kehrt ins Nichts am Zügel der Zeit im Krebsgang.

Und der Lorbeer wurde dem Sieger abgenommen

Und von den Römern einer verneigte sich

Vor dem Leichnam und sagte:

Gestatte, daß wir aus der Hand brechen, Sieger

Dir nicht mehr Empfindendem

Das Schwert, das gebraucht wird.

Und von den Römern ein andrer spie auf den Leichnam und sagte: 

Mörder, gib das Schwert heraus.

Und das Schwert wurde ihm aus der Hand gebrochen

Nämlich seine Hand mit der Totenstarre

Hatte sich geschlossen um den Schwertknauf

So daß die Finger gebrochen werden mußten 

Dem Horatier, damit er das Schwert herausgab 

Mit dem er getötet hatte für Rom und einmal 

Nicht für Rom, das blutige einmal zu viel

Damit gebraucht werden konnte von andern besser 

Was gut gebraucht hatte er und einmal nicht gut.

Und der Leichnam des Mörders, entzweit vom Richtbeil

Wurde vor die Hunde geworfen, damit sie

Ganz ihn zerrissen, so daß nichts bleibe von ihm

Der einen Menschen getötet hatte 

Ohne Notwendigkeit, oder so viel wie nichts.

Und von den Römern einer fragte die andern: 

Wie soll der Horatier genannt werden der Nachwelt? 

Und das Volk antwortete mit einer Stimme: 

Er soll genannt werden der Sieger über Alba

Er soll genannt werden der Mörder seiner Schwester

Mit einem Atem sein Verdienst und seine Schuld.

Und wer seine Schuld nennt und nennt sein Verdienst nicht 

Der soll mit den Hunden wohnen als ein Hund

Und wer sein Verdienst nennt und nennt seine Schuld nicht 

Der soll auch mit den Hunden wohnen.

Wer aber seine Schuld nennt zu einer Zeit

Und nennt sein Verdienst zu anderer Zeit

Redend aus einem Mund zu verschiedner Zeit anders 

Oder für verschiedne Ohren anders

Dem soll die Zunge ausgerissen werden.

Nämlich die Worte müssen rein bleiben. Denn

Ein Schwert kann zerbrochen werden und ein Mann

Kann auch zerbrochen werden, aber die Worte

Fallen in das Getriebe der Welt uneinholbar

Kenntlich machend die Dinge oder unkenntlich.

Tödlich dem Menschen ist das Unkenntliche.

So stellten sie auf, nicht fürchtend die unreine Wahrheit

In Erwartung des Feinds ein vorläufiges Beispiel

Reinlicher Scheidung, nicht verbergend den Rest

Der nicht aufging im unaufhaltbaren Wandel

Und gingen jeder an seine Arbeit wieder, im Griff

Neben Pflug, Hammer, Ahle, Schreibgriffel das Schwert.





Sonntag, 5. Dezember 2021

DIE COVID-IMPFUNG UND SELBST EINIGERMASSEN KLUGE LEUTE DREHEN DURCH.

Ich bin heute auf Facebook als KZ-Wärterin bezeichnet worden, weil ich mich fieser Propaganda verweigert habe, man hat mir prophezeit, ich würde in einer, nicht näher bezeichneten Zukunft, meine Hände nicht in Unschuld waschen können und würde mich für meine Worte schämen, mein Vater würde sich im Grab umdrehen und mein Großvater wäre empört, ob dessen, was ich poste. Dies alles geschah in Folge zweier Postings in denen ich erstens eine emotionale, aggressive und gänzlich introvertierte Reaktion auf die Äußerungen einer bestürzend ungenauen, esoterischen Nicht-Impferin konstatiert und, zweitens, meinen Impfstatus auf "geboostert" aufgestockt habe.

Ich habe in jungen Jahren meine kleine Schwester einmal geschupst, ansonsten ist mein physisches Gewaltkonto ernüchternd leer, gemein bin ich manchmal, aber, so denke ich, nur im Rahmen des Üblichen.

Was ist mit uns los? Nette Leute, bei denen ich vermute, dass sie unter normalen Umständen, freundlich und umgänglich wären, äußern plötzlich Vorwürfe der aggressivsten Art und fühlen sich dabei völlig im Recht.

"Wir befinden uns in einer Situation, die der in 1933 oder wahlweise 1989 gleicht. Die Diktatur ist im Kommen oder, was das gleiche ist, diese Diktatur muß verhindert werden, mit allen Mitteln."

Ist das so? Nein. Keiner wird heute für nichteinverständliche Meinungen bezüglich der Impfung ins Gefängnis geworfen, verhört, gefoltert und verurteilt. Millionen Juden wurden ermordet, aus keinem anderen Grund, als dem, dass sie Juden waren. Kein Impfgegegner befindet sich in solcher Gefahr. Keiner.

Was ist mit uns los? Haben wir jedes Maß verloren? Anne Franks Schicksal gleicht dem eines Lockdowns? Sophie Scholl darf unerwidert von Jana aus Kassel vereinnahmt werden? 

Ich bin ein, zugegeben, uneinsichtiger Anhänger der Wissenchaft, Big Pharma existiert, aber es hat auch vielen von uns das Leben gerettet. Blinddärme, Bluthochdruck, Diabetes ... Mensch, die Hälfte der Leute, die ich lieb habe und ich selber, wäre tot ohne "Big Pharma".


Dienstag, 12. Oktober 2021

Verwickelte Zustände

2021 Deutschland. Die Wahl in Berlin ist so chaotisch und regelwidrig abgelaufen, dass, wäre dies ebenso in Weissrussland abgelaufen, weltweit alle anständigen Demokraten mit gutem Recht nach Wahlwiederholung geschrien hätten.

2021 Deutschland. Wir streiten miteinander über die rechte Art zu gendern, Diskrimination zu verhindern, Minoritäten zu ihren Rechten zu verhelfen. Wir schreien einander nieder, beschuldigen einander, setzen zunehmend engere Grenzen. Wer hat die moralische Oberhoheit? Und was macht er dann damit? Interessiert uns die Meinung der "schweigenden Mehrheit" überhaupt noch? Und wenn nicht, warum nicht? Weil wir schlauer sind? Weil die blöd, reaktionär und unbelehrbar sind?

2021 Deutschland. Insgesamt hat die AfD an Zustimmung verloren. Aber in zwei östlichen Bundesländern hat sie mehr als 30 Prozent der Stimmen gewonnen. In Thüringen und in Sachsen. Warum? In Dresden wird jedes Jahr eine Minute in Erinnerung an die Bombardierung geschwiegen, in Erinnerung an die Bombardierung Dresdens, nicht der von Coventry oder Londons. Menschen, die jahrzehntelang in einer wirklichen Diktatur gelebt haben, mit allem was dazu gehört, Geheimdienst, Verhaftungen, Folter, Wahlfälschung und realer Lügenpresse schreien wutenbrannt über Impfdiktatur und Fake-News. Haben wir nichts gelernt? Über unsere Feigheit, über unsere Geschichtsvergessenheit, über unseren Unwillen endlich uns selber auch in die Verantwortung zu nehmen?

2021 Deutschland. Ein Covid-Test kostet jetzt 19,90 €, nur Menschen, die nach medizinischer Indikation nicht geimpft werden dürfen, Kinder und Hartz IV Empfänger sind ausgenommen, soweit ich weiß. Was heißt das? Ich will nicht geimpft werden, aber will ins Kino, in eine Gaststätte oder vergleichbares und zahle jetzt fast 20 € Eintritt, den Genesene und Geimpfte nicht bezahlen müssen. Als Impfgegner, Impfzweifler fühle ich mich sowieso schon als Teil einer mißachteten Minderheit (Die Impfquote soll deutschlandweit bei ca. 75 Prozent liegen. Jepee!) Und jetzt wird auch noch mein Portemonnaie angegriffen. Ich bin ein Opfer!

2021 Deutschland. Mein Kollege Jan Josef Liefers verbringt eine Schicht auf einer Intensivstation, zwei Schwangere sterben in dieser Zeit an Covid, ihre Babies werden gerettet. Er ist erschüttert, aber zum impfen mag er nicht auffordern.

Aber auch: ich gehe als Geimpfte in ein Restaurant, auf dem Weg zum Tisch mit Maske, am Tisch, Maske runter, zum Klo, Maske rauf, macht das wirklich Sinn? 

2021 Deutschland. Habt ihr auch manchmal Angst, dass sich ein Freund oder Bekannter überraschend als Querdenker outen wird? Was dann? Vernünftig diskutieren? Ignorieren und auf bessere Zeiten hoffen? Abhaken und trauern? Verzweifeln?

Paul Alexander, Jahrgang 1946, ist einer der letzten Menschen, der in einer eisernen Lunge lebt. 1952 erkrankte er im Alter von sechs Jahren an Polio / Kinderlähmung. Die Krankheit zerstörte seine Muskeln einschließlich seines Zwerchfells, lähmt ihn vom Hals abwärts und lässt ihn nicht mehr atmen. https://www.immerda-intensivpflege.de/lebensmut-trotz-schwerer-krankheit/

2021 Deutschland. Und von der uns allen drohenden menschheitseiten tödlichen Klimakatastrophe mag ich gar nicht reden.

 



 

Sonntag, 22. November 2020

DAs C-WORT XXVIII - Dummbatzen, Egoisten und welche, die nicht zu Ende denken, auch wenn sie es gut meinen.

Anne Frank & Sophie Scholl - kein Vergleich scheint nunmehr zu hanebüchen, keiner zu schamlos. 

In Halle setzt ein Nazi den Lockdown mit dem, was Anne Frank durchleben und letztendlich durchsterben mußte, gleich. Auf einer anderen Demo vergleicht ein von den Eltern geschultes Kind, seine durch Corona eingeschränkte Geburtstagsfeier mit Anne Franks Schicksal. Auf noch einer anderen Demo erklärt sich eine junge Frau zur Leidensgenossin von Sophie Scholl, da auch sie unter großer Gefahr für die Freiheit kämpfe. Ein entnervter Ordner benennt die Unverschämtheit ihres Vergleiches und sie verläßt, vermutlich gekränkt weinend, die Rednertribüne. 

"Wir sind das Volk", das stimmt und stimmt keineswegs. Da reissen sich, tief in ihrer kleinbürgerlichen Ehre gekränkt, verängstigte, feige Mitbürger die aufregenden, ambivalenten Ereignisse von 1989 unter den Nagel und machen sie zu Dreck.

Seit der Noch-Präsident der USA den bisher für uns, die gesegnete "Erste" Welt, geltenden demokratischen Gesellschaftsvertrag aufgekündigt hat, breitet sich eine Infektion, die nicht von biologischen Viren verbreitet wird, pandemisch aus.  

Mein Lieblings-Rabbiner, Jeschajahu Leibowitz, hat einmal gesagt, dass das einzig Gute an der Demokratie sei, dass man nach Ablauf der Wahlperiode jemand anderen wählen kann. 

"I won the vote." Und wenn er es nur oft genug wiederholt, wird es zur Wahrheit, zu dem was 70 000 000 - in Worten 70 Millionen - amerikanische Bürger als wahr ansehen könnten. Ubu Roi wird übertroffen.

"Wir sind das Volk." Sind sie es? Wer bin ich? 

Anti-Rassisten verweigern die Solidarität mit Bekämpfern des Antisemitismus, Juden lieben Trump, weil er Friedensverträge mit arabischen Staaten ermöglicht hat (Hat er?), LGBTQ gegen Cis-Weisse, Genderbewegte gegen Sprach-Traditionalisten, jeder gegen jeden, zu einem Zeitpunkt wo nichts wichtiger wäre als Solidarität.

Ich bin ratlos und trage meine Maske und halte Abstand und kotze in meine Ellenbogenbeuge.

Sonntag, 30. August 2020

DAS C-WORT XXV - DER BUND DER 188

An einem Tag im August des letzten Jahres kamen die Staatschefs der Länder dieser Welt zu mitternächtlicher Stunde mitten im Atlantischen Ozean auf einem Tanker unter liberischer Flagge zusammen, um gemeinsam einen infernalischen Plan auszuhecken. Im Schutz der Dunkelheit trafen sie ein, per Helikopter und Schnellboot, zwei aus ärmeren Staaten mußten den langen Weg rudern. Xi Jinping und Trump, Putin und Macron, Trudeau und Merkel, Orban, Dudas, die Liste ist lang. In dieser Nacht würden sie ihre nicht unerheblichen politischen und wirtschaftlichen Konflikte und Unvereinbarkeiten beiseite lassen und gemeinsam planen und handeln. 
Die Geburt dieser denkwürdigen Nachtwache war ein launiger Frühsommer-Twitter-Austausch zwischen Trump und Putin während des hitzigen US-Wahlkampfes 2016. Ein Kompliment für den gestählten Oberkörper des einen beim Ausflug zu Pferd, ein cleverer Tipp des anderen betreffs der Pflege blondierter Haare. Der eine wünschte sich Hillary los zu werden, der andere bot Gift an, 😂, dass ständig gegen irgendwas protestiert würde, sei doch nervend, man könne ja nicht alle einsperren, in den Rücken schießen oder anderweitig aus dem Weg schaffen, 😡, sowas verdürbe einem noch glatt den Spaß am Macht haben, 🤮. Man scherzte über gemeinsame wilde Nächte, es ging hin und her, ein Wort gab das andere. Eine Frage begann sich zu kristallisieren: Wie könnte man sich die ersehnte Ruhe schaffen, endgültig, ein für alle Mal?
Tausende top-secret Mails später, Q-Anon gestartet, US-Wahl gewonnen, russische Präsidentschaft bis 2099 gesichert - nun sitzen sie alle um einen gigantischen Tisch, die Premierminister, Bundeskanzler, Könige und ihresgleichen, religiöse Dissonanzen, Öl- und Erdgas-Interessen, Grenzreibereien, jahrhundertalte Konflikte beiseite gelegt, zu Gunsten einer gewagten, gewaltigen Idee. 

COVID 19.

Eine Fiktion, eine Chimäre, ein Nichts, das alles ändern würde - Lockdowns all überall auf dem Globus, fingierte Statistiken, gefälschte Sterbeziffern, gekaufte Journaille, bestochene Wissenschaftler - es lief wie geschmiert, was es ja auch war und ist. 188 Staatenlenker hatten den größten Betrug der Menschheisgeschichte durchinszeniert und erfolgreich zur Aufführung gebracht.

So war es. So muß es gewesen sein.


Sonntag, 9. August 2020

DAS C-WORT XXIII - Was steckt hinter dem Allen?

An allem sind die Juden schuld!
Die Juden sind an allem schuld!
Wieso, warum sind sie dran schuld?
Kind, das verstehst du nicht, sie sind dran schuld.
Und Sie mich auch! Sie sind dran schuld!
Die Juden sind, sie sind und sind dran schuld!
Und glaubst du’s nicht, sind sie dran schuld,
an allem, allem sind die Juden schuld!
Ach so!
Friedrich Hollaender

Die Schwelle an der bei mir akute Wut gegen Antisemitismus einsetzt ist ziemlich hoch, aber wenn mir noch jemand, im Zusammenhang mit Corona und den düsteren Mächten, die uns entweder infizieren oder nur vorgaukeln, es gäbe eine Pandemie, irgendwelche youtube Links schickt, die auf satanische Morde, das Trinken von Babyblut oder Fressorgien an Kinderfleisch hinweisen, dann werde ich ungemütlich.
Die dreckige politische Lüge des Mittelalters, dass Juden das Blut christlicher Kinder zum Matze-Backen für den Sabbath benötigen, die immer wieder eingesetzt wurde, um Pogrome anzufeuern, wenn die Schulden bei jüdischen Geldverleihern zu hoch wurden oder eine innenpolitische Ablenkung nötig war, wird wieder einmal hochgekocht. Nein, es wird nicht ausdrücklich von Juden gesprochen, nur von Eliten, den Bankern, den Korporations. Aber impliziert ist es.
Weil im mittelalterlichen Europa Christen kein Geld verleihen durften und Juden nicht in die handwerklichen Zünfte aufgenommen wurden, blieben Lumpensammler, Scherenschleifer und Geldverleiher die fast einzigen für Juden zugänglichen Berufe. Und wenn sie dann erfolgreich waren, nahm man es ihnen übel.
Was mit Überschriften wie "Verhindert Kindesmißbrauch" beginnt, endet mit "Merkel muß weg" oder "Keine Masken". Es werden Zusammenhänge konstruiert, die böse und hintertückisch sind und der hoch zu achtenden Bemühung um Verhinderung des täglich real stattfindenden Kindesmißbrauchs schaden.

An allem sind die Juden schuld.
Und die Radfahrer.
Wieso die Radfahrer?
Wieso die Juden?



https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/verschwoerungstheorien/pwiejudenundverschwoerungstheorien100.html

Sonntag, 10. Mai 2020

Das C-Wort XVIII - Demonstrationen

Wir demonstrieren - ein merkwürdiger Vorgang. Mehr oder weniger Menschen treffen sich und laufen langsam, stockend eine lange Weile auf vorgeplantem Weg, um ihre Zustimmung, Ablehnung, Empörung, Überzeugung durch eben dieses Bewegen zum Ausdruck zu bringen.

Eine Demonstration (von lateinisch demonstrare, zeigen, hinweisen, nachweisen) im politischen Sinne ist eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung mehrerer Personen zum Zwecke der Meinungsäußerung.

Meine ersten Demonstrations-Erfahrungen in den Tiefen der DDR waren geprägt vom jährlichen Aufmarsch der Berliner Bühnen zum 1. Mai, da bin ich als Baby im Kinderwagen mitgefahren worden, als ungeduldiges Kind, als unwillige Jugendliche und schließlich als pflichtbewußtes Mitglied des Deutschen Theaters. Mit Politik, so verdrängte ich lange, hätte das wenig zu tun, es schien mir mehr wie ein jährliches Rendezvous mit den Leuten von den anderen Berliner Theatern, ein Mini-Ferienlager.
Treffpunkt irgendwo ums Rathaus rum, dann Latschen unter Beschallung. "Du brauchst keine Brille, um Deinen Weg zu finden" sang, wahrscheinlich, der Oktoberclub und ich, schwer kurzsichtig, hatte meine Zweifel. Zum offiziellen Höhepunkt an der Tribüne auf dem Marx-Engels-Platz vorbei, vorbei an hölzern winkenden, greisen Politikern, mysteriösen, chinesischen Delegierten und "unser" Hans-Peter Minetti, Mitglied des ZK der SED, der ekstatisch grinsend mit beiden Händen wild wackelte, während der Wind seine dreifach über den Kopf gelegte Haarsträhne in ein halbmeterlanges Fähnchen verwehte. Erst danach begann das Eigentliche, Eisbein und Erbspüree im BE. Kollegen treffen, quatschen, ein heiterer, geselliger Tag, vorstellungsfrei. 
Und es gab auch die Luxemburg/Liebknecht Demo am 15. Januar, dem Gedenktag ihrer Ermordung, ein, im Rückblick, surrealer Vorgang, um die zu ehren, die beim Anblick der Realitäten der DDR, in Tränen der Wut ausgebrochen wären. 

Uralter DDR Witz. Karl Marx wird durch DNA-Cloning wieder zum Leben erweckt. Er bekommt eine Stunde Redezeit im DDR-Fernsehen, die wird aber durch Sondermeldungen des ZK der SED immer weiter verkürzt. Am Ende bleiben ihm fünf Minuten. Er schweigt lange, sehr lange und sagt dann: " Proletarier aller Länder, Entschuldigung."

1989. Im Oktober sah ich, wie friedlich Demonstrierende von der Volkspolizei brutal zusammengetrieben wurden und im November, wie ein Volk die Strasse mit Würde für sich zurückeroberte. Aber "Wir sind das Volk" verschob sich schnell zu "Wir sind ein Volk" und eine gänzlich neue, andere Zeit begann.

Zwischendurch bin ich nur einmal marschiert, was für ein grässliches Wort, für den Bau des neuen Gebäudes der Schauspielschule "Ernst Busch".

Ein neues Kapitel, so dachte ich, begann mit der "Glänzenden Demonstration" gegen die AfD-Kundgebung in Berlin, Tausende in goldener Kostümierung, meist strahlend leuchtenden Feuerschutzplanen, liefen bei der im Mai 2019 durch Berlin, später dann noch einmal. Friedliche, heitere, herrlich bunte Spaziergänge gegen Rechts.

Und jetzt. Jetzt. 
Hygienedemos. Querfront, Unruhe, nervöse Aggression und unterschwellige Propaganda. Manche halten das Grundgesetz in der Hand, andere tragen die silberne Querdenkerbommel um den Hals, manche meditieren für den Frieden, manche schwafeln von jüdischen, imperialistischen, reptiloiden Verschwörungen. Der frishgegründete "Widerstand 2020" will viel und weiß nur nicht genau was. Alt-Nazis, AfDler, Antifa-Anhänger, Öko-Hippies, Psychotiker, Q-Anon-Gläubige, Impfhasser, durchschnittliche Dumpfbacken, wohlstandsverwahrloste Yuppies und verängstigte Menschen aller Schichten, deren Sorge und Verunsicherung, sie verzweifelt nach Erklärungen und Schuldigen suchen läßt. 
Einer vergleicht die Eindämmungsversuche der Regierung mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933. Eine Frau, die Impfungen ablehnt, trägt den gelben Judenstern des Dritten Reiches, mit der Inschrift "Nicht geimpft". Schwitzige und nervende Stoffmasken werden zu Körperverstümmelungen hochstilisiert, das Verbot von Parties zu unmenschlicher Isolation. Und wir durften wochenlang nicht einkaufen gehen!

Ist es Bill Gates, der uns durch subkutane Chipeinpflanzung gleichschalten will? Ist es die Mafia? Ist es MacDonald? Oder die Nazis, die unterirdisch am Südpol oder auf den Mond weiterb agieren?Wird die Zwangsimpfung kommen, wenn es einst ein Impfserum geben wird? Wird das Bargeld abgeschafft werden, um uns alle in den Würgegriff der Banken zu zwingen? Wer will die Welt regieren?

Nur zum Atemholen: die da über die brutalen Eingriffe in ihre Freiheit schimpfen, tuen es, während sie nicht verhaftet, erschossen oder sonstwie verletzt werden. Es wurden keine Parteien verboten, keine Wahlen abgesagt, keine Zeitungen verboten.

Was ist mit uns los? Wir haben Glück, nicht so viele Tote wie New York oder Bergamo oder wer weiß wo. Wir haben Glück im Unglück. Ein wohlhabendes Land mit medizinischer Versorgung für jeden, auch wenn es Privatversicherte unverdient besser haben. Wir hatten einen bequemen Lockdown, mit Spaziergängen und der Möglichkeit jederzeit Lebensmittel u.ä. einzukaufen. Hier wird niemand verhungern. Das ist anderswo anders. In Indien, im Iran, in New York.
 
Vielleicht geht es einfach vorbei, vielleicht kommt die gefürchtete Zweite Welle. Wer weiß es.
Und das ist der Punkt. Ich weiß es nicht. Und scheinbar weiß es niemand mit Sicherheit. Also wasche ich brav meine Hände und stülpe eine blöde Maske über mein Gesicht. 
Und abschließend ohne direkten Zusammenhang, zum Muttertag, ein Photo, das ich liebe:


Freitag, 14. Februar 2020

Im Rausch

Der Nibelungen Wut - Furor Teutonicus

Etwas Neues. Bisher eine Menge Strichfassungen, einige Adaptionen, ein Stück nach Bibeltexten und nun unser erstes ganz und gar eigenes. 
Was für ein Abenteuer.
Ohne Grit wäre das alles gar nicht möglich.
Und - die Edda, das Nibelungenlied, ein Meter Sekundärliteratur, alle Filme, die ich je gesehen, Bücher, die ich gelesen, Musik, die ich gehört habe, der gesamte Wildwuchs im Hirn, Gespräche, Nachrichten, Zufälligkeiten - alles fließt ein, fliegt raus, wird integriert.
Ich danke meinem Vater, der mir während gemeinsamer Frühstücke und Abendessen mit Duden und Meyers Lexikon, die Liebe zur deutschen Sprache eingefüttert hat. Meiner Mutter weil sie mich alles durcheinander lesen ließ, und meine faule Neigung zum Kitsch gebändigt hat. Meinen Freunden, weil sie mich herausgeforden, weiter zu denken, als ich es allein könnte oder vielleicht wollte. 

Was für ein wahnwitziges Abenteuer.
Langsam beginnen die Figuren ihre persönliche Sprache zu sprechen, widersprüchliche Meinungen zu haben, ihre eigenen Witze zu machen.

Die Nibelungen - Kriemhild, Brunhild und Hagen sitzen, verbannt in die untere Hölle, bei Hel, der Jenseitsgöttin und giften sich seit hunderten von Jahren an. Treue, Verrat, Rache, Mord, Hort, Blut, Gut, Gold - ein endloser mißtönender Gesang - eine deutsche Horrorstory - ein Mord hinterrücks wird zur Dolchstoßlegende und ein blutiges Massenschlachten zum Symbol der Nibelungentreue. Im Zentrum, wenn auch nicht anwesend, der Held - SIEGFRIED. 
Das soll ein Held sein?
Aber auch das Jenseits braucht Digitalisierung der Archivbestände, eine junge Frau wird angeheuert. Sie sieht Möglichkeiten der Vermarktung und mit dem Hort als Anschubfinanzierung wäre Einiges möglich. Wird Hagen ihr die Lage des Verstecks verraten?


Politische Bewegungen verschiedenster Art haben sich diese Geschichte unter den Nagel gerissen, für ihre Zwecke gebraucht, mißbraucht. Die Blut & Boden Rethorik der Neuen Rechten und die unserer "gemäßigten" Faschisten mit ihrer Beschwörung der tausendjährigen europäischen Kulturgeschichte bedienen sich hier, wie bei der heißen Schlacht am kalten Buffet.
Mein momentaner Browserverlauf ist ein Mix aus deutscher Geschichte, Mittelalter, Mythologie und jeder Menge rechter Propagandaseiten.