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Freitag, 15. November 2019

Filme über die Liebe

Ich liebe Liebesfilme. Filme über die Liebe. Und wie immer sind meine Lieblinge wild gemischt und ermangeln irgendeines kohärenten geschmacklichen Zusammenhangs.
Ich weiß auch nicht, was mein Hirn und mein Bauch/Herz sich dabei denken, wenn Denken überhaupt etwas damit zu tun hat.
Demokratien kommen und gehen, Diktaturen leider auch, was das Kommen betrifft, 
aber unter allen, auch den schrecklichsten Bedingungen wird geliebt.

Hier in völlig ungeordneter Reihenfolge:

An Affair to Remember (Die große Liebe meines Lebens) mit Deborah Kerr und Cary Grant 1957, die Entscheidung liegt immer zwischen ganz oder gar nicht.

Starman von John Carpenter mit Jeff Bridges 1984, ungelenk und absurd, aber fein.

His Girl Friday (Sein Mädchen für Besondere Fälle) 1940 von Howard Hawks auch mit Cary Grant, diesmal im Duell mit Rosalind Russell, schneller reden kann keiner, sich erotischer mit Worten beschießen auch niemand.

Pretty Woman 1990, ja ich weiß.

The Piano (Das Piano) 1993 von Jane Campion mit Harvey Keitel und Holly Hunter. Weil er das Loch in ihrem Strumpf so zärtlich berührt.

Brokeback Mountain 2005 von Ang Lee mit Heath Ledger und Jake Gyllenhaal. Oh, wenn Jake "sein" Hemd aus dem Schrank holt.

Meine Tage mit Pierre - Meine Nächte mit Jacqueline 1964 von André Cayatte, ich habe einiges begriffen über die Schwierigkeiten des Zusammenlebens.

Ein Mann und eine Frau - Ein anderer Mann und eine Frau 1966 & 1985 von Claude Lelouche, einfach nur so, weil  Lelouche an die Liebe glaubte.

Der letzte Schuß UdSSR 1956, melodramatisch und propagandistisch, aber geweint habe ich trotzdem.

The Notebook (Wie ein einziger Tag) 2004 von Nick Cassavetes mit Ryan Gosling und Amy Adams, weil er nicht sprechen kann, wenn er sie endlich wiedersieht.

Love Actually (Tatsächlich Liebe) 2003 - nicht alles, aber manches.

Notting Hill 1999, wegen Hugh Grant, er kann die besten stotternden Pausen setzen,

Maurice 1987, auch wegen Hugh Grant, aber nicht nur, denn wie sehr der Druck unserer Umwelt uns verunstalten kann, habe ich selten grausamer gesehen.

Florence Foster Jenkins 2016, aus demselben Grund, und auch wegen Meryl Streep.

Julia and Julia 2009, weil gutes Essen auch mit Liebe zu tun hat.

The Trap (Wie ein Schrei im Wind / Die Falle) 1966 mit Rita Tushingham, die irgendwann scheinbar aus der Filmwelt verschwand und mir doch unvergesslich beibt.

My Life Without Me 2003

Torch Song Trilogy (Das Kuckucksei) 1988, so nackt, so verstehbar, habe ich Liebe im Film selten erlebt. 

Gestern habe ich Heidi Klums Drag Show gesehen und war traurig. Wenn Konkurrenz die einzige Form des Aufeinanderreffens von unterdrückten Minderheiten ist, dann übergeben wir unsere Macht an an unsere Unterdrücker.

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

 

Donnerstag, 14. November 2019

Tiefe Blicke oder Porträt einer jungen Frau in Flammen

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Céline Sciamma hat einen Film gedreht über Liebe unter schwierigen Bedingungen, herausgekommen ist Soft-Kitsch-Porno ohne Sex, oder vielleicht kam der ja auch noch,
aber da war ich schon weg. Eine ganze Stunde habe ich drei Frauen zugesehen wie sie in
immer veraussehbaren Situationen nahezu nichts spielten.
Jede Sekunde war bedeutsam, jede Geste wichtig, jeder Blick tief und alles ganz langsam, damit ich auch alles mitbekomme und verstehe und wertschätze.
Die Frauen waren schön. Die Landschaft war es auch. Selbst die Reqisiten waren es.
Es wurde photogen geschwiegen, gelitten und geliebt.
Drei Gefühlsvarianten gab es, hingebungsvoll, trotzig und waidwund.
Leidenschaft ist anders. Not ist anders. Erotik ist anders.
Irgendwann in den 60 Minuten erwischte ich mich bei dem Gedanken: "Nun macht mal hinne Ladies."
Der Vogerlsalat mit Kürbiskernöl danach hat gut geschmeckt.



Sonntag, 20. Oktober 2019

JOKER

Todd Phillips, Regisseur aller drei, für mich höchst unlustigen "Hangover" - Filme, hat den "Joker" produziert, mitgeschrieben und inszeniert, Joaquin Phoenix spielt die Titelfigur. 
Jack Nicholson war der Joker, Heath Ledger war es und er war unfassbar gut, anarchistisch, verspielt, wild, krass. Das, was wir nicht verstehen, das Böse, das ohne Gewissen, habe ich bei ihm gesehen. Es wurden mir keine entschuldigenden, frühkindlichen Gründe geliefert und so war ich dieser manischen Kraft ausgesetzt, ohne jede Hilfe. Ein ungemütliches, ein tiefes Erlebnis.

Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt? Georg Büchner

Heute habe ich eine perfekt gebaute und letztendlich zutiefst reaktionäre und konservative Sozialstudie gesehen. 
Vorausgeschickt: Joaquin Phoenix ist ein großer Schauspieler, Lawrence Sher ein einfallsreicher und sensibler Kameramann, die Musik stimmt, der Spannungsbogen auch, einzelne Szenen sind auf den Punkt genau inszeniert.
Aber. Aber, hier wird die Beschreibung einer kranken Gesellschaft mit der Geschichte eines kranken Mannes verwoben. 
Tut er, was er tut, weil er psychisch gestört ist oder weil der Zustand der Welt ihn dazu bringt? Das Aufbegehren gegen Gewalt und Ungerechtigkeit wird im Film gleichgesetzt mit, aus gänzlich anderen Gründen, ver-rücktem Denken und Verhalten. Und wenn mir gezeigt wird, wie brutal diese Gesellschaft ist, wird mir gleichzeitig suggeriert, das alle die dagegen aufbegehren, irgendwie auch irrsinnig sind. 
Die Hauptfigur gerät in Lachkrämpfe, wenn die Welt zu absurd wird, aber er, der Joker, hat eben auch Halluzinationen und schlußendlich und armselig ist seine Mutter an allem schuld, das ihn quält. 
Und, da liegt der Hund begraben: wir alle suchen nach Wegen des Protestes. Wie können wir uns zu Gehör bringen? Unsere Ängste formulieren? Wenn die Protestierenden der "Extinction"-Bewegung den Verkehr behindern, friedlich ohne Gegenwehr, wirft man ihnen vor, dass sie unser alltägliches Leben zu sehr behindern. Wenn Greta Thunberg ihre verständliche Panik formuliert, wird ihr Asperger Syndrom zum Beweis ihrer Abartigkeit. Die Gelbwesten sind zu wirr und gewalttätig. 
Aber wie können wir uns wehren, ohne denen ähnlich zu werden, die den Zustand unserer Sozietät, zu verantworten haben.

 

AN DIE NACHGEBORENEN

1
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?

Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich satt zu essen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt
Bin ich verloren.)

Man sagt mir: iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich es dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.

Ich wäre gerne auch weise
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!


                                   2

In die Städte kam ich zu der Zeit der Unordnung
Als da Hunger herrschte.
Unter die Menschen kam ich zu der Zeit des Aufruhrs
Und ich empörte mich mit ihnen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten
Schlafen legt ich mich unter die Mörder
Der Liebe pflegte ich achtlos
Und die Natur sah ich ohne Geduld.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit
Die Sprache verriet mich dem Schlächter
Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in großer Ferne
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.


                             3

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.

Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.

Dabei wissen wir ja:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.

Samstag, 5. Oktober 2019

Downtown Abbey - Der Film zum Brexit

An einigen Sonntagnachmittagen des letzten Jahres habe ich auf arte große Teile dieser Serie nebenbei geguckt und gemocht. Wunderbare Kostüme, gute Schauspieler, genaue historische Details, dramatische Ereignisse, angenehme Unterhaltung. Alles fein. 
Und wenn Maggie Smith dabei wäre, würde ich sowieso beglückt jederzeit der Verlesung des Adressregisters von Liverpool beiwohnen.
Heute im hiesigen Cinestar habe ich den großen Film gesehen und es bleibt, trotz einigen Amusements, ein irgendwie unangenehmer Nachgeschmack.

 

 

Ich sehe, die Dienerschaft in glücklich-stolzer Unterwürfigkeit, die Herrschaft gnädig, doch tief besorgt, ob der Herausforderungen der Moderne, König & Königin gütig und nur leicht begriffsstutzig. Ja, es gibt die zauberhafte Nebengeschichte des homosexuellen Butlers, den Aufstieg der unehelichen Tochter und hier und da andere kleine soziale Irritationen, aber sie sind sicher eingebettet in den großen Rahmen der sozialen Stabilität, in der jeder an seinem Platz genau da ist, wo er hingehört, in Sicherheit.
Wie ich gelesen habe, war ein hoher Prozentsatz der Pro-Brexit Wähler älteren Datums, in meinem Alter oder älter, viele, zu viele der jungen Wähler gingen gar nicht wählen. Was wurde da gewählt, eine Erinnerung an eine "gute" alte Zeit? 
Und genau da entspringt mein ungutes Gefühl, da wo erinnerte Sicherheit, selbst bei realer schreiender Ungerechtigkeit, als erstrebenswert gezeigt wird. Mit dem Brexit soll ein England, ein Empire wiedererstehen, mit der AfD soll Deutschland wieder echt deutsch werden. 
Dame Maggie Smith übergibt ihre Position ihrer Enkelin, der Bewahrerin ihrer Werte. Plötzlich wird die mir sehr sympathische böse, reaktionäre, alte Zicke, sentimental, sie lächelt und buhlt um Zuneigung. Nächster Schnitt, ein Dienerpaar auf dem Heimweg bespricht die erhoffte Kontinuität der bestehenden Verhältnisse.
Dazu im Kontrast: Die Geschichte der Magd, oder besser: Die Geschichte, die die Magd erzählt, The handmaids tale. Wo die Klimakatastrophe zur genehmen Unterdrückung von Frauen mißbraucht wird und nichts mehr gut ist, wenn wir nicht aufpassen und Widerstand leisten.

Donnerstag, 12. September 2019

Macht das alles einen Sinn - und wenn ja, warum dauert das so lange?

Hat das alles einen Sinn - und wenn ja, warum dauert das so lange?  Regie: Andreas Wilcke
Keinen Sinn für Humor. Keine eigene politische Haltung. Kein Sinn fürs Theater. Nur allgemeine Sentimentalität den "guten" alten Zeiten gegenüber. Kitsch.
Ungewöhnlich schlechter Schnitt.
Frank kommt schlecht weg, obwohl er doch ums Verrecken das Idol sein soll. Weil halt nur schicke Ausbrüche gezeigt werden und nicht die Momente, wo er in widerwillig herausgemurmelten Sätzen Strukturen aufdeckt oder wo er einen absurden Einfall in die Runde wirft, der sich im Ausprobieren als szenisch brilliant erweist.
Die Qual der Proben wird nicht gezeigt und nicht ihre kindliche Albernheit. Nur der Druck.
Uns hat er damals gefragt, ob wir was Merkwürdiges können, ein Kollege konnte jodeln, da haben wir als Chinesen dann gejodelt.
Hier soll ums Verrecken Genie bewiesen werden, doch dazu braucht es keinen Weihrauch, keine überlangen Einstellungen, kein Ich-weiß-wie-es-war Getue, dazu braucht es uneitles, Interesse mit Geduld und Neugier. Interessantes Wort: Neugier, gierig danach Neues zu erfahren, nicht nur einfach eigene Überzeugung zu bestätigen.
Öde. Mir fällt kein besseres Wort ein.
Die beste Szene, wenn Sophie Rois herzallerliebst gähnt, während Frau Angerer einen längeren Monolog hält. Alexander Scheer scheint so sympathisch, zu sein, wie ich vermutete.
Wenn man nur die Videos aus großen Szenen abfilmt, erweist sich, dass Theater spannender ist als seine filmische Abbildung.
Verehrung ohne das nötige Talent und ohne Witz und ohne Distanz schadet dem Verehrten.
Ich hatte das Gefühl vier Stunden im Kino zu sitzen, dabei waren es nur zwei. Kein gutes Zeichen.

Mittwoch, 31. Juli 2019

Almodovar - Leid und Herrlichkeit

 © Nico Bustos

Allein schon für die letzte Einstellung müßte der Film gepriesen und geehrt werden. Eine überraschende Wendung der schönsten Art. Zum Lobe der Kunst, zum Lobe des Lebens. Dolor y gloria!

Banderas spielt Almodovar, aber eben nicht nur und wie fein er spielt, mit dem Körper, der von Schmerzen geplagt wird, mit dem Gesicht, das er nach Belieben uralt oder kindlich-verstohlen aussehen lassen kann. Wie genau er wechselt von weinerlichem Selbstmitleid zu resignierter Selbstaufgabe, zu erwachender Überlebenshoffnung. In einer Szene telefoniert er mit einer alten Liebe, die vor seiner Tür steht, er schaut auf den ebenfalls älteren Mann und fühlt die Liebe zu ihm ganz akut, ganz tief.

Die Farben sind satt, fett, viel Rot gegen Weiß und dann das ganze Spektrum der psychedelischen Farben. Gegen Ende die gräßlichste vorstellbare grasgrüne Lederjacke, wenn eine Krebsdiagnose erwartet wird und das Überleben versprochen wird. 

Also Humor hat der Film auch noch. Was kann man mehr wollen? Selbst die manchmal ungelenken Übergänge bieten Vergnügen.

Da habe ich doch heute ein Kunstwerk erlebt. Meine Augen sind übervoll, das Hirn ganz wach und das Herz schlägt freudig.

Da ist sie, die grüne Jacke.



Aus: ÜBER DIE GEDULD 
Rainer Maria Rilke

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein. 

Montag, 8. Juli 2019

Tel Aviv On Fire - Ein wirklich witziger Film

Sameh Zoabihat einen überraschend guten Film gemacht: Tel Aviv On Fire.
 
Würde es Gelegenheiten geben, dass Israelis und Palästinenser sich auf Augenhöhe begegnen und sich vielleicht sogar mögen, würde das so manches Weltbild zerschlagen.
Sameh Zoabihat 
 
 
Die Geschichte eines jungen palästinensischen Mannes, zu lang, zu dünn, zu unentschlossen. Seine große Liebe hat er verloren, weil er ihr gesagt hat, er fühle sich bei ihr, wie ein Fisch im Toten Meer. Und nun existiert er so vor sich hin und arbeitet bei der Produktionsfirma seines Onkels als Zuständiger für die hebräischen Dialoge.
Diese Firma produziert eine Soap-Opera, ein täglich gesendetes Melodrama über das Schicksal einer palästinensischen Spionin hin- und hergerissen zwischen ihrer Pflicht als Spionin und der Liebe zu einem jüdischen General namens Jehuda. 
Und diese Serie schauen auch israelische Frauen, trotz ihres unübersehbaren Antisemitismus, weil es halt um Liebe geht. 
Ein israelischer Grenzoffizier mit Hang zur Dramatik und einer der Serie verfallenen Ehefrau kommt ins Spiel und der Irrsinn des Nahost-Konfliktes verwandelt sich vor meinen Augen in den Irrsinn des cineastischen Melodramas mit Ausflügen in die absurde Farce.
Wunderbar, grauenhaft und auch traurig und sehr sehr witzig.
Hier ist Leid kein Druckmittel, sondern Teil von Biographien, Feindschaften sind altbekannt und hindern die Protagonisten doch nicht daran, zum eigenen Vorteil zusammenzuarbeiten. Und die Liebe besiegt wirklich alles, selbst die Macht der anonymen Geldgeber der Produktionsfirma.
Ich wünschte, ein deutscher Filmemacher hätte den Mut und die Leichtigkeit einen solchen politischen Film zu drehen. "Four Lions" von Chris Morris wäre vergleichbar. 
Große Politik, unlösbare Konflikte auf erkennbare Höhe gebracht, nicht durch Verkleinerung, sondern durch Betrachtung der Kontrahenten als unterschiedliche Menschen.
 
Wiki nennt Humor die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Diese Begabung haben wir, die deutschen Menschen eher nicht so, besonders das Ding mit der Gelassenheit fällt uns schwer. Weil wir ja selbst so sehr leiden, bleibt uns wenig Raum für das Interesse an den Kümmernissen anderer nichtdeutscher Menschen.

nordbuzz: Ihr vorheriger Film „Under the Same Sun“ befasste sich aber auch mit dem, was Palästinenser und Israelis den „Konflikt“ nennen.

Zoabi: Die meisten meiner Arbeiten haben mit dem Konflikt zu tun, aber ich nähere mich dem anders an, als man vielleicht erwarten würde. Ich interessiere mich nicht für die Geschichten, die man in den Nachrichten normalerweise hört, über leidende Palästinenser, die Besatzung oder Bombardierungen. Ich bin mehr an den Figuren interessiert. An den Menschen, die ihr normales Leben führen, das im Kino aber fast nie vorkommt. Die Situation zwischen Palästinensern und Israelis ist, wie sie ist. Und die Menschen müssen damit zurechtkommen. Aber damit akzeptieren beide Seiten auch, dass es immer Gewalt geben wird. Niemand spricht aber darüber, dass beide Seiten auf eine bessere Zukunft hoffen. Jeder will einfach nur ein normales Leben. Und darum geht es mir in meinen Filmen.

nordbuzz: Man hätte natürlich „Tel Aviv on Fire“ auch vollkommen ernst erzählen können.

Zoabi: Ja, darüber habe ich aber nie nachgedacht. Das ist einfach nicht mein Stil, ich mag Humor. Ich bin mit etwas groß geworden, das man als „Ghetto-Humor“ bezeichnen könnte. Wenn man das Gefühl hat, dass die Welt gegen einen ist und alles zerbricht, dann muss man das mit Humor nehmen, da man sonst nicht weitermachen könnte. Palästinenser sind sehr lustige Leute. Amüsant ist, dass ich häufig höre, mein Humor sei sehr jüdisch. Teil dieses Humors ist es, sich umzingelt zu fühlen. Das ist dasselbe Gefühl, das Palästinenser haben. Jüdische Filmemacher transportieren oft diesen Humor, dass die Welt und die Realität sich gegen einen verschwören. Es ist wichtig, als Palästinenser Humor im Alltag zu finden, weil das Leben sonst einfach zu traurig wäre. 
nnn

Dienstag, 4. Juni 2019

Arrival - ein feiner Science Fiction Film




Denis Villeneuve hat Filme gedreht. Leider auch Bladerunner 2049, aber da hat ihn vielleicht das gigantische Vorbild gelähmt.

https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1551496017578596917#editor/target=post;postID=2214644956330262577;onPublishedMenu=template;onClosedMenu=template;postNum=2;src=postname 

Aber vorher eben, Sicario und Arrival, zwei Filme, die, was selten ist, um eine zentrale Frauenfigur zirkeln. Emily Blunt in Sicario und Amy Adams in Arrival. Beide haben unübliche, wunderschöne Gesichter, hochsensible, durchscheinende und beide strahlen scharfe Intelligenz aus. Ich kann ihnen beim Denken zugucken, der Regisseur läßt mir Zeit mit ihnen. Er schafft Ruhe inmitten von hoher Spannung, er zeigt die Situationen vor oder nach der "action", vor oder nach den Gemetzeln. Ich sehe, wie sie Probleme angehen, sie zu lösen versuchen und nur, wenn es wirklich notwendig wird, sehe ich ihre Erschöpfung, ihre Angst, ihre Trauer. 

Frauenfiguren in Theater/Film/Fernsehen wird oft die Darstellung von Emotionalität zugeteilt. Männer lassen mal, unter größtem Druck, was gucken, Frauen müssen ihre Gefühle wie schlecht verkäufliche Ware vor sich hertragen. 

Mutter, Hure, Jean D'Arc, Maria. Vater, Don Juan, Held, Verlierer. 

Wir leiden schweigend, er leidet kämpfend. Gewiss eine Vereinfachung, aber solche Arbeitsaufteilung gibt es, so scheint es mir in unseren Medien.

In Sicario und Arrival werden die männlichen Partner emotional überfordert und die Weiber stampfen stoisch voran, erschüttert, aber unaufhaltbar.

Da entwickelt sich gerade eine neue Erzählweise, "Killing Eve", "The Americans", "Captain Marvel", "Wonder Woman". Zornige Weiber. Böse Frauen. Schlaue Mädchen. Das gefällt mir. Pippi Langstrumpf wird erwachsen und wird unangenehm fordernd.

P.P.S. Nebenbei läuft im Fernsehen eine deutsche Liebeskomödie, SMS Für Dich, alle reden schnell, als ob man dann nicht merken würde, das die Dialoge toal unlustig sind. Manchmal spiele ich vor dem Fernseher bei solchen Filmen mit, und meine Trefferquote für die "richtige" Reaktion, Grimasse - Klischee 1 bis 17 - ist wirklich bedrückend hoch.  

Freitag, 24. Mai 2019

Game of Thrones und Avengers - SPOILER - alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.

Vorausgeschickt: ich bin ein Trash-Junkie. Superhelden-Filme, Phantasy-Serien, Science-Fiction-Bücher, wenn sie nicht nur kurzschlüssig sadistische Gewaltphantasien, billigen Eskapismus oder vermummten Patriotismus bieten, sind mir ein tiefes Vergnügen. 
Als kleines Kind habe ich "Reise in die Urzeit" gesehen, einen zauberhaften tschechischen Film und war verzaubert. Das war lange Zeit vor Greenscreen und digitalen Wundertricks. "Die Reise zum Mond" von Georges Méliès, "Tarantula", die Erstverfilmung "Der Fliege", "Die Reise zum Mittelpunktder Erde", alles, was Asimov geschrieben hat, Arthur C. Clarke, und und und dann mit 20 die drei Bände vom "Herrn der Ringe" mit den hunderten Seiten von Anhang und dem Simarillon - zwei Wochen lag der letzte Band hoch oben auf meinem Kleiderschrank, weil ich das Ende ahnte, aber noch nicht zu ertragen vermochte.

1
Game of Thrones in seiner letzten Staffel, die größte Schlacht geschlagen, mehr Teilnehmer haben überlebt, als erwartet. 
Wer soll den Thron besteigen? Wer wird den Thron besteigen? 
Über welche Leichen muß er oder sie dazu klimmen? 
Wird der Thron ihn oder sie bis zur Unkenntlichkeit verändern?

2  

Ich vermute, es wird ein "Herr der Ringe" - Ende geben, nicht happy, nicht katastrophal, so dazwischen. Sauron tot und die Elben gehen fort, wir Übrigen muddeln einfach weiter vor uns hin. Mittelerde mit mittelguten Menschen halt.

3
GoT, letzte Episode: der Thron wurde vom letztüberlebenden Drachen zerschmolzen, dann trug er seine Toten fort, der Wiederauferstandene zieht in die Kälte, allerdings mit hoffnungsvollem einzelnen Grashalm, König der sechs Reiche ist jetzt ein esoterischer Krüppel, seine rechte Hand ein hochintelligenter Zwerg, die Minister sind alles erst vor kurzem zu Ehren Gekommene, die vielmißbrauchte Frau regiert ihr Nordreich. Wie erwartet kein Happy End, aber das bestmögliche wohl.
Mein Lieblingsstelle war die Reaktion auf den Vorschlag, man könnte es doch mit Demokratie versuchen. (Morgen ist Europawahl!)
Klar ist einiges ziemlich unlogisch gelöst, geschenkt. 
Aber, wie erzählt wurde, dass Unterdrückung, Verletzung, Mißbrauch Menschen nicht einfach besser machen, ja, dass es sogar eine Unverschämtheit ist, von Opfern auch noch übermenschliche Güte zu verlangen, das hat mir gefallen, das konnte ich verstehen.

3
Die Avengers haben gegen Thanos gesiegt. Und nun? Wenn die bösen, großen Feinde geschlagen sind, müssen sie sich mit sich selbst beschäftigen.
Das hat mir auch gefallen.

4
Mir wird abverlangt, viele Erzählstränge im Kopf zu behalten. Die Motive der vielen agierenden Figuren changieren zwischen weiß, schwarz und grau, und ich kann mich nicht auf simple, gradlinige Verhaltensmuster verlassen. Man läßt mir Zeit. Shakespeare hatte Worte, diese Filme haben Bilder.

5
Game of Thrones verbirgt einen Teil seiner Geschichte in unterbeleuchteten Schlachtszenen, die Avengers sehen entweder erschreckend ausgezehrt aus wie Iron Man oder weichgezeichnet wie Captain America in der entscheidenden Sekunde ihres Todes. Frauen sind stark und solidarisch. Und manchmal keineswegs solidarisch. Beides mag ich.
Irgendwann müssen unsere Helden aufhören heldisch zu sein und das Leben muß weitergehen.

6
Trump ist scheinbar blöde, aber sehr effektiv. Ein böser Narziss, der exzellent, außergewöhnlich gut lügt. Ein Superheld der modernen Art.

Steve Bannon, übergewichtig, schlau, skrupellos, flexibel, ergebnisorientiert. Ein gefährlichr Mann, denke ich.
https://www.nzz.ch/international/steve-bannon-im-interview-bruessel-wird-zu-stalingrad-ld.1481934?mktcid=nled&mktcval=107_2019-05-16&kid=_2019-5-15&fbclid=IwAR1QIXLowm3MvvGZ7rDmsAw3i2GSwOWOy0WX9t4_SQ2bVYfs1J056Bmsxbo 

Donnerstag, 2. Mai 2019

Der Funktionär - „Ja, es war eine Illusion, aber ich möchte den Glauben nicht aufgeben.“

Klaus Gysi war dreimal verheiratet und diesen Ehen entsprangen sieben Kinder oder waren es acht? Wikipedia nennt nur zwei, Gregor und Gabriele. Wie unaufmerksam.
Klaus Gysi war Kommunist, oder Mitglied kommunistischer Organisationen, seitdem er mit 16 Jahren die Tötung eines streikenden Arbeiters durch die Berliner Polizei aus dem Fenster seiner elterlichen Wohnung beobachtet hatte. Eine Anekdote, die sich im Lauf der Jahre in eine Saulus/Paulus Erweckungsgeschichte verwandelte. Was sicher als tiefes Betroffenheitserlebnis begann, verbog sich, so wirkt es auf mich, zur Ausrede für jeden eingegangenen, eigentlich unerträglichen und unentschuldbaren Kompromiss. 
1940, als Kommunist mit jüdischen Vorfahren nach Frankreich geflohen, kehrt er auf Befehl der Partei, mit seiner ersten Frau Irene nach Berlin zurück und überlebte, wie auch immer, die schwarzen Jahre.
Klaus Gysi hat ein schönes Gesicht mit sinnlichem Mund und intelligenten Augen. Und dann sehe ich ihn in Sendungen des Fernsehens der DDR leere, dumme Worthülsen plappern, die Haltung ist intelektuell, der Inhalt nicht, er ist hohl, falsch, unwahr. 
Er war Leiter des Aufbau-Verlages nach Jankas Verhaftung, später Kulturminister - eine Karriere, zwar mit Absturzgefährdungen, aber eben doch eine Karriere, in der DDR, durch dick und immer dünner.
"Die Entwicklung des sozialistischen Menschen steht im Mittelpunkt unserer Arbeit." Solcher Mist in gutformulierten Varianten in Gesprächsrunden über viele Jahre. "Wie gut sich die Menschen entwickelt haben." Gysi ist Ulbrichts Liebling. "Wir arbeiten an einem Konzept für die Unterstützung der Entwicklung der Menschen." Gysi gerät, nach dem Sturz Ulbrichts in Schwierigkeiten. Unter Honecker wird er Botschafter in Italien, dann Staatssekretär für Kirchenfragen. Er hat die geladenen Kirchenvertreter scheinbar oft so zugetextet, dass sie vergaßen, ihre Anliegen vorzutragen.
Ein leiser, fast schmerzhaft spracharmer Film, Photos von Andreas Goldstein aus den 80ern und 90ern, manche unscharf, Ausschnitte aus Propaganda - aka Gesprächs-Sendungen des Fernsehens der DDR horrender Art wechseln sich ab, darunter ein wenig zu monoton und gelegentlich weinerlich Goldsteins Stimme...
Brasch, Gysi, Goldstein und und, eine Generation, mit bewunderungswürdigen Absichten angetreten, von den Zeitläuften gebeutelt und erschüttert, überlebt habend durch Aufgabe, all dessen, was sie ausmachte. „Ja, es war eine Illusion, aber ich möchte den Glauben nicht aufgeben.“ Was für ein schrecklicher Satz. Lieber die Lüge weiterglauben, als die Niederlage einzugestehen.
Über die Opfer die eine solche Lebenslüge forderte, spricht der Film nicht.
Ein sehr trauriger Film.

http://www.taz.de/!5584814/

Montag, 28. Januar 2019

Gottes Vergessene Kinder - William Hurt

Gottes Vergessene Kinder - ein Film aus dem Jahr 1986 über eine für mich fremde Welt, die Welt der Gehörlosen, über eine mir unbekannte Art der Stille, über das, was Körper und Hände ausdrücken können. Über Musik. Über Liebe und Freiheit.
Der eigentliche Titel, den Randa Haines ihrem Film gab, war Children of a lesser God, was man mit Kinder eines geringeren Gottes übersetzen könnte. Eine Provokation, eine Verhöhnung zum Zwecke des Aufmerksam-Machens. Aber damit konnte sich der deutsche Filmverleih nicht anfreunden, er wollte sicherstellen, dass wir auf die "richtige" Weise gucken, vorbereitet sind, um in unserem Urteil nicht unwissend irren.
William Hurt - Kuss der Spinnenfrau, Body Heat, Der Große Frust (The Big Chill), Gorki Park, Die Reisen Des Mr. Leary (The Accidental Tourist), Broadcast News und und und - ein schöner Mann mit einem großflächigen, sehr amerikanischen Gesicht, über das seine Gedanken, Gefühle wie zarte Wellen liefen. Sechzehn unterschiedliche Dinge hintereinander, sich auseinander entwickelnd. Augen verändern den Winkel, der Mund verbiegt sich, der Körper verändert die Spannung. Ganz und gar außergewöhnlich. Er hat viel Theater gespielt und machte seinem Ruf als anstrengend alle Ehre. Anstrengend klingt abfällig, das schwer Erreichbare erreichen wollen, verlangt aber manchmal eben diese Anstrengung. Kompatibel ist nicht wirklich ein Kompliment, aber es ist wirtschaftlicher.
Hurt war hübsch genug, um jedermans Liebling zu sein und einsam genug, um dies nicht ertragen zu können. Er hat sich fast zu Tode gesoffen, schlechte Filme gemacht und kämpft sich jetzt langsam wieder in die Rollen vor, die ihm zustehen.
Es gibt sie wirklich, die gigantischen Talente, die zu empfindsam, zu aufmerksam, zu verletzbar, zu unsicher sind, um das schwere Gewicht ihrer Gabe unter dem Druck der industriellen Verwertung auf die Dauer auszuhalten. Brando und Elvis haben sich totgefressen, Ledger, Phoenix, Belushi sich totgedröhnt, die weiblichen Mitglieder dieser Gruppe flüchten in chirurgische Experimente oder eben auch in den Alkohol oder die Chemie. Andere wachsen stabiler auf. Ihr Glück. Welchen Preis bezahlen sie?


Sonntag, 27. Januar 2019

The Favourite - ein tolles Stück Schauspielkunst

The Favourite
Favourite heißt Günstling, Liebling, Lieblingsstück, wobei in diesem Fall alle Wörter weiblich gemeint wären. 
The Favourite - Intrigen und Irrsinn
Da Favourite als Titel so einfach ist und ich so den Film vielleicht nicht verstehen würde, wurde, wie meist bei deutschen Titelübersetzungen, ein neongrelles Wegweiserchen, hier ein peinlich-pädagogisch-putziges Wortspiel, hintendran gehängt. Boa eh!
Aber der Film ist toll!
The Favourite
Giorgos Lanthimos hat Regie geführt und zwar im schönsten Sinne des Wortes, er bringt verschiedene Künstler zusammen, bündelt ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten, verdichtet sie, erhöht durch kluge Auswahl den Druck und es entsteht: ein Diamant.

Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone bilden eine entsetzliche Triade, entsetzlich komisch und ebenso traurig. Die spielen sich wirklich in hoher Dezenz den Arsch ab und die Seele aus dem Leib. Großartig. Colman als alternde, gichtgeplagte Queen Anne, Mutter von 17 toten Kindern, die sie nun als kleine weiße Kaninchen verhätschelt. Weisz ist ihre Kindheitsfreundin und Geliebte, politische Planerin und Jongleurin brennender Schwerter in einer von Männern dominierten Welt. Sie sagt den zentralen Satz des Films: "Liebe ist Wahrheit." Stone gerät in diese eigenartige, aber funktionierende Partnerschaft, als verarmte Verwandte mit gutem Herzen oder giftigem Ehrgeiz, oder beidem? Die drei spielen sich die Bälle zu, dass es nur so blitzt. 
England führt wieder einmal Krieg mit Frankreich, Tories & Whigs kämpfen verbissen für ihre Interessengruppen. Krieg kostet Geld, Steuern sollen ihn finanzieren. Das Volk kommt nur als realpolitisches Erpressungsmittel und als Dienerschaft vor. Die Herrschenden bleiben unter sich.
Liebe und Politik, Kalkül und Sehnsucht, Verwöhntheit und Verletztheit, eins kippt ins andere und dann in wieder etwas anderes und man versteht und kichert und bedauert und erschrickt und wechselt die Fronten, nimmt mal für die eine, dann für ihre Gegnerin Partei und am Ende starrt man auf drei einsame kaputtgespielte Wesen, die wissen, das nichts Schönes mehr kommen wird.
Robbie Ryan, von I, Daniel Blake hat die Kamera geführt, manchmal ganz gradlinig, manchmal mit verzerrenden Linsen, die Schönheit der Interieurs einsaugend, auf Gesichtern lange verharrend. Die Kostüme sind von historischer Form, aber Farben, Material, Details schneiden dagegen, ebenso bei der Musik.
Fein, sehr fein.

  © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation.

Mittwoch, 31. Oktober 2018

NOSFERATU

Zu Haloween, diesem sinnentleert aus den USA importierten Feiertag, oder zum Reformationstag oder, am passendsten, in Vorbereitung von Allerseelen, zeigte das Kino Babylon heute die rekonstruierte Fassung von Murnaus "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" von 1922. Das Werk in fünf Akten wurde live begleitet vom METROPLIS ORCHESTER, das leichtfüssig ein Neuarrangement der originalen Filmmusik spielte.

Zu meinem Glück wuchs ich nur fünf Minuten vom Kino "Camera" entfernt auf, dem einzigen Kunstkino von Ostberlin. Ich habe große Teile meiner Kindheit & Jugend in diesem Filmtheater verbracht. Truffaut, Lelouche, Buster Keaton, Chaplin, Kurosawa, sie alle waren meine Augenfreude in diesem kleinen versifften Lichtspieltheater zwischen 1968 und 1985.
 
Heute Abend war großartig! 
Allen voran, Max Schreck, der Titelheld, mit kahlem Kopf und spitzen Ohren, die Augen voll gieriger Not, die Arme eng an den Körper gedrückt, wenn er sie nicht bebend vor Begehren tänzerisch ausstreckt. Ein liebender Blutsauger, Träger der Pest, von der er nichts weiß, weil er viel zu tief in seine eigenen Ziele versenkt ist.

Ob das Rattenmotiv für die Pest hier und das widerwärtige Verwenden des gleichen Bildes im "Jud Süß" in einem kranken Zusammenhang stehen?


 
Ein Film entstanden zwischen den großen Kriegen, der seitdem in unzähligen Filmen zitiert wurde. Ein Film, den ich kannte und der mich doch überrascht hat. Vorab, gelegentlich ist der sprachlose, hyperintensive Spielstil der Darsteller unbeabsichtigt komisch. 
Aber. 
Aber viele Effekte, wurden hier neu erfunden und sind seitdem feste Einträge im Nachschlagewerk der Cinematographie. 
Aber die Bilder sind mächtig. Schatten, Berge ohne Menschen, mächtige Wellen, Gruppenreaktionen, eine Gasse voller Sargträger.
Aber der Stilwille ist atemberaubend. Hier bewegt sich niemand "wie im Leben". Expressionismus und Ausdruckstanz, das Neueste vom Neuen 1922, sind substantielle Mittel der Darstellung.
Aber der Schnitt, wenn auch langsamer als heute üblich, nutzt bereits alle Erzähltechniken der Zukunft, Schnitt, Gegenschnitt, allegorischer Einschub, alles da. 
Aber immer wenn ich dachte, dass das Melodrama vorhersehbar wird, kam eine überraschende Wendung.
Der irrsinnige Gefolgsmann Nosferatus, hintertückisch und gemein, wird plötzlich zum Opfer eines aufgeheizten Mobs. Sichtwechsel.
Nosferatu, einsam, immer einsam, lädt seine Särge zur Abreise auf eine Kutsche, in den letzten Sarg legt er sich selbst, zaubert den Deckel drauf und die Kutsche fährt ohne Kutscher los.
An seinem Sehnsuchtsort angekommen, nicht in London wie in der Bram Stoker Fassung, sondern in der deutschen Stadt Wilsborg, sehen wir den bösen Vampyr, immer wieder, den lebensnotwendigen Sarg unterm Arm, auf der Suche nach einer Bleibe. Hinreißend.
Und die Spieler:
Alexander Granach, dessen Autobiographie "Da geht ein Mensch" mich zum weinen gebracht hat, starb 1945 in New York an einer Lungenembolie. Ein Emigrant.
Gustav von Wangenheim, hier der jugendlich, strahlender Naivling, soll später in der UdSSR, in Deutschland in absentia zum Tode verurteilt, Carola Neher und ihren Mann als Trotzkisten denunziert haben, was zu beider Tod führte. Nach Kriegsende war er kurzzeitig Intendant des deutschen Theaters.
Wolfgang Heinz, auch ein Nachkriegsintendant des DT, war ebenfalls Emigrant.
 

Gute Filme bleiben gute Filme. Und es gibt glücklicherweise, Musiker, die sich die Mühe machen, ihre Soundtracks zu studieren und aufzuführen und es gibt, noch, genug Filmfreaks, die dem Babylon zu einem ausverkauften Abend verhelfen, wenn ein solcher guter Film gezeigt wird.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nosferatu_(Sagengestalt) 

https://de.wikipedia.org/wiki/Nosferatu_%E2%80%93_Eine_Symphonie_des_Grauens 

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Berlin auf Zelluloid



Berlin in Schwarz-Weiß und Farbe

https://www.youtube.com/watch?v=B-m9A8mY-U0


Im Museum für Deutsche Geschichte unter den Linden habe ich vor ein oder zwei Jahren Filmaufnahmen gesehen, leicht beschleunigt und hackig, wie es alte Aufnahmen so an sich haben. Die kurzen Streifen zeigten eine Strasse in Berlin um 1915, vermutlich den Kurfürstendamm, der Verkehr war angsteinflößend, Automobile, Kutschen, Strassenbahnen wild durcheinander und hochkonzentrierte Fußgänger, die versuchten mit Todesmut, die Straße zu überqueren. Kaum eine Lücke. Streß.
"Menschen am Sonntag" ein Stummfilm von Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer und Billy Wilder zeigt, halbdokumentarisch, eine lebenssüchtige, pulsierende Stadt voll mit Menschen, Dreck, Freude und Sehnsucht. "Die Büchse der Pandorra" oder "Eine Stadt sucht einen Mörder - M" oder "Kuhle Wampe" oder "Cabaret" oder "Das Schlangenei" oder "Berlin Alexanderplatz" oder "Berlin - Ecke Schönhauser" oder "Sonnenallee" sind einige von vielen anderen Berlin-Film-Beispielen.
Die Mode hat sich verändert, der Putz der Häuser ist heller, die Autos stromlinienförmiger, aber es bleibt unverkennbar meine Stadt. Die Intensität des Wollens bleibt sich, glaube ich, gleich über die Zeiten und in all diesen sehr unterschiedlichen Filmen erlebe ich eine sehr spezifische Ansammlung von Leuten mit ihrem Schweiß, ihrer Gier, ihren Ungereimtheiten und ihrer Lust. Berliner und Zugereiste die leben wollen.



https://www.dw.com/de/kino-favoriten-die-zehn-besten-berlin-filme/a-19255180

Nebenbei: God should love Christopher Isherwood!

"Babylon Berlin" zeigt mir Berlin als ein Ansammlung von Puppenhäusern, vermutlich historisch korrekt, aber säuberlich harmlos und irgendwie unbewohnt. Die Serie scheint stolz auf die genaue Rekonstruktion von Architektur, nur kann sie den Orten kein Leben einhauchen. Die ausführlich dargestellte Armut wirkt auf mich designt und kleidsam und bietet, trotz aller Zille-Zitate, keinerlei Verstörung, nur nette historisierende Häppchen. Und in diesem Konstrukt agieren Darsteller von sozialen Beispielgruppen. Der Süchtige, die Aufstrebende, der Zuhälter, etc..


KDW - Zigarrenabteilung - 1928

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Filmen_mit_Bezug_zu_Berlin

Ich weiß, das Vielen die Serie gefällt, mir mißfällt sie aus den obengenannten Gründen. Ich bin ein Berliner.

Sonntag, 7. Oktober 2018

Ein Stern wird geboren

Ein Freund von mir erschafft aufblasbare Kunstwerke, fliegende Pferde, riesige scheue Clowns, schwebende Giganten, bestehend aus nichts als Luft und Hülle. Mein liebstes ist ein Paar, der eine gefüllt, der andere leer, nur Hülle - und dann verliert der aufgeblasene seine Luft an den anderen, der bläht sich auf, bekommt Umfang und Form, beginnt zu leben, vom anderen bleibt nur das Außen. Leider finde ich kein Bild von diesen beiden in ständigem Vergehen und Geboren werden Untrennbaren.

Max Streicher, Quadriga, 2006. ©Max Streicher.

Heute Abend habe ich in meinem Lieblingskino auf Hof I "A star is born" gesehen. 1937 waren Janet Gaynor und Fredric March das tragische Paar in der ersten Verfilmung, die auch schon auf einem früheren Film basierte, George Cukor war der Regisseur der zweiten mit Judy Garland und James Mason, dann kam 1976 eine Version mit Barbra Streisand und Kris Kristofferson.
Die Grundgeschichte ist simpel, großer Star mit Problemen trifft zufällig junge hochbegabte Frau, sie verlieben sich, er fördert ihr Talent und während ihre Karriere schnell und steil beginnt, verlöscht die seine. Er trinkt mehr und mehr, und je nach Drehbuch bringt er sich um oder stirbt bei einem Unfall. Joan Didion and John Gregory Dunne werden jedesmal, auch bei der neuesten Verfilmung, als Drehbuchautoren genannt. Die beiden waren ein Paar und Didion hat eines meiner Lieblingsbücher geschrieben: "Die Stunde der Bestie" in Deutsch und im Original mit dem faszinierenden Titel "Slouching towards Bethlehem" oder" Latschen nach Bethlehem".
Dieser Fassung des alten Themas von 2018 ist es gelungen, eine heutige Geschichte zu erzählen, ohne mich daran zu hindern, am Ende weinen zu dürfen. Das ganze Kino hat geweint und statt einer witzigen Szene im Abspann gab es Nasenputzen, Schnüffeln und einiges verlegenes Kichern.
Bradley Cooper hatte ich schon gesehen, einmal sogar persönlich in einem Fahrstuhl in New York, hatte aber keinen großen Eindruck hinterlassen. Aber hier hat er seinen Doppel-Job als Regisseur und zweiter Hauptdarsteller wirklich gut gemacht. Lady Gagas Musik ist nicht mein Ding, aber hier ergreift sie mich, liefert sich mir aus, ungeschminkt, scheu und ehrgeizig.
Es wird mir die Geschichte einer Übergabe erzählt, von einer Generation zur nächsten, nicht so wie man leicht Hände schüttelt oder guten Rat gibt, sondern wie jedes Erblühen auch eines Vergehens bedarf. Das ist sehr traurig aber auch unvermeidbar.

 © Warner Bros.

Danach ein Gin &Tonic in der G&T Bar am Hackeschen Markt und einem wirklich guten Barmann bei der Arbeit zuschauen. Noch ein Genuß.

Donnerstag, 23. August 2018

Deadpool 2

What is wrong with me? Oder auf deutsch, was ist los mit mir - dass ich im albernsten Superheldenfilm, den ich je gesehen habe, unbegleitet im Kino sitzend, Tränen lache? 

Dabei habe ich gut die Hälfte der Anspielungen nicht mal verstanden. 
So ein Mumpitz! 
Ryan Reynolds ist ein exzellenter, knochentrockener Komiker mit präzisem Timing. 
So ein Kladeradatsch! 
Josh Brolin hat als Kable (Terminatorverschnitt) große Präsenz und minimale Mimik, wie schon als Thanos im letzten "Avenger"-Film. 
So ein Quatsch!
Wie normal es geworden ist, auch im Kino die vierte Wand zu durchbrechen, andere Filme verzerrt zu zitieren und selbst die eigene behauptete Spielebene zu unterlaufen. Der Schauspieler Ryan Reynolds gibt als Deadpool ein Autogramm als Ryan Reynolds. Die harten Wechsel zwischen Sentiment, Ironie und Brutalität sind schon zum üblichen Instrumentarium geworden. John Wayne, Gary Cooper, auch Batman und Consorten, kannten keinerlei Selbstironie. Heath Ledgers Joker hat vielleicht als Erster angefangen mit der eigenen Setzung als Bösewicht herumzuspielen. Friede seiner Asche.
Auf nichts und niemanden scheint mehr Verlass. Ich mag das jetzt gerade, weil es mich aufmerksam, auf dem Quivive hält, aber über kurz oder lang wird es mich sicherlich anöden, weil es kein Mitgefühl meinerseits ermöglicht.
Trumps populistische Irrenwirtschaft hat, denke ich, den überraschenden und angenehmen Nebeneffekt, dass Frauen und sogenannte Minoritäten aus reinem Trotz mehr Raum in Hollywood-Blockbustern geboten wird. Wenigstens etwas. "Black Panther" hatte mehrere eigenwillige weibliche Figuren und heute gab es eine schwarze Kickass-Nahkämpferin, ein entspanntes asiatisch-kaukasisches, lesbisches Pärchen mit Superpowern und jede Menge unverklemmter homoerotischer Sentenzen. Hier in Mitteleuropa mag das alles harmlos erscheinen, aber im puritanischen Amerika, wo mit diesen Filmen Geld verdient werden soll, ist das erstaunlich.

© 20th Century Fox

Sonntag, 19. August 2018

Merchant & Ivory - Maurice

Of their collaboration, Merchant once commented: "It is a strange marriage we have at Merchant Ivory... I am an Indian Muslim, Ruth is a German Jew, and Jim is a Protestant American. Someone once described us as a three-headed god. Maybe they should have called us a three-headed monster!
The Times, 26 May 2005
 
Über ihre Zusammenarbeit sagte Merchant einmal: "Es ist eine merkwürdige Ehe, die wir bei Merchant Ivory führen... Ich bin ein indischer Muslim, Ruth eine deutsche Jüdin und Jim ein protestantischer Amerikaner. Jemand hat und mal als dreiköpfigen Gott beschrieben. Vielleicht hätten sie uns dreiköpfiges Monster nennen sollen!"

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Eine Zeit lang in den späten Achtzigern waren Merchant Ivory Filme so etwas wie köstliche Film Pralinees, sie spielten in seltsam fernen Welten, in wunderschönen Settings und Kostümen, die von großartig spielenden Schauspielern getragen wurden. Doch immer wieder gab es Momente, wo plötzlich eine Angst, eine Verdrängung, ein unterdrückter Zorn, ein unausgelebtes Gefühl von der Leinwand direkt in Deinen Magen sprang.

In "Howards End" gibt es eine Szene in der Emma Thompson emotional wird, eine Todsünde im upperclass England des frühen 20. Jahrhunderts, Anthony Hopkins Figur bermerkt das aus dem Augenwinkel und verdeckt seine Sicht darauf, indem er seine Hand gegen die Schläfe legt. Solch existentielle Panik in so kleiner Bewegung.
In "Maurice" beobachtet der verliebte Jagdhelfer, wie das Objekt seiner Liebe gierig den Kopf in den Regen hält, und er lacht, beglückt und wild.
In "Call me by your name" verdreht sich der Körper des jungen Mannes, als er begreift, dass er zurückgeliebt wird in höchstem Glück und größter Verwirrung.

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"Maurice" wurde 1987 gedreht, auf dem ersten Höhepunkt der AIDS-Krise, und zeigt uns in zärtlichen, stilisierten Bildern die schwierigen Liebesgeschichten von drei Männern und der Film hat für zwei der Helden ein vorsichtiges Happy End, unerhört. 
E. M. Forster schrieb Maurice 1913 –14, und hat seinen Roman 1932 and 1959 –1960 überarbeitet, um dann die Veröffentlichung vor seinem Tod zu verbieten. 
Die Hauptfigur ist nicht leicht zu mögen, er ist kein Kämpfer, keiner mit klarer Sicht, er ist, jemand anders hat das präzise formuliert: "Maurice is radical only in his choice to pursue happiness - Maurice ist nur radikal, in seiner Entscheidung dafür sein Glück zu finden."
Am Ende umklammern sich die beiden Liebenden, die nicht wissen, wie sie überleben werden, innig und der Dritte im Bunde, der eine Frau geheiratet hat, um in Sicherheit zu sein, verriegelt sein Haus.


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Seitdem ich in "Black Panther" im Freilichtkino mit vielen meist schwarzen, braunen, nichtweißen begeisterten Zuschauern gesehen habe, geht mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, dass ich zu sehr daran gewöhnt bin, Filme mit "meinesgleichen" in fast allen Rollen zu sehen.