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Sonntag, 19. August 2018

Familie Brasch - Eine deutsche Geschichte

In den Jahren nach 1945 sind die Braschs eine perfekte Funktionärsfamilie, die in der sowjetisch besetzten Zone den deutschen Traum vom Sozialismus lebt: Horst Brasch, ein leidenschaftlicher Antifaschist und jüdischer Katholik, baut die DDR mit auf, obwohl seine Frau Gerda darin nie heimisch wird. Sohn Thomas wird zum Literaturstar, er träumt wie sein Vater von einer gerechteren Welt, steht aber wie seine jüngeren Brüder Peter und Klaus dem real existierenden Sozialismus kritisch gegenüber. 1968 bricht in der DDR wie überall der Generationenkonflikt auf. Vater Brasch liefert den rebellierenden Sohn Thomas an die Behörden aus - und leitet damit auch das Ende der eigenen Karriere ein.

itworks Werbetext

Germania 3 Gespenster am toten Mann

3
NÄCHTLICHE HEERSCHAU
Nacht Berliner Mauer Thälmann und Ulbricht auf Posten.
Thälmann
Das Mausoleum des deutschen Sozialismus. Hier liegt er
begraben. Die Kränze sind aus Stacheldraht, der Salut wird
auf die Hinterbliebenen abgefeuert. Mit Hunden gegen die
eigene Bevölkerung. Das ist die rote Jagd. So haben wir uns
das vorgestellt in Buchenwald und Spanien.
Ulbricht
Weißt du was Bessres.
Thälmann
Nein.
Ulbricht
Wenn du das Ohr an den Boden legst. kannst du sie schnar-
chen hören, unsre Menschen, Fickzellen mit Fernheizung
von Rostock bis Johanngeorgenstadt, den Bildschirm vorm
Schädel, den Kleinwagen vor der Tür. Schüsse. Leuchtspur.
Wieder einer. Hoffentlich ist es nicht mein Abschnitt.


Heiner Müller 

Eine DDR-Tragödie über die Kinder der Gründer, der die überlebt hatten, in Gefängnissen, Konzentrationslagern, in der Emigration in in Russland oder einem westlichen Land, Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Juden, verfolgt, gequält, heimatlos und die nun dieses neue andere Land aufbauen wollten. 
Ernüchternd einen Film über Tote zu sehen, von denen man einige kannte und lieb hatte.
Ich kannte vor langer Zeit junge, verletzte Männer, liebenswürdig, klug, belesen, begabt, im ungewinnbaren Kampf mit ihren Dämonen. 
Ein Vater, Horst, jüdisch, dann katholisch, was ihm nicht geholfen hat, als die Nazis an die Macht kamen, Jude war er, Jude blieb er und mußte fort, nach England. Dort wird er brennend kommunistisch. Gründet die britische FDJ, Heimatersatz und stalinblinde, antifaschistische Schulung. In der Gruppe trifft trifft er seine spätere Frau, Österreicherin, sie heiraten, sie wird schwanger. 
Der Krieg ist zu Ende und Horst will sofort nach Berlin, den Wiederaufbau mitgestalten, sie folgt ihm mit dem Baby Thomas, widerwillig, erst ein Jahr später. Nach Wien und London war das Nachkriegs-Ost-Berlin die Quelle ihrer von Bekannten beschriebenen Traurigkeit und Distanziertheit. Zwei weitere Söhne werden geboren und eine Tochter. Beide Eltern arbeiten am Aufbau des Sozialismus, die Kinder kommen in Wochenkrippen, Internate, der Älteste in die Kadettenschule der NVA in Lübbenau.
http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Kadettenanstalt_Naumburg
Einsame Kinder. 

 
Die Aufsässigkeit bei allen drei Jungen beginnt früh und ist immer auch eine Gefährdung der Position des Vaters, die Tochter beschließt, aus dem Erleben der heftigen Auseinandersetzungen in der Familie, "lieb" zu sein, störungsfrei. Die Söhne widersetzen sich ungehobelt, verzweifelt.
Auch wenn das Hauptgewicht des Filmes auf Horst und Thomas liegt, haben mich die Nebengeschichten von Klaus und Peter mehr verstört.
Der Vater versucht sich zu töten, weil er es nicht erträgt, nicht im Einklang mit den Staatsorganen zu sein. Das muß man sich vorstellen, die Mutter liegt im Sterben, die Tochter ist 13, die Söhne leiden, und er erträgt den Liebesentzug der Genossen nicht. Welch tieftrauriges Debakel.
Als Thomas den Vater 1968 von seinen "staatsfeindlichen" Flugblattaktionen gegen die sowjetische Okupation der ĆSSR informiert, ruft dieser die Staatssicherheitsorgane von einer Telefonzelle aus an, nicht vom Apparat in seinem Arbeitszimmer. Der ultimate Verrat. Jahre später, als Thomas, schon im Westen lebend, den Vater nocheinmal besucht, um endlich Antworten zu bekommen, hört er nur: "Darüber werde ich nicht sprechen." 

Drei gute Söhne sterben lang vor ihrer Zeit, in ihrer Zerrissenheit zwischen ersehnter Vaterliebe und des Vaters utopischen Traums von einer besseren Gesellschaft, und, auf der anderen Seite, der harschen Realität des zunehmend verkommenden, brutalisierten Sozialismus, trinken sie sich den Schmerz weg. Saufen, schreiben, spielen, machen Filme, werden trocken, saufen wieder. Zerstören sich. Ihre Konfrontationen mit der Staatsgewalt bleiben die von priviligierten Kindern, aber die Dekonstruktion des Vatertraumes reicht tief.

Es ist so sehr schade um sie. Um Klaus, den freundlichen spielwütigen Clown, der mir meine erste Filmrolle ertragbar machte, um Peter, den lustigen Bruder im Schatten eines Bruders, der selbst im heftigsten Suff mir gegenüber nie aggressiv wurde und um Thomas, den ich nicht kannte und den, so sagt der Film, alle liebten, die ihn trafen. 

Was fehlte, waren mehr kluge Kommentatoren. Bettina Wegener, Katharina Thalbach und Christoph Hein, waren ok. Die anderen aber blieben hängen in der Belanglosigkeit der privaten Beschaulichkeit. Zwei schlaue Leute mehr wären gut gewesen, um den Film aus der privaten Ebene der Familienaufstellung, in die Sphäre der Beschreibung eines grundsätzlichen gesellschaftlichen Verlustes zu heben.

Denn was wir alle verloren haben, auch durch die Schuld unserer Väter, ist unsere Hoffnung auf eine bessere Welt. Auch wenn wir es uns noch so gemütlich machen in unseren hippen, resignierten Apokalypsevoraussagen, wenn wir Kinder haben, oder, wie ich, Lieblingsnichten, wünschen wir uns für sie eine bessere Welt, eine gerechtere.
 

Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.


Thomas Brasch

Samstag, 21. Juli 2018

Ich liebe Filme! - Call me by your name - Nenn mich mit Deinem Namen und ich nenn Dich mit meinem

Sentimentalitätswarnung!
 
Ein Wochenende überfüllt mit sieben Filmen, vollgefressen und glücklich. Sechs mal Trash, darunter der sehr unterhaltsame Deadpool
und einer fürs Herz und die Seele, mein Gehirn war auch froh.

Call Me By Your Name - Nenne Mich Mit Deinem Namen
Die deutsche Variante sagt: Ruf mich bei Deinem Namen, warum rufen? Warum bei? 

Regisseur: Luca Guadagnino
Drehbuch: James Ivory & André Aciman nach dem Roman von André Aciman

Hauptdarsteller:  Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg

Armand, Armie Hammer ist gut, auch wenn ich einige Zeit gebraucht habe, um über seine so sehr amerikanische Perfektion hinwegzukommen. Der Film entspannt ihn und damit mich.

Wäre ich heute jung gewesen, hätte ich einen völlig anderen Film gesehen, denn er erzählt von der ersten Liebe, von der, die niemals, niemals aufhören wird, der, die einen wehrlos und unbesiegbar macht, scheuer als je und wagemutiger.  
Timothée Chalamet spielt einen Siebzehnjährigen, der in die Liebe fällt, "to fall in love" scheint mir eine genauere Beschreibung dieses ungeheuren Vorgangs zu sein, als unser nüchternes "sich zu verlieben". Er wurde für den Oscar nominiert und hätte ihn gewinnen sollen. Was dieser zarte Hänfling spielt, mit Augen, Gesicht, Körper und Intelligenz ist erstaunlich und überraschend und, es folgt das gefürchtete Wort, authentisch.
Es gibt eine Masturbationsszene mit einem Pfirsich, ja, mit Sommerobst, und wo andere zwei oder drei Überlegungen eingebracht hätten, bietet er eine schmerzvoll nachvollziehbare Folge von Gedanken und Gefühlen an, von verwirrt, zu verärgert, über peinlich berührt und sich über sich selbst amüsierend bis zu erregt und der Erregung erliegend. Fast den ganzen Film habe ich trockenen Auges überstanden, aber im Abspann, wenn Chalamet ins Feuer starrt und begreift, dass es nur diese eine, einzige erste Liebe geben wird, da habe ich geweint.
Wahr und endgültig und doch nicht tragisch, man ist nur einmal jung und nur einmal zum ersten Mal verliebt.

Vater zum Sohn mit Herzbruch:
 
Ich war vielleicht nah dran, aber ich hatte nie was iht hattet. Irgendwas hat mich immer zurückgehalten oder stand im Weg. Wie Du Dein Leben lebst, ist Deine Angelegenheit. Aber denke dran, unsere Herzen und unsere Körper werden uns nur einmal gegeben. Die meisten von uns tun so, als hätten sie zwei Leben zu leben, das eine der Testlauf, das andere die Endversion, und dann sind da diese Versionen dazwischen. Aber es gibt nur das eine, und bevor Du Dichs versiehst, ist Dein Herz verschlissen, und was Deinen Körper betrifft, kommt ein Punkt, wenn niemand ihn mehr ansieht, geschweige denn ihm nah kommen möchte. Gerade jetzt ist da Trauer. Ich beneide Dich nicht um den Schmerz. Aber ich beneide Dich um den Schmerz.

I may have come close, but I never had what you had. Something always held me back or stood in the way. How you live your life is your business. But remember, our hearts and our bodies are given to us only once. Most of us can't help but live as though we've got two lives to live, one is the mockup, the other the finished version, and then there are all those versions in between. But there's only one, and before you know it, your heart is worn out, and, as for your body, there comes a point when no one looks at it, much less wants to come near it. Right now there's sorrow. I don't envy the pain. But I envy you the pain.
André Aciman, Call Me by Your Name 


 Sony Pictures Classics/Warner Bros. Pictures

Wenn aber einmal einer seine wahre eigene Hälfte antrifft, …, dann werden sie wunderbar entzückt zu freundschaftlicher Einigung und Liebe und wollen sozusagen auch nicht die kleinste Zeit voneinander lassen; und ihr ganzes Leben lang miteinander verbunden bleiben 
Plato, Symposion, 192 c-e

Dienstag, 10. Juli 2018

Ocean's 8

Gerade telefonierte vor mir laufend ein Mann intensiv mit seiner Colaflasche. Was wird sie ihm antworten?

Ocean's 8, die Weiberversion von Ocean's 11, funktioniert leider gar nicht. 
Die interne Dynamik der simpel und schematisch aufgebauten Gruppe von Spezialisten ist auf nichts gegründet als verbaler Behauptung, der Coup gerade mittelspannend und es gibt keinen interessanten gefährlichen Gegner. Es plätschert. Schade. Ganz abgesehen davon, dass Sandra Bullock's Gesicht eine Überdosis Botox intus hat und Cate Blanchett leider eine nur um Weniges kleinere Dosis. Starre Mimik in der nur noch die Augen leben. Hier und da macht sich ein Klümpchen der Füllmasse selbsständig und bildet kleine Wellen oder Hügel. Brauen werden hochgezogen ohne irgendeine Reaktion auf der Stirn hervorzurufen. Oder, wie bei der von mir sehr verehrten Cate Blanchett, muß ein überlanger Pony das glattgespritzte Gesichtsteil abdecken.
Wenn man bei Ocean's 11 den täuschend glaubwürdigen Eindruck haben konnte, ein Gruppe Trinkkumpanen hätten sich getroffen, um Spaß zu haben und nebenbei einen guten Film zu drehen, herrschte hier Anstrengung, Make-up und Gestaltungszwang. Der Jugend-, Schöhnheitwahn für Darstellerinnen ist offensichtlich so erdrückend , dass diese tollen Frauen lieber ihre Mimik verlieren, als ein paar Falten zu riskieren. Clooney und Pitt dürfen ergrauen und verknittern, ihre spielerisch durchaus ebenbürtigen weiblichen Gegenparts nicht. 
Hat mich zutiefst erschreckt. 
Sehr gute Spielerinnen, die ihr intimstes Handwerkszeug, ihre Gesichtsmuskeln, Vermittler jeder Regung, vergiften, aus Angst vor dem professionellen Schrotthaufen.
Die Nebenrollen, weniger Druck ausgesetzt, sind großartig.
Ocean's 11 war die filmische Hommage an die Coolness. Cool ist, wenn Gary Cooper in "Zwölf Uhr mittags" durch die Stadt voller Feiglinge schreitet, wenn James Bond, im Angesicht der Gefahr, seinen Martini immer noch geschüttelt und ncht gerührt verlangt.

Was macht Coolness aus?
Wenn jemand etwas unerwartet Nettes tut, ist das 'cool'.
Wenn ich mit etwas einverstanden bin, I am cool with it.
Loosing your 'cool', heißt, dass Du die Beherrschung verlierst. Also: "stay cool. boy!", wie sie in West Side Story singen oder play it 'cool!'. 'Cool' it!

Boy, boy, crazy boy
Get cool, boy!
Got a rocket, in your pocket
Keep coolly cool, boy!
Don’t get hot


https://www.youtube.com/watch?v=wugWGhItaQA 
Immer noch eine der geilsten, coolsten Tanzszenen aller Zeiten. Hoch lebe Jerome Robbins, der Mentor von Bob Fosse.

Unangestrengter Charme wirkt cool.
Was macht Coolness aus?
Castorf macht gerade Skandal, weil er, im sicheren Wissen, um seine Funktion als alter Sack und genialer Narr, fiese Äußerungen über Frauenfußball und Theater, dass von Frauen inszeniert wird, rausgehauen hat. Kränkt mich das? Nein. Warum? Weil er Recht hat. Über Fußball kann ich mich, mangels Kenntnis und Interesse nicht äußern, aber über Frauen im Theater schon. Wir sind selten cool. Schreit ein Kerl, ist er wild, intensiv, ergebnisorientiert. Schreien wir, sind wir hysterisch. Coolness bedarf eines Gefühls der Sicherheit und das wird uns selten gewährt. 
2018 und immer noch habe ich das Gefühl, von mir wird mehr Empathie und mehr Nachgiebigkeit erwartet. Meine Intensität ist nicht sexy. Warum nicht? Also mildere ich sie ab. Weil ich gemocht werden will. Mein Schwachpunkt. Oder meine Stärke?

Freitag, 6. Juli 2018

Das Letzte Mahl - Oy vey ist mir!

Im Rahmen des Jüdischen Filmfstivals habe ich heute in der Kulturbrauerei einen deutschen Film gesehen. Einen Film mit besten Absichten, mit großer Ernsthaftigkeit recherchiert, geschrieben und inszeniert.


Der Regisseur Florian Frerichs und der Historiker Stephan Warnatsch wollen, anhand eines Abendessens der letztmals vollständig versammelten Berliner Familie Glickstein am Abend des 30. Januar 1930, ausdrücklich Parallelen zur heutigen politischen Situation in Deutschland ziehen. Das haben sie selbst vor Beginn so formuliert. Herr Warmatsch erwähnte auch, wir würden anschließend im Q & A darüber reden. Jetzt wo ich durch Google weiß, dass er mal Geschichtslehrer war, weiß ich auch, warum ich das Gefühl hatte, mir würde eine Prüfung angedroht. 

Der 30. Januar 1933, Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler und die Familie Glickstein zelebriert ein Abendmahl, der Vater, ein Fabrikant in finanziellen Nöten, versucht die drohende Gefahr herunterzuspielen, der Sohn verehrt Hitler und dessen Ideen glühend, die Tochter will nach Palästina auswandern, die Nichte ist Kommunistin, der Onkel Rabbiner, die Großeltern weise und die Mutter in Sorge um alle, ein Querschnitt. Niemand hat mehr als ein Problem, mehr als eine Farbe, niemand ist sowohl als auch, ambivalent oder gar widersprüchlich.

Und mir bleibt keine Chance irgendetwas mißzuverstehen, weil alles, aber auch alles ausformuliert wird. Jeder sagt was er denkt und warum, und was es politisch und historisch bedeutet. Zwei Leute stehen vor der Haustür und rauchen, ein dritter tritt hinzu und sie erklären ihm, dass sie vor der Tür stehen, um zu rauchen. Mußten damals auch schon alle raus zum Rauchen? Bei jeder Erwähnung von Palästina, sagt einer "Eretz Israel!", ein anderer "Das Land unsrer Väter!". Man erzählt sich jüdische Witze, aber leider ohne Timing . Immer wieder ertönt Mischpoche wie ein Fremdwort im Dialog, bei uns hieß das Mischpoke. Die Machtverhältnisse zwischen Hindenburg, Papen, Schleicher und Hitler werden mehr als einmal genauestens erklärt, wohl damit ich in der Prüfung später alle Fragen richtig beantworten kann. Ein weiterer Knackpunkt, für mich, die ich mit jüdischer Mutter und Großmutter aufgewachsen bin, ist das Essen, Zentrum eines jeden Familientreffens, hier wird es lieblos und ungenau behandelt und nicht wirklich gegessen. Was soll denn das? 

Es wird so unendlich viel geredet in diesem Film, aber wenn unter den Worten, zwischen ihnen nichts zu Verbergendes liegt, kein Geheimnis, kein Abgrund, dann verwandeln sie sich in Stroh und Staub. Und wenn manche Spieler nicht über mehr als zwei Gesichtsausdrücke verfügen, ist das auch nicht hilfreich. 

Ich sehe vor meinem inneren deutsch-jüdischen Auge Preisverleihungen aus nicht guten Gründen und Schüler, die von Langeweile gepeinigt 120 Minuten von besten Absichten über sich ergehen lassen müssen. Oy vey ist mir!

Mein liebster & kürzester jüdischer Witz stammt immer noch von Woody Allen: "Immer wenn ich Wagner höre, habe ich das Gefühl, ich muß in Polen einmarschieren."

Ein paar Tipps für gute Filme über jüdische Themen: 
Der große Diktator 1940
Hester Street 1975
A Stranger Among Us 1995
The Believer 2001 (mit dem ganz jungen Ryan Gosling)
Waltz with Bashir 2008

Übrigens ist Claude Lanzmann der Sammler von unerzählbaren Geschichten, der Zuhörer, der Ordner, der Rufer in der Wüste, der Regisseur von "Shoa" gestern im gesegneten Alter von 92 gestorben. Möge er in Frieden ruhen.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Luchino Visconti - Die Verdammten oder Die Götterdämmerung

https://www.tagesspiegel.de/kultur/retrospektive-der-grosse-melancholiker-luchino-visconti-in-einer-berliner-retrospektive-/8392106.html

Ich sehe grauenhaftes, morbides, dekadentes, doch erschütternd schönes Verlöschen, während unbemerkt, ohne eines Momentes des Interesses wert zu sein, Millionen Menschen unbetrauert verrecken.
Schauspieler in ihrer ersten atemraubenden Blüte. Buchholz, Griem, Berger.
Visconti, der Sohn einer adligen italienischen Familie mit hunderten Jahren von Reichtum, Macht und Geschichte auf dem Buckel, versuchte, den Untergang seiner Art zu verfilmen. Das schaut sich an wie ein tragisches biologisches Experiment. Entschlossen kalt und verzweifelt zugleich.
Alle Akteure sind dem Untergang verfallen und reißen dabei Völker mit in den Abgrund, und es spielt keine Rolle für sie.

 ©dpa
http://www.news.de/promis/855534670/helmut-berger-helmut-berger-der-skandal-schauspieler-feiert-seinen-70-geburtstag/1/ 

Nur Aschenbach/Griem, ein Mann ohne Bindungen, ist agil, lebendig, ohne Skrupel, lebensfähig.
"Auf die Knie!"
Edgar Allen Poes "Der Untergang des Hauses Usher" bietet sich an zur begleitenden 
Lektüre.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-untergang-des-hauses-usher-7205/2

Mittwoch, 21. März 2018

Über Leben in Demmin

http://www.demmin-film.de/ 

Warum sind wir wie wir sind? Unbelehrbar, immer wieder den gleichen Dreck wiederholend? Wir werden schuldig, nehmen dann aber die zu erwartende Strafe übel. Hassen den Strafenden. Reden unseren Anteil an der Schuld klein oder verleugnen ihn gänzlich. Der FEIND wird zum Monster. Das Monster in uns wird schön geredet.

http://www.sueddeutsche.de/politik/massenselbstmord-rasierklingen-revolver-zyankali-der-strick-1.2416333

Bitte zuerst den Artikel lesen! 

Demmin, eine übliche Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern in Nazi-Deutschland 1945. Der Krieg ist fast vorbei. Alle Brücken wurden gesprengt, die Stadt ist umgeben von drei Flüssen, Peene, Trebel und Tollense. Kurzzeitig eine Insel. Die Russen drängen voran. Schauermärchen vermischen sich im Kopf der Demminer Bürger mit den wahrlich schrecklichen Realitäten. Die Stadt brennt. Waren es die zurückgelassenen Zwangsarbeiter einer naheliegenden Fabrik oder waren es rachelüsterne Rotarmisten? Niemand weiß es. Ich stelle mir vor wie nichteinmal Zwanzigjährige, sich zu Fuß durch ihr verbranntes Land zurückkämpfende russische Soldaten endlich auf den FEIND treffen, da war wenig Mitgefühl zu erwarten. Die imaginierten Schrecklichkeiten in den Köpfen der deutschen Kleinbürger müssen grauenvoll gewesen sein.
Mütter banden sich mit Gürteln und Stricken ihre Kinder um den Leib und ertränkten sich. Manche zogen das Erhängen vor. Andere Gift und ungeschickte Versuche sich die Pulsader aufzuschlitzen.
Zu DDR-Zeiten wurde nicht darüber gesprochen.
Heute marschiert die NPD an jedem 8. Mai zum Gedenken an die deutschen Opfer mit einem Trauermarsch durch die Stadt.

Zwischen dem 30. April und dem 3. Mai nehmen sich mindestens 700 Menschen das Leben. Andere Schätzungen, exakte Zahlen gibt es wegen fehlender Totenscheine nicht, gehen von 1.000 Demminer Selbstmorden aus.

http://www.deutschlandfunk.de/koerbe-voller-zyankali-der-groesste-selbstmord-der.700.de.html?dram:article_id=316610 

"Nach dem Verlöschen von Führer und Reich fürchteten sie, in der Leere zu versinken. Das Nichts wurde fühlbar. Die Horrorgeschichten über die Rote Armee hatten eine Atmosphäre der Furcht verbreitet, dass nach ihrem Sieg die Alliierten das deutsche Volk auslöschen würden. Bestenfalls stand ein Leben in Unterdrückung bevor. Dazu kam der kollektive Sinnverlust jener, die die Werte des Nationalsozialismus zwölf Jahre lang verinnerlicht hatten. Die moralischen, gesellschaftlichen und quasireligiösen Normen, die die Volksgemeinschaft ausgemacht hatten, brachen zusammen."

Florian Huber: "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang der kleinen Leute 1945."

Über Leben in Demmin
Dokumentarfilm von Martin Farkas, Kamera Roman Schauerte, Zweite Kamera Martin Langner/ Martin Farkas, Ton Moritz Springer und Urs Krüger, Komposition Mathis Nitschke, Montage Jörg Hauschild/Catrin Vogt
eine Koproduktion mit dem rbb (Jens Stubenrauch), NDR (Barbara Denz), BR (Petra Felber und Fatima Abdollyan)
gefördert vom Medienboard Berlin Brandenburg, der BKM, Nordmedia, Filmbüro MV und dem Nipkow- Programm
Produktionskoordination Lisa Elstermann
Herstellungsleitung Heike Günther
Produktion Annekatrin Hendel
Buch und Regie Martin Farkas

IT WORKS! Medien GmbH   

Montag, 19. März 2018

The Shape of Water - ET hat Kiemen und Sex


Der Amphibienmensch, ein sowjetischer Spielfilm aus dem Jahre 1962, lief oft vormittags im Ostfernsehen. Alle zwei Wochen hatten wir Mittwochs erst um 12 Unterricht und entweder habe ich mir den herrlich wütenden Wehner im Bundestag reingezogen oder was immer eben an Filmen lief. Den Amphibienmenschen sicher fünf Mal. Ich hab den geliebt. 

Science Fiction überhaupt, Buch oder Film, nur keine Zukunftskriegsgeschichten.
Asimov, Herbert, Philipp K. Dick, Lem; die ersten drei Star Wars Filme, ET, Starman, Alien, Unheimliche Begegnungen der Dritten Art, Matrix Teil 1 und und und.

Heute Abend nun der oscarprämierte The Shape of Water - Das Flüstern des Wassers (Hä?!?) von Guillermo del Toro - er hat von allen diesen Filmen etwas und Zitate aus den Spionagethrillern aus der Zeit des Kalten Krieges und den Musicals der 30er und ein bisschen Amelie und die großen Augen des Reptiliden sind wie die von ET und ein kleines zartes Mädchen, anstatt des kleinen Jungen rettet ihn; und alles ist vorhersehbar, und entweder Zitat oder Allegorie, ein Fünfsterne General poetisiert sinnlos vor sich hin, die Spione haben lyrische Losungsworte, am Ende kommt zu allem Überfluß noch ein Liebesgedicht. Nichts davon kann verbergen, dass es sich um eine ganz gewöhnliche Kitsch-Romanze handelt, die zugegebenermaßen sehr gut photographiert wurde.
Ohne eine gewisse Unschuld funktioniert Science-Fiction für mich nicht. Del Toro hat alles richtig gemacht und ich soll ihn dafür bewundern. Will ich nicht. Mochte ich nicht.
 

Sonntag, 18. Februar 2018

DER SEIDENE FADEN - BDSM VOM FEINSTEN

Steven Shainberg hat den einzig mir bekannten Film gedreht, der explizit BDSM zum Thema hat. 'Secretary' ist der Titel des Originals, 'Secretary - Womit kann ich dienen?' die erklärende Anleitung für den hilfsbedürftigen deutschen Zuschauer. 
Ein ganz wunderbarer Film, ja, eine der heitersten und zärtlichesten Liebesgeschichten, die ich kenne. James Spader und Maggie Gyllenhaal spielen ihre Figuren hinreißend und schräg und tragikkomisch, was wohl die schwerste theatralische Form ist. Ich kichere und mein Herz ist voll. 
Eine Frau mit kraftvoller Sehnsucht nach Unterwerfung und emotional autistischer Mann treffen aufeinander, die Frau erkämpft sich ihre erwünschte Form der Beziehung gegen den panischen Widerstand des Mannes. 'Das Käthchen von Heilbronn' erzählt auch solch ein Muster. Unterwerfung aus Stärke verlangt vom erwählten Anderen den höchsten Einsatz, nämlich Sorgsamkeit, Nähe, Vertrauen und Verläßlichkeit. 'Mein hoher Herr!'

Heute abend 'Der Seidene Faden', eine ähnliche Geschichte, aber vorsichtiger und stilisierter. Daniel Day-Lewis und Vicky Krieps in einem Film von Paul Thomas Anderson, über einen manischen, egozentrischen Couturier in den Fünfziger Jahren des britischen Empires.

Der bekannte Schneider Reynolds Woodcock und seine Schwester Cyril betreiben gemeinsam The House of Woodcock und entwerfen Mode für die Mitglieder der High Society und der königlichen Familie. Zu ihren Kunden gehören Erben, Filmstars und andere Prominente. Die Frauen kommen und gehen durch das Leben von Reynolds, doch sie inspirieren den eingefleischten Junggesellen auch und halten seine Kreativität aufrecht. Eines Tages macht er die Bekanntschaft der jungen Alma, die bald zu seiner Muse und Geliebten wird. Sein sonst so kontrolliertes und durchgeplantes Leben gerät aus den Fugen. So beschreibt es Wiki.

Warum sich Herr Day-Lewis gerade diesen Film als seinen letzten erwählt hat, weiß ich nicht. Der Film ist ok, gelegentlich langatmig, manchmal etwas zu selbstgewiß, aber keineswegs öde. Eine Erleuchtung ist er nicht.
'My Left Foot', 'Mein Wundervoller Waschsalon', 'Gangs Of New York' - die Latte liegt hoch. Irgendwie bleibt der Eindruck, dass sensationell gute Schauspieler, an einem gefährlichen Punkt ihrer Karriere beginnen an das eigene Genie zu glauben, Ryan Gosling ist auch solch ein Fall, und dann spielen sie nicht mehr, das was ihr Bauch verlangt, sondern, dass was sie glauben, spielen zu müssen. Sie nehmen sich selbst zu ernst, verlieren ihre kindliche Spielfreude und gestalten, was das Zeug hält. Schade.



Kaimin - die Vagina Perücke - Photo: Albert Urso/Getty

Montag, 1. Januar 2018

Loving Vincent & Wonder Woman

Kontrastprogramm am Neujahrstag.



LOVING VINCENT

"Nun ja, die Wahrheit ist, dass wir nicht anders sprechen können, als mithilfe unserer Werke." V.v.G.

Die Polin Dorota Kobiela und Hugh Welchman haben einen besonderen Film gemacht. Erst haben britische Schauspieler Szenen gespielt, dann wurde das Gefilmte durch 30 Maler, die per Hand viele Tausende Frames im Stil van Goghs malten, sozusagen übermalt. Erinnertes in schwarz/weiß, die eigentliche Handlung in van Gogh - Farben.

Bildnis des Armand Roulin 1888
 
Armand, Sohn des Briefträgers Roulin, eines anderen von van Gogh Portraitierten, ist die Hauptfigur des Films. Er schlendert mit seiner gelben Jacke durch Bilder, die ihm unzugänglich sein sollten, auf der Suche nach der dem Geheimnis um den Tod seines Malers. War es Selbstmord oder Mord? Da wandert ein Mann mit gelber Jacke durch animierte Gemälde und irgendwie stört er. Er gehört da nicht hin. Auf dieser Strasse lief niemand, auf diesem Stuhl saß keiner.
Ein insgesamt 125-köpfiges Team hat 1.400 Animationen im Stil von van Gogh erstellt, die etwa 100 seiner bekannten Meisterwerke verarbeiten, und für 80 Minuten Spielzeit 57.600 einzelnen Bildern benötigten. (Wiki)
Technisch brillant und sicher sehr geeignet junge Menschen für van Gogh zu interessieren. Aber inhaltlich völliger Blödsinn. Denn könnten wir alle die Welt sehen wie Vincent es tat, wäre er nicht einsam, unglücklich und unverkauft gestorben. 
Mich hat der Film seekrank gemacht, da die starken Striche der Originalbilder sich in der filmischen Bewegung wie wellenartig bewegten.

WONDER WOMAN

Einer von hunderten Filmen des erweiterten DC-Universums. Batman, Superman, das Suicide Squad, Aqua Man, etc. und eben auch Wonder Woman. Gal Gadot ist schön und ernsthaft. Feminismus für Uninformierte. Frauen sind die guten Krieger und auch eine der Bösewichte. Immer schön, immer gut frisiert. Guten Sex kann Frau auch ohne Männer haben, aber ein richtig edler Held ist noch toller. Harmlos, niedlich.


Montag, 30. Oktober 2017

Jeanne Mammen & The Square

Wieder mal die Berlinische Galerie in der Alten Jakobstrasse, die ist immer einen Besuch wert. Jeanne Mammen geboren am 21. November 1890 in Berlin, gestorben am 22. April 1976 ebenda, sehr erfolgreich bis 1933, dann Rückzug, um zu Überleben arbeitet sie als Gebrauchsgrafikerin. Sie notiert "Ende meiner realistischen Periode". Und „Ich habe mich getarnt. Eine Frau als Gebrauchsgrafikerin: Die macht Blümchen.“  Später war sie lang fast vergessen, hat aber immer weiter experimentiert. Wieviele Leben, selbst von Überlebenden, tief eingerissen wurden durch diese verfluchten 12 Jahre.




1947, als ihre Kunst zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wieder in einer Einzelausstellung präsentiert wurde, zeichnete sie für den Almanach der Galerie Rosen statt einer Vita einfach eine krakelige Linie und schrieb darunter:
„Das ist mein Lebenslauf – er fing mal an und hörte noch nicht auf.“ 
https://www.berlinischegalerie.de/ausstellungen-berlin/aktuell/jeanne-mammen/jeanne-mammen-die-beobachterin/aeusserlicher-kurzbericht/

 
L’art pour L’art
Das Schwirren eines aufgeschreckten Sperlings
begeistert Korf zu einem Kunstgebilde,
das nur aus Blicken, Mienen und Geberden
besteht. Man kommt mit Apparaten,
es aufzunehmen; doch v. Korf ‚entsinnt sich
des Werks nicht mehr‘, entsinnt sich keines Werks mehr
anläßlich eines ‚aufgeregten Sperlings‘.

Christian Morgenstern 1932


Anmutig und herb.
Kurt Tucholsky über J.M.


The Square ein dänischer Film von Ruben Östlund mit Claes Bang (dänisch für Klaus Knall?) in der Hauptrolle. "hm ja durchwachsen, schlechte synchro, mal so mal so, mal platt, mal harter toback, mal gut, recht böser humor" schrieb ein Bekannter. Ich fand ein langer Film, toll photographiert, nicht langweilig, oft überraschend, manchmal überdeutlich und die Schlußsequenz macht klar, was bis dahin dunkel blieb. Ich bin froh, dass ich den Film gesehen habe und Claes Bang ist sehr cool.


Sonntag, 22. Oktober 2017

BLADE RUNNER - 2049

Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.

An diesem Film ist alles gut und alles richtig, er ist wunderbar langsam, brillant photographiert, gespickt mit klugen Zitaten seines Vorgängers.
An dem Film stimmt nichts, er nimmt sich selbst so ungeheuerlich ernst, dass er mir kaum Raum läßt, das für ihn zu tun.
Wo das Original feucht und stickig und schmuddelig war, zelebriert er eine edle und durchkomponierte Ästhetik des Drecks und der Nässe.
Wo Harrison Ford stoisch und doch zutiefst verstört durch seine Geschichte stolperte, von der er nicht wußte, dass sie eine Tragödie war, breitet Ryan Gosling seine emotionale Tiefe vor uns aus, wie ein edles Fünf-Sterne-Mahl aus Anlass der Apokalypse.
Wo der Soundtrack von Vangelis minimalistisch in den Magen schoß, setzen heute Zimmer & Wallfisch jede Menge Beats obendrauf, damit unser Herz gewiss im gewünschten Rhytmus pocht.
Rutger Hauer starb im Regen, vielleicht hat er geweint, aber es könnten auch nur Regentropfen gewesen sein, jetzt weint jeder Replikant, und sogar die digitalisierte Menschin, mindestens zweimal, um ihre Menschlichkeit zu beweisen.
Es gibt keine Menschen mehr, nur Massen von Kahlköpfigen.
Darryl Hannah war häßlichschön, wild und witzig, die schiefgegangenen Replikantenmodelle in Tyrells Haus kleine traurige Kunstwerke, Edward James Olmos konnte Tiere aus Papier falten. Im "alten" Film von 1982 wollten alle Figuren unbedingt leben, hier träumen sie alle vom Tod.
Joe Turkel als Dr. Eldon Tyrell war ein herzerweichend einsamer Mensch. Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.



Für meine ungenaue Unzufriedenheit gibt es viele Gründe. Sicher verliert man seine filmische Unschuld nur einmal, aber es ist nicht nur das. Denn den Untergang der Welt zu fürchten, ist etwas anderes als sich in dieser Angst zu baden. 
1982, ein es war einmal vor der weltweiten Aidsepedemie, vor der Vernetzung aller mit allem, vor der Entwicklung der Motion-Capture-Technik, vor so vielem anderen. 
2017 eine Zeit der allgemeinen Verunsicherung, Verängstigung. Und möglicherweise aber auch eine Zeit der morbiden Lust an der Katastrophe.

Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.

Freitag, 20. Oktober 2017

Kingsman - The Golden Circle

Matthew Vaughn. Sein klassischer Gangsterfilm Layer Cake mit dem sehr jungen, und schon großartigen Daniel Craig ist einer meiner liebsten. Mit Guy Ritchie hat er einige seiner Filmen produziert, leider auch Swept Away. Und eine ziemlich gute X-Men Folge hat er gedreht.
Seinem erfolgreichsten Produkt Kingsman - Secret Service folgt jetzt die gänzlich unvermeidliche Fortsetzung. 

Was kann ich sagen? Vollkommen inhaltsfrei und äußerst unterhaltsam. James Bond trifft Indiana Jones auf Kokain und mir unbekannten Drogen unter freundlichster Verwendung jeden Zitates aus Western und Film noir, dessen er habhaft werden konnte. Und erschreckend zuverlässig dreht Vaughn die Schraube noch mindestens einmal weiter, als von mir erwartet oder faßbar. 

Toll besetzt mit Colin Firth, Mark Strong, Hale Berry, Jeff Bridges, Julianne Moore, Channing Tatum, Michael Gambon, Emily Watson, die alle sichtbar ein extrem gute Zeit hatten, ihre eigenen Spieler-Klischees auf die Schippe zu nehmen. Hale Berry mimt die graue Maus, Emily Watson emotioniert, Jeff Bridges ist cooler als cool, etc..

Und sie alle leichthändig und übergewichtig überflügelnd: Elton John, der auch den einzigen deutlichen blitzenden Blick in die Kamera wirft, während er mit einem mühelosen meterhohen Ninja-Sprung einen Gegner außer Gefecht setzt. 


Wo führt das hin? Wann sind alle irrwitzigen Kampfchoreographien ausgereizt? Wann überholt sich die Ironisierung des eigenen Genres selbst über links? Wann ist nicht mehr zu toppen, was schon ausgetoppt ist? Manchmal denke ich, mit Skyfall war das gesamte Thema auserzählt. Aber nix da, die atemlose Jagd geht weiter.
Im Theater spielt sich, zumindestens in Deutschland, gerade der gleiche Wettlauf ab - Was kann ich tun, das noch kein anderer vor mir getan hat? Alle inhaltlichen Fragen ducken sich unter diese eine, sehr existentielle.
Wie es in Labiches Sparschwein heißt:
Es ist ein Kampf! Der Liebenswertere wird geliebt! Der Gewinnendere wird gewinnen!  
Ich habe heute Abend nichts gelernt, nur gegrinst, und eine Idee für eine künftige Inszenierung auf einer altmodischen Theaterbühne gesehen.

Mittwoch, 11. Oktober 2017

BLADERUNNER

Unter vielem anderem, der schönste, aufwühlendste Filmtod aller meiner Zeiten.

Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkel, nahe dem Thannhäuser-Tor. All diese Momente werden verloren sein... in der Zeit, so wie... Tränen im Regen. Zeit zu sterben.

Was für ein herrlicher, herzzerreißender, aufwühlender Film! 
Ich habe alle Schnittversionen gesehen, die mit dem kruden Happy-End, die mittlere gemäßigte und die wirklich gute, ich habe alle geliebt. 
Eine Zukunft, die ich fürchte und begreife, Leute, Menschen und Androiden, die ich verstehe. Bilder, die mich geprägt haben. Nicht nur mich, sondern nahezu alle Sci-Fi Filmer nach ihm, nach Ridley Scott. 

Wir wußten nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt. Aber egal, wer tut das schon.

Wenige Worte, schwärzliche, gräuliche Bilder, die in mein Langzeitgedächtnis einegespeichert sind. Dauerregen, Schirme mit beleuchteten Stielen, großflächige digitale Werbung allüberall, tausende Händler für jedes erdenkliche Bedürfnis, alles ist möglich, nichts ist freundlich, ein Mann stirbt im Regen. Weint er, oder sind es doch nur Wassertropfen? Eine Taube kommentiert flatternd seinen Tod. Das Gesicht von Harrison Ford, außerordentlich gewöhnlich, und sich dadurch jeder Interpretation hingebend. Ein wahrer Jedermann durchlebt eine große Tragödie. Und Daryl Hannah, Sean Young, Edward James Olmos, William Sanderson. 
Ein Einhorn, geträumt und als Origami. Traum und/oder Wahrheit. Hoffnung oder keine?

 
Rutger Hauer, ein durchschnittlicher holländischer Spieler, überschreitet, überspringt seine Möglichkeiten, gelangt durch glücklichste Umstände in die Liga der Erinnerbaren, derer, die wir von nun an für immer kennen werden.
Eine beachtliche Erfahrung, wenn man in Furcht leben muss... so ist es wenn man ein Sklave ist! 


Das Licht, das doppelt so hell brennt, brennt eben nur halb so lang. 

Samstag, 7. Oktober 2017

ES

I would there were no age between sixteen and
three-and-twenty, or that youth would sleep out the
rest; for there is nothing in the between but
getting wenches with child, wronging the ancientry,
stealing, fighting...


Ich wollte, es gäbe kein Alter zwischen sechzehn und 
dreiundzwanzig und die jungen Leute verschliefen 
den Rest; denn dazwischen ist nichts, als 
Mädchen Kinder machen, die Alten ärgern, 
stehlen und kämpfen...
 
Ein Wintermärchen, W. Shakespeare


ES

Ich hatte den Roman nie gelesen und kannte auch die Fernsehverfilmung von 1990 mit dem von mir verehrten Tim Curry (aka Dr. Frank N Furter) nicht.

Ich mag Horrorfilme eigentlich nicht und bin doch ihr einfachstes Opfer. Ich zucke. Ich quieke. Ich greife panisch nach dem nächsten erreichbaren Arm, ob der nun zu einer mir bekannten Person gehört oder nicht. Meine Mutter war genauso, was beim Weißen Hai zu zwei fetten Stirnbeulen führte, nachdem unsere sich schreckhaft einander zuwendenden Köpfe ungeplant zusammenprallten, während meine Schwester entspannt grinsend daneben saß.

Weil ein alter Bekannter gehen wollte, war ich am Tag der Einheit aber trotzdem im Kino.
ES.  
Gott sei Dank saß ich, links und rechts, sicher eingehüllt zwischen zwei Freunden, die allerdings viel Vergnügen an meiner idiotischen, kindlichen, sehr körperlichen Ängstlichkeit hatten.                                           
It, Es Oder Id? 
Mein Übersetzungsprogramm übersetzt Id aus dem Lateinischen mit Es. Was in Englisch wiederum It wäre.

Wiki sagt: Dem Freudschen Modell der Psyche zufolge, umfaßt das Id/Es/It unser unkoordiniertes instinktives Begehren; das Super-Ego/Über-Ich spielt den kritischen und moralisierenden Part; und das Ego/Ich ist der organisierte, realistische Teil, der zwischen den beiden anderen vermittelt.

Das Id ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen.“
Sigmund Freud, Neue Folge der Vorlesungen

It, das Monster, der Clown Pennywise jagt pubertäre Kinder, ernährt sich von ihren Ängsten, verschlingt sie und erweckt gleichzeitig neue widerständige Kräfte in seinen erwählten Opfern.
 
Pubertät 


Pubertät. Meine Erinnerungen sind vage. Emotionale Achterbahnfahrten, abrupte Wechsel zwischen unangreifbarem Selbstbewußtsein und angstschlotternder Unsicherheit. Nie wieder war ich meiner Meinungen so sicher und wußte so wenig über mich. Und die existentiellen Verwirrungen meines sexuellen Ichs lasse ich hier mal beiseite.

ES. Ein kluger Horrorfilm. Wow! Mit hochbegabten Kinderschauspielern. Nicht den robotisierten, dressierten Niedlichkeitsmaschinen deutscher Filmproduktionen, sondern glaubhaften, leicht zugespitzte, wiedererkennbare 12-jährige Menschen.

Donnerstag, 17. August 2017

EIN TAG

EIN TAG

Auf einer Pressekonferenz faselt und fuchtelt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vorkommnisse in Charlottesville, als gäbe es keinen Unterschied zwischen Rassismus und dem Protest gegen ihn. 

In der Berlinischen Gallerie kann man John Bocks Film Hells Bells ganzkörperlich erleben. 
 © Martin Sommer

Berlins allerbester HNO-Arzt gibt meinen Stimmbändern ein freundliches OK.

Der Tod der Schauspielerin Miriam Goldschmidt wird gemeldet.

Auf Barcelonas Boulevard Las Ramlas rast ein Mann mit einem Kleinlaster mitten in die flanierenden Menschen, tötet viele, verletzt noch mehr.


EIN TAG.

Weiße, bigotte  Männer mit pseudoarchaischen Partyfackeln skandieren marschierend irrwitzige Chöre, "You/Jews will not replace us!, "Ihr werdet uns nicht verdrängen! Juden werden uns nicht verdrängen!" Hitlergrüße werden ausgetauscht, das gute alte Hakenkreuz auf wehenden Flaggen, KKK prangt auf durchgeschwitzten T-Shirts. Diese Leute sind nicht plötzlich da, es gibt sie schon lang, sie hielten sich nur bedeckt, jetzt wittern sie Morgenluft. Ein guter Tag für ihren Hass, ihre Minderwertigkeitskomplexe, ihre Angst, ihr Ignoranz ist gekommen. Einer dreht derart durch, dass er sich der neuesten Terrormethode bedient und sein Auto in die Gegendemonstration fährt. Eine junge Frau wird von ihm getötet.  Originaltext Donald Trump: "Fine people on both sides." David Duke, Chef des Ku-Klux-Klans, bedankt sich für diese Worte herzlich bei ihm, Trumps jüdischer Schwiegersohn meldet sich nicht zu Wort, die anwesenden Medienvertreter, von Donald durchweg als Lügenpresse betitelt, protestieren nicht laut genug, entgeistert. 

Höllenglocken von John Bock, der Name haut hin. Was unter dem vibriert was Hieronymus Bosch malte. Barocker Überfluß an dinglichen Erfindungen, mehr irritierende Details, als ich erfassen konnte, Lichtstimmungen in graublau. Ein surrealer Spaghettiwestern durchmischt mit Horrorfilm-Elementen und eingem an Tarkowski von einem hochprofessionellen Kind in Szene gesetzt, dessen Hirn eine Überfülle von Ideen, Assoziationen, Bebilderungen zur Verfügung stellt. Eidinger, Beglau, Seppeler sind großartig, die Geschichte glasklar, die Dialoge mir meist unverständlich. War aber gut so. Verstörend.

Barcelona. Was kann ich sagen? 

Queen & Montserrat Caballe - Barcelona 

Sonntag, 6. August 2017

Planet der Affen Survival - War For The Planet Of The Apes

 
Wir erleben die Welt durch die Augen einer Affenhorde. Äußerlich Primaten, innerlich Archetypen Carl Gustav Jungs, der Held, der Mentor, der Schatten, der Trickster, das göttliche Kind, oh, das ist ein Mensch, spielen eine Parabel über die Ausschläge des Menschseins, der Menschlichkeit durch. Die Filmgeschichte wird zitiert, John Sturges, Sergio Leone, Spartakus, Apocalypse Now, aber hier sind die Helden halt Affen.
Ich liebe diese Trilogie und hoffe irgendwie, dass es eine bleibt. Cornelius und Nova sind geboren, von nun an würden wir in das Gebiet der Urverfilmung geraten und wie sollte das gehen, ohne die schreckliche Überraschung der letzten Einstellungen des ersten Filmes und ohne Andy Serkis. Ohne Serkis, der das Herz und das Hirn der Filme ist. Allerdings könnte Serkis auch Cornelius spielen, CGI macht's möglich.
Indem die Antagonisten Affen & Menschen sind, anstatt Deutsche & Juden oder Sklaven und weiße Sklavenhalter oder andere Antagonisten der furchtbaren Ausbeutungs- und Erniedrigungsverhältnisse unserer menschlichen Geschichte, indem also eine Verfremdung stattfindet, wird mir ursprüngliche Empathie ermöglicht. Ein toller Dreh. 

Ganz am anderen Ende des filmischen Spektrums: Felix & Meira, eine kanadische Liebesgeschichte zwischen einer orthodoxen Jüdin und einem französischen Bonvivant. Ganz still, ganz langsam, ganz fein.

http://www.arte.tv/de/videos/068342-000-A/felix-meira
 
Computer Generated Imagery oder Motion Capture, wörtlich Bewegungs-Erfassung, bezeichnet ein Tracking-Verfahren, das es ermöglicht, jede Art von Bewegungen so zu erfassen und in ein von Computern lesbares Format umzuwandeln, dass diese die Bewegungen analysieren, aufzeichnen, weiterverarbeiten und zur Steuerung von Anwendungen verwenden können. 
Ein spezielles Motion Capture-Verfahren ist das Performance Capture (wörtlich: Darstellungs-Erfassung), das die Erfassung von menschlichen Gesichts- und Fingerbewegungen umfasst, also Mimik und Gestik.


Welch ungewöhnlich großer Vorstellungskraft bedarf es, um im enganliegenden Ganzkörperanzug, über und über bepunktet und mit einer Minikamera vor dem Gesicht hochemotionale Szenen zu spielen! Alles muß imaginiert werden. Und der Körper, hochtrainiert, muß sich ganz natürlich, äffisch bewegen. Eine ganz neue & eigene Kunst.

Planet der Affen ist ein Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1968 von Regisseur Franklin J. Schaffner mit Charlton Heston in der Hauptrolle. Die Handlung basiert auf dem Roman La Planète des singes (deutscher Buchtitel: Der Planet der Affen) aus dem Jahr 1963 von Pierre Boulle.