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Montag, 20. Juli 2015

Mein erstes Mal Bayreuth

Weia! Waga!
Woge, du Welle,
walle zur Wiege!
Wagala weia!
Wallala, weiala weia! 


Ein Tagesausflug

Freitagmorgen, sieben Uhr mit der S-Bahn zum ZOB, Zentralen Busbahnhof, natürlich mit Unterbrechung, nach Halensee geht es nur alle 20 Minuten, gut so, sonst würde ich gar nicht glauben können, dass ich mit der Berliner S-Bahn unterwegs bin. Dann meine erste Reise mit einem Überlandbus in Deutschland. Deutsche Bahn, du hast Konkurrenz, die ist genauso unzuverlässig wie du, nur billiger. Der Bus ist voll, der Bus ist heiß, das Wlan funktioniert nicht, aber der Bus kommt, zumindest auf der Hinreise, pünktlich in der Goethestrasse in Bayreuth an. 
Bayreuth ist voll, Bayreuth ist heiß, Bayreuth ist außerordentlich häßlich, und im Besitz von ungewöhnlich vielen Eisdielen. Die westdeutsche Provinz ist der ostdeutschen in einigen augenfälligen Dingen erstaunlich ähnlich, da die Bauwut der 50er, 60er und 70er Jahre, hie wie da, eine große Menge abgrundtief unansehnlicher Gebäude hervorgebracht hat, die, auch hellgelb oder grasgrün verputzt, ihre lieblose, pragmatische und betonvernarrte Herkunft nicht verleugnen können. Fahrt mal nach Senftenberg oder Schwedt!
Aber nun Bayreuth. Noch haben die WAGNERFESTSPIELE nicht begonnen und die Stadt wirkt relativ normal. Hie und da ein lila WAGNERFIGÜRCHEN mit dem Bild eines berühmten WAGNERSÄNGERS und selbstverständlich eine Häufung WAGNERAFFINER Strassennamen, nicht anders als es Weimar mit GOETHE/SCHILLER treibt. 
Um 17.00 Uhr bewege ich mich auf den heiligen Hügel zu, oben das Festspielhaus, hinauf führt eine begärtnerte Allee, direkt davor ein riesiges Blumenbeet, dass, wie ein Freund sagt, irritierend einem blumigen Davidstern ähnelt. Abbitte oder Fehlinterpretation? Das Publikum ist multinational und, da heute ja "nur" die Generalprobe des ersten Teiles der Tetralogie stattfinden wird, verwirrend bekleidet, zwischen Jeans und Abendrobe. Wobei die Roben, in Knallgelb, Glitzerblau und halterlosem Grasgrün mich ein bisschen an die Fensterdekorationen der zahlreichen Hochzeitsausstatter in Neukölln erinnert.
Das Haus selbst ist gerade im Zustand der Restauration, die Außenfassade ist eingekleidet, innen wirkt es verblüffend karg, viel Holz, griechische Säulen, minimale Ornamente. Es wurde in den Jahren 1872–75 von Otto Brückwald nach Entwürfen von Richard WAGNER im Stil der hellenistischen Romantik errichtet, sagt Wiki. Die Sitze sind das Unbequemste, was ich je die Ehre hatte zu besitzen. Ob WAGNER damit eine pädagogische Absicht verfolgte? Wenn mein Hintern schmerzt, bleibe ich wach und muß zuhören? Wer weiß. Auf jeden Fall mag ich es nicht. Aber die Akustik soll einmalig sein. 
Aber, ein aber ohne wenn und aber: Der Herr war begeisterter Antisemit, ein wesentliches Detail, dass ich nicht in der Lage und nicht willens bin zu ignorieren. In seiner Broschüre Das Judenthum in der Musik (1869) schrieb Richard WAGNER vom „natürlichen Widerwillen gegen jüdisches Wesen“ und „Der Jude ist nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge dieser Welt wirklich bereits mehr als emanzipiert: er herrscht, und wird solange herrschen, als das Geld die Macht bleibt, vor welcher alles unser Thun und Treiben seine Kraft verliert“. An die Juden gerichtet, schloss er mit den Worten: „Aber bedenkt, dass nur Eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche sein kann: die Erlösung Ahasvers, – der  Untergang!" 

"Rheingold" ist kurz, nur zwei und eine halbe Stunde ohne Pause, genug für mich als Neuling. Die Musik ist herrlich, aber, aber was? Aber, nichts als ABER. Frank Castorf unterläuft das Pathos oder vermeidet den Konflikt, je nach Sichtperspektive, durch die konsequente Inszenierung seines eigenen Filmes - True Detektive, David Lynch, The Walking Dead und Whateverthefuck I have seen on tv or in the movies in den letzten zehn Jahren, konglomerieren zu einem Sittengemälde (was für eine archaische Bezeichnung) unserer gewinnorientierten, emotional und erotisch gestörten Zeit. Und parallel, zeitgleich dirigiert Kirill Petrenko ganz wunderbar die Partitur, Er ist Jude, was deutsche Zeitungen auffällig häufig bemerken, und wird, so höre ich, durch den, auf mich, deutschnational und sehr konservativ wirkenden Herrn Christian Thielemann allzubald von diesem Pult entfernt werden.


Ich höre/sehe eine Geschichte über Geschäfte. Walhalla wird gebaut ohne die notwendige finanzielle Sicherung und ob es nun Rheingold heißt oder Raubgold, es, das Gold, muß herbeigeschafft werden. Castorfs Methode des Unterlaufens von verlogenen übergroßen Emotionen war mir beim Zugucken/Zuhören sehr hilfreich. Heißt der Kerl Lehmann Brothers oder Wotan, was macht den Unterschied?
Nun ist es Nacht in Bayreuth, mein Bus fährt, laut Fahrplan, um 1.30 Uhr, und wird sich um 35 Minuten verspäten, sagt die freundliche Email von Flixbus. Ich sitze um 2.00 Uhr allein in der Goethestrasse, kein Bus, keine Auskunft, da überlastet, mein Ipad zeigt eine englische Krimiserie, es ist dunkel, es ist sehr einsam. Es ist eine Stunde nach der erwarteten Ankunftszeit - nichts - eine viertel Stunde später, noch bin ich nicht hysterisch - der Bus kommt - ich steige ein. Eine Stunde später wird eine sehr höfliche deutsche Polizei elf Passagiere aus dem Bus entfernen, sie haben keinen Pass, sie sind Flüchtlinge, sie sind verboten. Wird die Polizei so höflich bleiben, wenn keine Zuhörer da sind? Vier aus Syrien und die anderen aus Eritrea. Was für Not muß mich erdrücken, bevor ich mich und meine Kinder auf solch eine Reise begebe? 
 Wagner war verstörend, aber der Anblick von sehr müden Kindern um 3 Uhr nachts auf einer deutschen Tankstelle, die nicht wissen, wo sie schlafen werden, war verstörender. Ich hatte danach zwei freie Sitze zum Schlafen.

 

Samstag, 2. Mai 2015

SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL LA GRANDE JATTE


    GEORGES SEURAT
    SONNTAGNACHMITTAG AUF DER INSEL

      LA GRANDE JATTE


      Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte 
      1884-1886 Art Institute of Chicago





Des kleinen Mannes höllisches Utopia


Der Kunstkritiker Jules Christophe schrieb 1890 in der Seurat gewidmeten Nummer 368 der Zeitschrift Les Hommes d'aujourd'hui  
(Die Menschen von heute) in einem von Seurat persönlich mitgestalteten Artikel:

„An einem Nachmittag unter flimmerndem Sommerhimmel sehen wir die 
 glitzernde Seine, elegante Villen am gegenüberliegenden Ufer, kleine, 
auf dem Fluß dahingleitende Dampfschiffe, Segelboote und ein Ruderboot. 
Unter den Bäumen, ganz in unserer Nähe, gehen Leute spazieren, andere sitzen 
oder liegen faul im bläulichen Gras. Einige angeln. Wir sehen junge Mädchen, ein Kinderfräulein, eine alte Großmutter unter einem Sonnenschirm, die aussieht 
wie Dante, einen Bootsmann, der faul hingestreckt seine Pfeife raucht und dessen Hosenbeine von der hellen Sonne regelrecht verschlungen werden. 
Ein dunkelvioletter Hund schnuppert am Gras, ein roter Schmetterling fliegt umher, 
eine junge Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter spazieren, die ganz in 
Weiß gekleidet ist und eine lachsfarbene Schärpe trägt. Nahe dem Wasser 
stehen zwei Kadetten der Militärschule Saint-Cyr. Ein junges Mädchen bindet 
einen Strauß; ein Kind mit rotem Haar und blauem Kleid sitzt im Gras. 
Wir sehen ein Ehepaar mit seinem Baby und ganz rechts das hieratische, aufsehenerregende Paar, einen jungen Geck mit seiner eleganten Begleiterin 
am Arm, die einen purpur-ultramarinfarbenen Affen an der Leine führt.“


Ernst Bloch in "Das Prizip Hoffnung":
Dieses Bild ist ein einziges Mosaik der Langeweile, eine meisterhafte Darstellung 
der enttäuschten Hoffnung des süßen faulen Lebens ... 
Das Gemälde zeigt einen Mittelstands-Sonntag-Morgen auf einer Insel 
in der Seine bei Paris ... der, trotz der Erholung, die hier stattfindet, 
eher zum Hades gehört als zu einem Sonntag ... 
Das Ergebnis ist endlose Langeweile, des kleinen Mannes höllisches Utopia, 
den Sabbath zu umgehen und doch an ihm festzuhalten; 
sein Sonntag wird zu einem lästigen Muss, statt einer kurzen Kostprobe des Paradieses.

This picture is one single mosaic of boredom, a masterful rendering of the disappointed longing 
and the incongruities of a dolce far niente ... The painting depicts a middle-class Sunday morning 
on an island in the Seine near Paris…despite the recreation going on there, seems to belong more to 
Hades than to a Sunday…The result is endless boredom, the little man's hellish utopia of skirting 
the Sabbath and holding onto it too; his Sunday succeeds only as a bothersome must, not as a 
brief taste of the Promised Land.


Sonntag im Park mit George
(Sunday in the Park with George)


Sunday, by the blue purple yellow red water
On the green purple yellow red grass
Let us pass through our perfect park
Pausing on a Sunday

By the cool blue triangular water
On the soft green elliptical grass
As we pass through arrangements of shadow
Toward the verticals of trees
Forever

By the blue purple yellow red water
On the green orange violet mass of the grass
In our perfect park

Made of flecks of light
And dark
And parasols
Bum bum bum bum bum bum
Bum bum bum

People strolling through the trees
Of a small suburban park
On an island in the river
On and ordinary Sunday
Sunday
Sunday

Stephen Sondheim 
Das Buch stammt von James Lapine 



Anderes Lied aus demselben Musical, es singt Bernadette Peters!

    Im Paradies der Kleinbürger sind alle Menschen Fremde


Als "Mosaik von Langeweile" beschrieb der Philosoph Ernst Bloch das Bild. Der 1977 gestorbene Marxist sah nur "Sonntagselend" und "Landschaft des gemalten Selbstmordes" auf dem Gemälde "Grande Jatte" von Georges Seurat ( 1859 bis 1891 ).

Für den Kunstkriker Felix Feneon dagegen, einen Zeitgenossen des Malers, war es ein heiteres Werk: "Eine sonntägliche zusammengewürfelte Menge", erblickte er auf der Leinwand, "die sich im Freien vergnügt, unter einem hochsommerlichen Himmel." Feneon bewunderte die zwischen 1884 und 1886 gemalte "Grande Jatte"; in seinen Artikeln warb er für Seurat und seinen "neuen Weg, die Wirklichkeit zu entschlüsseln" _ aufgerastert nämlich in unzählige, winzige Lichtpunkte; Das Bild dokumentiert die Erfindung des Pointillismus. Das Publikum folgte dem Kritiker nicht, das Bild blieb im Besitz des Malers bis zu dessen frühem Tod 1891 " "So gerne", notierte der Maler Paul Signac in seinem Tagebuch, hätte Seurats Mutter "die großen Werke ihres Sohnes den Museen vermacht, doch welches Museum wäre heute bereit, sie anzunehmen?" Neun Jahre nach Seurats Tod veranstalteten Signac und seine Freunde im Auftrag der Familie eine Verkaufsschau. Ungerahmt kosteten Seurats Zeichnungen zehn Franc, mit Rahmen 100. Die "Grande Jatte" ging tür 800 Franc an einen Pariser Großbürger. 1911 weigerte sich der Vorstand des Metropolitan Museum in New York, den Ankauf zu bewilligen; mehr Kunstsinn und Mut bewies 1924 der reiche Frederic Clay Bartlett aus Chicago: In Paris erstand er das Gemälde für 20000 Dollar. Kurz danach stiftete er es dem Art Institute of Chicago, wo es als Schlüsselwerk der europäischen Moderne gehütet wird. 1931 bot ein französisches Konsortium 400000 Dollar, um es zurückzukaufen. Vergeblich. Die Leinwand mißt 207 mal 308 Zentimeter und paßte nur knapp in das Atelier des 25 Jahre alten Malers. Ein Kollege beschrieb ihn als "unendlich hartnäckig", er sei "von einer Energie, die nicht minder extrem ist als seine Schüchternheit". Künstlerische Experimente konnte sich der 1859 geborene Seurat leisten; Sein Vater, ein durch Grundstücksspekulation reich gewordener Gerichtsbeamter, unterstützte ihn großzügig. Die Kunstakademie hatte er schon mit 21 verlassen, er wollte keines der üblichen Historienbilder malen, auch keine Nixen und Nymphen _ er verzichtete auf eine der üblichen Künstlerkarrieren. Bei der vierten Impressionisten-Ausstellung 1879 habe er einen "tiefen, unerwarteten Schock" erlitten, schreibt der Ausstellungsmacher Robert L. Herbert im Katalog der Seurat-Retrospektive 1991 im Pariser Grand Palais. Danach arbeitete der Künstler allein, zeichnete mit dem fetten, schwarzen Conte-Stift Porträts und Figuren von einfachen Leuten, malte kleinformatige Landschaften und ging, wie die Impressionisten, ins Freie, besonders gern ans Wasser. Das Licht einzufangen wurde Seurat wichtig, und nirgends sprach es ihn so an wie an der Seine in Asnieres, einem Vorort im Nordwesten von Paris. "Die Badenden, Asnieres" heißt sein erstes großformatiges Gemälde, das 1884 vom offiziellen Salon zurückgewiesen wurde, dafür aber bei der Ausstellung der "Unabhängigen Künstler" auffiel. Es zeigt badende Männer und )ungen am Ufer der Seine, sie blicken hinüber zu einer nahen Insel im Fluß: Es ist die Grande Jatte, der Schauplatz seines nächsten Werkes. Die Impressionisten, bestrebt, den Augenblick einzufangen, malten meist spontan in der Matur. Seurat dagegen bereitete sein Gemälde sorgfältig vor. An Ort und Stelle fixierte er aufvielen Holztäfelchen das Ufer, Rasen und Bäume, teilweise ohne Menschen. Die zeichnete er parallel dazu in unterschiedlichen Positionen als Studien in Schwarzweiß, Im Atelier fügte er beides zusammen. Etwa 40 Figuren, so beschreibt Feneon die Menschen auf dem Bild, "steif dasitzend, horizontal ausgestreckt, kerzengerade aufgerichtet". Zeitgenossen sprachen gar von einer "pharaonischen Prozession", und Seurat selbst bezeichnet den Tempelfries des griechischen Bildhauers Phidias als Vorbild: "Die Panathenäen des Phidias bildeten eine Prozession. Ich möchte moderne Menschen darstellen, die sich wie aufdiesem Fries ergehen, in ihrem Wesentlichen erfaßt." Als modernes Arkadien zeigt Seurat die Insel in der Vorstadt: Weder Flaschen noch Picknickkörbe sind auf dem gepflegten Rasen zu sehen. Unsichtbar bleiben auch die Restaurants, Cafes, Bootswerften und Wohnhäuser, die Anfang der achtziger Jahre bereits zwei Drittel der Inselfläche bedeckten. Die Besucher, Seurats "moderne Menschen", ergehen sich gesittet oder lagern im Schatten. Keiner badet, niemand hat sich seiner Kleidung entledigt. Feneon nennt sie eine "zusammengewürfelte" Gesellschaft, und wirklich trafen sich damals auf der schmalen Landzunge in der Seine Angehörige verschiedener sozialer Schichten - für den heutigen Betrachter ist jedoch schwer zu erkennen, ob der hingestreckte Mann mit Mütze und Pfeife ein Arbeiter aus dem nahen Industrie-Vorort Clichy ist oder ein Wassersportler aus Paris im zünftigen Outfit. Für die Bürger der Hauptstadt war Asnieres, von wo eine Fähre zur Grande Jatte übersetzte, dank der neuen Eisenbahnlinie bequem und schnell zu erreichen. Doch Technik und Fortschritt ver-änderten die idyllischen Erholungszentren, überzogen sie mit Fabriken und Billigquartieren für Arbeitskräfte _ sie wurden zum Eldorado für Spekulanten wie Seurats Vater. Auch das ländliche Asnieres hatte in den letzten Jahren seine Bevölkerung verdoppelt und sich zur Schlafstadt für Kleinbürger entwickelt _ jene aufstrebende Schicht, die von der Regierung der Dritten Republik als sozialer Stabilitätsfaktor gefördert wurde. So dürfte denn die Grande Jatte am Sonntag vorwiegend von kleinen Kaufleuten, Verkäuferinnen, Angestellten und Beamten samt ihren Familien besucht worden sein. Im Hintergrund des Bildes sind zwei Soldaten zu erkennen und - am weißen Umhang und an der Haube mit den langen Bändern - eine Krankenschwester in Rückenansicht, neben der alten Frau unter dem Schirm. Alle anderen haben ihre Berufskleidung mit dem Sonntagsstaat vertauscht. Die Frauen auf dem Bild sind ins enge Korsett geschnürt, die meisten tragen den modischen, die weiblichen Formen betonenden "cul de Paris" unter dem weiten Rock und den Hut, ohne den _ und ohne männliche Begleitung _ sich keine ehrbare Frau in der Öffentlichkeit zeigte. Vielen hat das Bild Rätsel aufgegeben: Sollten die zwei Mädchen zu Füßen des Trompeters leichte Beute für die herannahenden Soldaten darstellen? Sollte die Anglerin nach einem Mann fischen? Immerhin klingen die französischen Wörter für "fischen" (pecher) und "sündigen" (pecher) fast gleich. Und signalisieren Hund und Affe, von der Dame im Vordergrund an der Leine geführt, nur modische Extravaganz oder (nach traditioneller Symbolik) niedere Wollust? Der Begleiter dieser Dame trägt Zylinder, Stock und Monokel, typische Attribute des Großbürgers, der für gewöhnlich im Bois de Boulogne promenierte, einem Ort, der im Unterschied zur Grande Jatte nicht als gemischt, sondern als exklusiv galt. Dorthin gehörte der "wohlbekannte Pariser Herr aus den besten Kreisen", dessen Gattin - so berichtet das Journal "Autour de Paris" 1887 - einen Skandal machte, als sie herausfand, daß er mit ihrem Kammermädchen den Sonntag auf der Grande Jatte verbracht hatte. Doch Seurat erzählt keine Anekdoten, seine Protagonisten haben weder Gesicht noch Körpersprache, weder eigene Geschichte noch Individualität. Die "modernen Menschen", die er "in ihrem Wesentlichen erfassen" wollte, hat er auf typische Attribute wie Zylinderhut, Stöckchen oder Korsett reduziert - sie sind Zeichen in seinem Fries. Der Schlüssel zur Moral der Arbeiterklasse liegt in einem sonntäglichen Ruhetag", lautete 1874 das Fazit eines von der Academie des Sciences Morales et Politiques preisgekrönten Textes. Statt unter sich zu bleiben wie die Männer auf Seurats "Die Badenden, Asnieres", sollten die Arbeiter den Sonntag mit ihren Familien verbringen. So empfahl es auch die Regierung der Dritten Republik: Proletarier sollten Kneipen und Protestversammlungen meiden und durch bürgerliche Verhaltensweisen Ordnung und Stabilität sichern. Zwar war ein arbeitsfreier Tag in der Woche üblich, aber nicht durch Gesetze garantiert - die gab es erst 1892 für Frauen und Kinder und 1906 für Männer. Besonders in den achtziger Jahren wurde leidenschaftlich darüber debattiert: Seurats Thema war aktuell. Ob die Arbeiter oder Kleinbürger mit dem ihnen verordneten "bürgerlichen Familiensonntag" viel anfangen konnten, ist fraglich; es gibt wenig Männer auf Seurats Grande Jatte. "Lauter glückloses Nichtstun" sieht Ernst Bloch darauf, "Puppen, intensiv mit starrem Lustwandel beschäftigt". In den Augen des Marxisten kündet Seurats Bild vor allem von der Malaise der Arbeiter und Kleinbürger, von der Entfremdung in der industriellen Gesellschaft.

Auszug eines Artikels in art, das Kunstmagazin:

 

Donnerstag, 23. April 2015

HEINRICH VON KLEIST - DIE HEILIGE CÄCILIE ODER DIE MACHT DER MUSIK



Martha Argerich



HEINRICH VON KLEIST

DIE HEILIGE CÄCILIE ODER DIE MACHT DER MUSIK

Um das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als die Bilderstürmerei in den Niederlanden wütete, trafen drei Brüder, junge in Wittenberg studierende Leute, mit einem vierten, der in Antwerpen als Prädikant angestellt war, in der Stadt Aachen zusammen. Sie wollten daselbst eine Erbschaft erheben, die ihnen von Seiten eines alten, ihnen allen unbekannten Oheims zugefallen war, und kehrten, weil niemand in dem Ort war, an den sie sich hätten wenden können, in einem Gasthof ein. Nach Verlauf einiger Tage, die sie damit zugebracht hatten, den Prädikanten über die merkwürdigen Auftritte, die in den Niederlanden vorgefallen waren, anzuhören, traf es sich, daß von den Nonnen im Kloster der heiligen Cäcilie, das damals vor den Toren dieser Stadt lag, der Fronleichnamstag festlich begangen werden sollte; dergestalt, daß die vier Brüder, von Schwärmerei, Jugend und dem Beispiel der Niederländer erhitzt, beschlossen, auch der Stadt Aachen das Schauspiel einer Bilderstürmerei zu geben. Der Prädikant, der dergleichen Unternehmungen mehr als einmal schon geleitet hatte, versammelte, am Abend zuvor, eine Anzahl junger, der neuen Lehre ergebener Kaufmannssöhne und Studenten, welche, in dem Gasthofe, bei Wein und Speisen, unter Verwünschungen des Papsttums, die Nacht zubrachten; und, da der Tag über die Zinnen der Stadt aufgegangen, versahen sie sich mit Äxten und Zerstörungswerkzeugen aller Art, um ihr ausgelassenes Geschäft zu beginnen. Sie verabredeten frohlockend ein Zeichen, auf welches sie damit anfangen wollten, die Fensterscheiben, mit biblischen Geschichten bemalt, einzuwerfen; und eines großen Anhangs, den sie unter dem Volk finden würden, gewiß, verfügten sie sich, entschlossen keinen Stein auf dem andern zu lassen, in der Stunde, da die Glocken läuteten, in den Dom. Die Äbtissin, die, schon beim Anbruch des Tages, durch einen Freund von der Gefahr, in welcher das Kloster schwebte, benachrichtigt worden war, schickte vergebens, zu wiederholten Malen, zu dem kaiserlichen Offizier, der in der Stadt kommandierte, und bat sich, zum Schutz des Klosters, eine Wache aus; der Offizier, der selbst ein Feind des Papsttums, und als solcher, wenigstens unter der Hand, der neuen Lehre zugetan war, wußte ihr unter dem staatsklugen Vorgeben, daß sie Geister sähe, und für ihr Kloster auch nicht der Schatten einer Gefahr vorhanden sei, die Wache zu verweigern. Inzwischen brach die Stunde an, da die Feierlichkeiten beginnen sollten, und die Nonnen schickten sich, unter Angst und Beten, und jammervoller Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, zur Messe an. Niemand beschützte sie, als ein alter, siebenzigjähriger Klostervogt, der sich, mit einigen bewaffneten Troßknechten, am Eingang der Kirche aufstellte. In den Nonnenklöstern führen, auf das Spiel jeder Art der Instrumente geübt, die Nonnen, wie bekannt, ihre Musiken selber auf; oft mit einer Präzision, einem Verstand und einer Empfindung, die man in männlichen Orchestern (vielleicht wegen der weiblichen Geschlechtsart dieser geheimnisvollen Kunst) vermißt. Nun fügte es sich, zur Verdoppelung der Bedrängnis, daß die Kapellmeisterin, Schwester Antonia, welche die Musik auf dem Orchester zu dirigieren pflegte, wenige Tage zuvor, an einem Nervenfieber heftig erkrankte; dergestalt, daß abgesehen von den vier gotteslästerlichen Brüdern, die man bereits, in Mänteln gehüllt, unter den Pfeilern der Kirche erblickte, das Kloster auch, wegen Aufführung eines schicklichen Musikwerks, in der lebhaftesten Verlegenheit war. Die Äbtissin, die am Abend des vorhergehenden Tages befohlen hatte, daß eine uralte von einem unbekannten Meister herrührende, italienische Messe aufgeführt werden möchte, mit welcher die Kapelle mehrmals schon, einer besondern Heiligkeit und Herrlichkeit wegen, mit welcher sie gedichtet war, die größesten Wirkungen hervorgebracht hatte, schickte, mehr als jemals auf ihren Willen beharrend, noch einmal zur Schwester Antonia herab, um zu hören, wie sich dieselbe befinde; die Nonne aber, die dies Geschäft übernahm, kam mit der Nachricht zurück, daß die Schwester in gänzlich bewußtlosem Zustande daniederliege, und daß an ihre Direktionsführung, bei der vorhabenden Musik, auf keine Weise zu denken sei. Inzwischen waren in dem Dom, in welchem sich nach und nach mehr denn hundert, mit Beilen und Brechstangen versehene Frevler, von allen Ständen und Altern, eingefunden hatten, bereits die bedenklichsten Auftritte vorgefallen; man hatte einige Troßknechte, die an den Portälen standen, auf die unanständigste Weise geneckt, und sich die frechsten und unverschämtesten Äußerungen gegen die Nonnen erlaubt, die sich hin und wieder, in frommen Geschäften, einzeln in den Hallen blicken ließen: dergestalt, daß der Klostervogt sich in die Sakristei verfügte, und die Äbtissin auf Knieen beschwor, das Fest einzustellen und sich in die Stadt, unter den Schutz des Kommandanten zu begeben. Aber die Äbtissin bestand unerschütterlich darauf, daß das zur Ehre des höchsten Gottes angeordnete Fest begangen werden müsse; sie erinnerte den Klostervogt an seine Pflicht, die Messe und den feierlichen Umgang, der in dem Dom gehalten werden würde, mit Leib und Leben zu beschirmen; und befahl, weil eben die Glocke schlug, den Nonnen, die sie, unter Zittern und Beben umringten, ein Oratorium, gleichviel welches und von welchem Wert es sei, zu nehmen, und mit dessen Aufführung sofort den Anfang zu machen.
Cameron Carpenter 
@ Susanne Pfaller



Eben schickten sich die Nonnen auf dem Altan der Orgel dazu an; die Partitur eines Musikwerks, das man schon häufig gegeben hatte, ward verteilt, Geigen, Hoboen und Bässe geprüft und gestimmt: als Schwester Antonia plötzlich, frisch und gesund, ein wenig bleich im Gesicht, von der Treppe her erschien; sie trug die Partitur der uralten, italienischen Messe, auf deren Aufführung die Äbtissin so dringend bestanden hatte, unter dem Arm. Auf die erstaunte Frage der Nonnen. »wo sie herkomme? und wie sie sich plötzlich so erholt habe?« antwortete sie: gleichviel, Freundinnen, gleichviel! verteilte die Partitur, die sie bei sich trug, und setzte sich selbst, von Begeisterung glühend, an die Orgel, um die Direktion des vortrefflichen Musikstücks zu übernehmen. Demnach kam es, wie ein wunderbarer, himmlischer Trost, in die Herzen der frommen Frauen; sie stellten sich augenblicklich mit ihren Instrumenten an die Pulte; die Beklemmung selbst, in der sie sich befanden, kam hinzu, um ihre Seelen, wie auf Schwingen, durch alle Himmel des Wohlklangs zu führen; das Oratorium ward mit der höchsten und herrlichsten musikalischen Pracht ausgeführt; es regte sich, während der ganzen Darstellung, kein Odem in den Hallen und Bänken; besonders bei dem salve regina und noch mehr bei dem gloria in excelsis, war es, als ob die ganze Bevölkerung der Kirche tot sei: dergestalt, daß den vier gottverdammten Brüdern und ihrem Anhang zum Trotz, auch der Staub auf dem Estrich nicht verweht ward, und das Kloster noch bis an den Schluß des dreißigjährigen Krieges bestanden hat, wo man es, vermöge eines Artikels im westfälischen Frieden, gleichwohl säkularisierte.
Sechs Jahre darauf, da diese Begebenheit längst vergessen war, kam die Mutter dieser vier Jünglinge aus dem Haag an, und stellte, unter dem betrübten Vorgeben, daß dieselben gänzlich verschollen wären, bei dem Magistrat zu Aachen, wegen der Straße, die sie von hier aus genommen haben mochten, gerichtliche Untersuchungen an. Die letzten Nachrichten, die man von ihnen in den Niederlanden, wo sie eigentlich zu Hause gehörten, gehabt hatte, waren, wie sie meldete, ein vor dem angegebenen Zeitraum, am Vorabend eines Fronleichnamsfestes, geschriebener Brief des Prädikanten, an seinen Freund, einen Schullehrer in Antwerpen, worin er demselben, mit vieler Heiterkeit oder vielmehr Ausgelassenheit, von einer gegen das Kloster der heiligen Cäcilie entworfenen Unternehmung, über welche sich die Mutter jedoch nicht näher auslassen wollte, auf vier dichtgedrängten Seiten vorläufige Anzeige machte. Nach mancherlei vergeblichen Bemühungen, die Personen, welche diese bekümmerte Frau suchte, auszumitteln, erinnerte man sich endlich, daß sich schon seit einer Reihe von Jahren, welche ohngefähr auf die Angabe paßte, vier junge Leute, deren Vaterland und Herkunft unbekannt sei, in dem durch des Kaisers Vorsorge unlängst gestifteten Irrenhause der Stadt befanden. Da dieselben jedoch an der Ausschweifung einer religiösen Idee krank lagen, und ihre Aufführung, wie das Gericht dunkel gehört zu haben meinte, äußerst trübselig und melancholisch war; so paßte dies so wenig auf den, der Mutter nur leider zu bekannten Gemütsstand ihrer Söhne, als daß sie auf diese Anzeige, besonders da es fast herauskam, als ob die Leute katholisch wären, viel hätte geben sollen. Gleichwohl, durch mancherlei Kennzeichen, womit man sie beschrieb, seltsam getroffen, begab sie sich eines Tages, in Begleitung eines Gerichtsboten, in das Irrenhaus, und bat die Vorsteher um die Gefälligkeit, ihr zu den vier unglücklichen, sinnverwirrten Männern, die man daselbst aufbewahre, einen prüfenden Zutritt zu gestatten. Aber wer beschreibt das Entsetzen der armen Frau, als sie gleich auf den ersten Blick, so wie sie in die Tür trat, ihre Söhne erkannte: sie saßen, in langen, schwarzen Talaren, um einen Tisch, auf welchem ein Kruzifix stand, und schienen, mit gefalteten Händen schweigend auf die Platte gestützt, dasselbe anzubeten. Auf die Frage der Frau, die ihrer Kräfte beraubt, auf einen Stuhl niedergesunken war: was sie daselbst machten? antworteten ihr die Vorsteher: »daß sie bloß in der Verherrlichung des Heilands begriffen wären, von dem sie, nach ihrem Vorgeben, besser als andre, einzusehen glaubten, daß er der wahrhaftige Sohn des alleinigen Gottes sei.« Sie setzten hinzu: »daß die Jünglinge, seit nun schon sechs Jahren, dies geisterartige Leben führten; daß sie wenig schliefen und wenig genössen; daß kein Laut über ihre Lippen käme; daß sie sich bloß in der Stunde der Mitternacht einmal von ihren Sitzen erhöben; und daß sie alsdann, mit einer Stimme, welche die Fenster des Hauses bersten machte, das gloria in excelsis intonierten.« Die Vorsteher schlossen mit der Versicherung: daß die jungen Männer dabei körperlich vollkommen gesund wären; daß man ihnen sogar eine gewisse, obschon sehr ernste und feierliche, Heiterkeit nicht absprechen könnte; daß sie, wenn man sie für verrückt erklärte, mitleidig die Achseln zuckten, und daß sie schon mehr als einmal geäußert hätten: »wenn die gute Stadt Aachen wüßte, was sie, so würde dieselbe ihre Geschäfte bei Seite legen, und sich gleichfalls, zur Absingung des gloria, um das Kruzifix des Herrn niederlassen.«
Die Frau, die den schauderhaften Anblick dieser Unglücklichen nicht ertragen konnte und sich bald darauf, auf wankenden Knieen, wieder hatte zu Hause führen lassen, begab sich, um über die Veranlassung dieser ungeheuren Begebenheit Auskunft zu erhalten, am Morgen des folgenden Tages, zu Herrn Veit Gotthelf, berühmten Tuchhändler der Stadt; denn dieses Mannes erwähnte der von dem Prädikanten geschriebene Brief, und es ging daraus hervor, daß derselbe an dem Projekt, das Kloster der heiligen Cäcilie am Tage des Fronleichnamsfestes zu zerstören, eifrigen Anteil genommen habe. Veit Gotthelf, der Tuchhändler, der sich inzwischen verheiratet, mehrere Kinder gezeugt, und die beträchtliche Handlung seines Vaters übernommen hatte, empfing die Fremde sehr liebreich: und da er erfuhr, welch ein Anliegen sie zu ihm führe, so verriegelte er die Tür, und ließ sich, nachdem er sie auf einen Stuhl niedergenötigt hatte, folgendermaßen vernehmen: »Meine liebe Frau! Wenn Ihr mich, der mit Euren Söhnen vor sechs Jahren in genauer Verbindung gestanden, in keine Untersuchung deshalb verwickeln wollt, so will ich Euch offenherzig und ohne Rückhalt gestehen: ja, wir haben den Vorsatz gehabt, dessen der Brief erwähnt! Wodurch diese Tat, zu deren Ausführung alles, auf das Genaueste, mit wahrhaft gottlosem Scharfsinn, angeordnet war, gescheitert ist, ist mir unbegreiflich; der Himmel selbst scheint das Kloster der frommen Frauen in seinen heiligen Schutz genommen zu haben. Denn wißt, daß sich Eure Söhne bereits, zur Einleitung entscheidenderer Auftritte, mehrere mutwillige, den Gottesdienst störende Possen erlaubt hatten: mehr denn dreihundert, mit Beilen und Pechkränzen versehene Bösewichter, aus den Mauern unserer damals irregeleiteten Stadt, erwarteten nichts als das Zeichen, das der Prädikant geben sollte, um den Dom der Erde gleich zu machen. Dagegen, bei Anhebung der Musik, nehmen Eure Söhne plötzlich, in gleichzeitiger Bewegung, und auf eine uns auffallende Weise, die Hüte ab, sie legen, nach und nach, wie in tiefer unaussprechlicher Rührung, die Hände vor ihr herabgebeugtes Gesicht, und der Prädikant, indem er sich, nach einer erschütternden Pause, plötzlich umwendet, ruft uns allen mit lauter fürchterlicher Stimme zu: gleichfalls unsere Häupter zu entblößen! Vergebens fordern ihn einige Genossen flüsternd, indem sie ihn mit ihren Armen leichtfertig anstoßen, auf, das zur Bilderstürmerei verabredete Zeichen zu geben: der Prädikant, statt zu antworten, läßt sich, mit kreuzweis auf die Brust gelegten Händen, auf Knieen nieder und murmelt, samt den Brüdern, die Stirn inbrünstig in den Staub herab gedrückt, die ganze Reihe noch kurz vorher von ihm verspotteter Gebete ab. Durch diesen Anblick tief im Innersten verwirrt, steht der Haufen der jämmerlichen Schwärmer, seiner Anführer beraubt, in Unschlüssigkeit und Untätigkeit, bis an den Schluß des, vom Altan wunderbar herabrauschenden Oratoriums da; und da, auf Befehl des Kommandanten, in eben diesem Augenblick mehrere Arretierungen verfügt, und einige Frevler, die sich Unordnungen erlaubt hatten, von einer Wache aufgegriffen und abgeführt wurden, so bleibt der elenden Schar nichts übrig, als sich schleunigst, unter dem Schutz der gedrängt aufbrechenden Volksmenge, aus dem Gotteshause zu entfernen. Am Abend, da ich in dem Gasthofe vergebens mehrere Mal nach Euren Söhnen, welche nicht wiedergekehrt waren, gefragt hatte, gehe ich, in der entsetzlichsten Unruhe, mit einigen Freunden wieder nach dem Kloster hinaus, um mich bei den Türstehern, welche der kaiserlichen Wache hilfreich an die Hand gegangen waren, nach ihnen zu erkundigen. Aber wie schildere ich Euch mein Entsetzen, edle Frau, da ich diese vier Männer nach wie vor, mit gefalteten Händen, den Boden mit Brust und Scheiteln küssend, als ob sie zu Stein erstarrt wären, heißer Inbrunst voll vor dem Altar der Kirche daniedergestreckt liegen sehe! Umsonst forderte sie der Klostervogt, der in eben diesem Augenblick herbeikommt, indem er sie am Mantel zupft und an den Armen rüttelt, auf, den Dom, in welchem es schon ganz finster werde, und kein Mensch mehr gegenwärtig sei, zu verlassen: sie hören, auf träumerische Weise halb aufstehend, nicht eher auf ihn, als bis er sie durch seine Knechte unter den Arm nehmen, und vor das Portal hinaus führen läßt: wo sie uns endlich, obschon unter Seufzern und häufigem herzzerreißenden Umsehen nach der Kathedrale, die hinter uns im Glanz der Sonne prächtig funkelte, nach der Stadt folgen. Die Freunde und ich, wir fragen sie, zu wiederholten Malen, zärtlich und liebreich auf dem Rückwege, was ihnen in aller Welt Schreckliches, fähig, ihr innerstes Gemüt dergestalt umzukehren, zugestoßen sei; sie drücken uns, indem sie uns freundlich ansehen, die Hände, schauen gedankenvoll auf den Boden nieder und wischen sich – ach! von Zeit zu Zeit, mit einem Ausdruck, der mir noch jetzt das Herz spaltet, die Tränen aus den Augen. Drauf, in ihre Wohnungen angekommen, binden sie sich ein Kreuz, sinnreich und zierlich von Birkenreisern zusammen, und setzen es, einem kleinen Hügel von Wachs eingedrückt, zwischen zwei Lichtern, womit die Magd erscheint, auf dem großen Tisch in des Zimmers Mitte nieder, und während die Freunde, deren Schar sich von Stunde zu Stunde vergrößert, händeringend zur Seite stehen, und in zerstreuten Gruppen, sprachlos vor Jammer, ihrem stillen, gespensterartigen Treiben zusehen: lassen sie sich, gleich als ob ihre Sinne vor jeder andern Erscheinung verschlossen wären, um den Tisch nieder, und schicken sich still, mit gefalteten Händen, zur Anbetung an. Weder des Essens begehren sie, das ihnen, zur Bewirtung der Genossen, ihrem am Morgen gegebenen Befehl gemäß, die Magd bringt, noch späterhin, da die Nacht sinkt, des Lagers, das sie ihnen, weil sie müde scheinen, im Nebengemach aufgestapelt hat; die Freunde, um die Entrüstung des Wirts, den diese Aufführung befremdet, nicht zu reizen, müssen sich an einen, zur Seite üppig gedeckten Tisch niederlassen, und die, für eine zahlreiche Gesellschaft zubereiteten Speisen, mit dem Salz ihrer bitterlichen Tränen gebeizt, einnehmen. Jetzt plötzlich schlägt die Stunde der Mitternacht; Eure vier Söhne, nachdem sie einen Augenblick gegen den dumpfen Klang der Glocke aufgehorcht, heben sich plötzlich in gleichzeitiger Bewegung, von ihren Sitzen empor; und während wir, mit niedergelegten Tischtüchern, zu ihnen hinüberschauen, ängstlicher Erwartung voll, was auf so seltsames und befremdendes Beginnen erfolgen werde: fangen sie, mit einer entsetzlichen und gräßlichen Stimme, das gloria in excelsis zu intonieren an. So mögen sich Leoparden und Wölfe anhören lassen, wenn sie zur eisigen Winterzeit, das Firmament anbrüllen: die Pfeiler des Hauses, versichere ich Euch, erschütterten, und die Fenster, von ihrer Lungen sichtbarem Atem getroffen, drohten klirrend, als ob man Hände voll schweren Sandes gegen ihre Flächen würfe, zusammen zu brechen. Bei diesem grausenhaften Auftritt stürzen wir besinnungslos, mit sträubenden Haaren auseinander; wir zerstreuen uns, Mäntel und Hüte zurücklassend, durch die umliegenden Straßen, welche in kurzer Zeit, statt unsrer, von mehr denn hundert, aus dem Schlaf geschreckter Menschen, angefüllt waren; das Volk drängt sich, die Haustüre sprengend, über die Stiege dem Saale zu, um die Quelle dieses schauderhaften und empörenden Gebrülls, das, wie von den Lippen ewig verdammter Sünder, aus dem tiefsten Grund der flammenvollen Hölle, jammervoll um Erbarmung zu Gottes Ohren heraufdrang, aufzusuchen. Endlich, mit dem Schlage der Glocke Eins, ohne auf das Zürnen des Wirts, noch auf die erschütterten Ausrufungen des sie umringenden Volks gehört zu haben, schließen sie den Mund; sie wischen sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn, der ihnen, in großen Tropfen, auf Kinn und Brust niederträuft; und breiten ihre Mäntel aus, und legen sich, um eine Stunde von so qualvollen Geschäften auszuruhen, auf das Getäfel des Bodens nieder. Der Wirt, der sie gewähren läßt, schlägt, sobald er sie schlummern sieht, ein Kreuz über sie; und froh, des Elends für den Augenblick erledigt zu sein, bewegt er, unter der Versicherung, der Morgen werde eine heilsame Veränderung herbeiführen, den Männerhaufen, der gegenwärtig ist, und der geheimnisvoll mit einander murmelt, das Zimmer zu verlassen. Aber leider! schon mit dem ersten Schrei des Hahns, stehen die Unglücklichen wieder auf, um dem auf dem Tisch befindlichen Kreuz gegenüber, dasselbe öde, gespensterartige Klosterleben, das nur Erschöpfung sie auf einen Augenblick auszusetzen zwang, wieder anzufangen. Sie nehmen von dem Wirt, dessen Herz ihr jammervoller Anblick schmelzt, keine Ermahnung, keine Hülfe an; sie bitten ihn, die Freunde liebreich abzuweisen, die sich sonst regelmäßig am Morgen jedes Tages bei ihnen zu versammeln pflegten; sie begehren nichts von ihm, als Wasser und Brot, und eine Streu, wenn es sein kann, für die Nacht: dergestalt, daß dieser Mann, der sonst viel Geld von ihrer Heiterkeit zog, sich genötigt sah, den ganzen Vorfall den Gerichten anzuzeigen und sie zu bitten, ihm diese vier Menschen, in welchen ohne Zweifel der böse Geist walten müsse, aus dem Hause zu schaffen. Worauf sie, auf Befehl des Magistrats, in ärztliche Untersuchung genommen, und, da man sie verrückt befand, wie Ihr wißt, in die Gemächer des Irrenhauses untergebracht wurden, das die Milde des letzt verstorbenen Kaisers, zum Besten der Unglücklichen dieser Art, innerhalb der Mauern unserer Stadt gegründet hat.« Dies und noch Mehreres sagte Veit Gotthelf, der Tuchhändler, das wir hier, weil wir zur Einsicht in den inneren Zusammenhang der Sache genug gesagt zu haben meinen, unterdrücken; und forderte die Frau nochmals auf, ihn auf keine Weise, falls es zu gerichtlichen Nachforschungen über diese Begebenheit kommen sollte, darin zu verstricken.
Drei Tage darauf, da die Frau, durch diesen Bericht tief im Innersten erschüttert, am Arm einer Freundin nach dem Kloster hinausgegangen war, in der wehmütigen Absicht, auf einem Spaziergang, weil eben das Wetter schön war, den entsetzlichen Schauplatz in Augenschein zu nehmen, auf welchem Gott ihre Söhne wie durch unsichtbare Blitze zu Grunde gerichtet hatte: fanden die Weiber den Dom, weil eben gebaut wurde, am Eingang durch Planken versperrt, und konnten, wenn sie sich mühsam erhoben, durch die Öffnungen der Bretter hindurch von dem Inneren nichts, als die prächtig funkelnde Rose im Hintergrund der Kirche wahrnehmen. Viele hundert Arbeiter, welche fröhliche Lieder sangen, waren auf schlanken, vielfach verschlungenen Gerüsten beschäftigt, die Türme noch um ein gutes Dritteil zu erhöhen, und die Dächer und Zinnen derselben, welche bis jetzt nur mit Schiefer bedeckt gewesen waren, mit starkem, hellen, im Strahl der Sonne glänzigen Kupfer zu belegen. Dabei stand ein Gewitter, dunkelschwarz, mit vergoldeten Rändern, im Hintergrunde des Baus; dasselbe hatte schon über die Gegend von Aachen ausgedonnert, und nachdem es noch einige kraftlose Blitze, gegen die Richtung, wo der Dom stand, geschleudert hatte, sank es, zu Dünsten aufgelöst, mißvergnügt murmelnd in Osten herab. Es traf sich, daß da die Frauen von der Treppe des weitläufigen klösterlichen Wohngebäudes herab, in mancherlei Gedanken vertieft, dies doppelte Schauspiel betrachteten, eine Klosterschwester, welche vorüberging, zufällig erfuhr, wer die unter dem Portal stehende Frau sei; dergestalt, daß die Äbtissin, die von einem, den Fronleichnamstag betreffenden Brief, den dieselbe bei sich trug, gehört hatte, unmittelbar darauf die Schwester zu ihr herabschickte, und die niederländische Frau ersuchen ließ, zu ihr herauf zu kommen. Die Niederländerin, obschon einen Augenblick dadurch betroffen, schickte sich nichts desto weniger ehrfurchtsvoll an, dem Befehl, den man ihr angekündigt hatte, zu gehorchen; und während die Freundin, auf die Einladung der Nonne, in ein dicht an dem Eingang befindliches Nebenzimmer abtrat, öffnete man der Fremden, welche die Treppe hinaufsteigen mußte, die Flügeltüren des schön gebildeten Söllers selbst. Daselbst fand sie die Äbtissin, welches eine edle Frau, von stillem königlichen Ansehn war, auf einem Sessel sitzen, den Fuß auf einem Schemel gestützt, der auf Drachenklauen ruhte; ihr zur Seite, auf einem Pulte, lag die Partitur einer Musik. Die Äbtissin, nachdem sie befohlen hatte, der Fremden einen Stuhl hinzusetzen, entdeckte ihr, daß sie bereits durch den Bürgermeister von ihrer Ankunft in der Stadt gehört; und nachdem sie sich, auf menschenfreundliche Weise, nach dem Befinden ihrer unglücklichen Söhne erkundigt, auch sie ermuntert hatte, sich über das Schicksal, das dieselben betroffen, weil es einmal nicht zu ändern sei, möglichst zu fassen: eröffnete sie ihr den Wunsch, den Brief zu sehen, den der Prädikant an seinen Freund, den Schullehrer in Antwerpen geschrieben hatte. Die Frau, welche Erfahrung genug besaß, einzusehen, von welchen Folgen dieser Schritt sein konnte, fühlte sich dadurch auf einen Augenblick in Verlegenheit gestürzt; da jedoch das ehrwürdige Antlitz der Dame unbedingtes Vertrauen erforderte, und auf keine Weise schicklich war, zu glauben, daß ihre Absicht sein könne, von dem Inhalt desselben einen öffentlichen Gebrauch zu machen; so nahm sie, nach einer kurzen Besinnung, den Brief aus ihrem Busen, und reichte ihn, unter einem heißen Kuß auf ihre Hand, der fürstlichen Dame dar. Die Frau, während die Äbtissin den Brief überlas, warf nunmehr einen Blick auf die nachlässig über dem Pult aufgeschlagene Partitur; und da sie, durch den Bericht des Tuchhändlers, auf den Gedanken gekommen war, es könne wohl die Gewalt der Töne gewesen sein, die, an jenem schauerlichen Tage, das Gemüt ihrer armen Söhne zerstört und verwirrt habe: so fragte sie die Klosterschwester, die hinter ihrem Stuhle stand, indem sie sich zu ihr umkehrte, schüchtern: »ob dies das Musikwerk wäre, das vor sechs Jahren, am Morgen jenes merkwürdigen Fronleichnamsfestes, in der Kathedrale aufgeführt worden sei?« Auf die Antwort der jungen Klosterschwester: ja! sie erinnere sich davon gehört zu haben, und es pflege seitdem, wenn man es nicht brauche, im Zimmer der hochwürdigsten Frau zu liegen: stand, lebhaft erschüttert, die Frau auf, und stellte sich, von mancherlei Gedanken durchkreuzt, vor den Pult. Sie betrachtete die unbekannten zauberischen Zeichen, womit sich ein fürchterlicher Geist geheimnisvoll den Kreis abzustecken schien, und meinte, in die Erde zu sinken, da sie grade das gloria in excelsis aufgeschlagen fand. Es war ihr, als ob das ganze Schrecken der Tonkunst, das ihre Söhne verderbt hatte, über ihrem Haupte rauschend daherzöge; sie glaubte, bei dem bloßen Anblick ihre Sinne zu verlieren, und nachdem sie schnell, mit einer unendlichen Regung von Demut und Unterwerfung unter die göttliche Allmacht, das Blatt an ihre Lippen gedrückt hatte, setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl zurück. Inzwischen hatte die Äbtissin den Brief ausgelesen und sagte, indem sie ihn zusammen faltete: »Gott selbst hat das Kloster, an jenem wunderbaren Tage, gegen den Übermut Eurer schwer verirrten Söhne beschirmt. Welcher Mittel er sich dabei bedient, kann Euch, die Ihr eine Protestantin seid, gleichgültig sein: Ihr würdet auch das, was ich Euch darüber sagen könnte, schwerlich begreifen. Denn vernehmt, daß schlechterdings niemand weiß, wer eigentlich das Werk, das Ihr dort aufgeschlagen findet, im Drang der schreckenvollen Stunde, da die Bilderstürmerei über uns hereinbrechen sollte, ruhig auf dem Sitz der Orgel dirigiert habe. Durch ein Zeugnis, das am Morgen des folgenden Tages, in Gegenwart des Klostervogts und mehrerer anderen Männer aufgenommen und im Archiv niedergelgt ward, ist erwiesen, daß Schwester Antonia, die das Werk dirigieren konnte, während des ganzen Zeitraums seiner Aufführung, krank, bewußtlos, ihrer Glieder schlechthin unmächtig, im Winkel ihrer Klosterzelle darniedergelegen habe; eine Klosterschwester, die ihr als leibliche Verwandte zur Pflege ihres Körpers beigeordnet war, ist während des ganzen Vormittags, da das Fronleichnamsfest in der Kathedrale gefeiert worden, nicht von ihrem Bette gewichen. Ja, Schwester Antonia würde ohnfehlbar selbst den Umstand, daß sie es nicht gewesen sei, die, auf so seltsame und befremdende Weise, auf dem Altan der Orgel erschien, bestätigt und bewahrheitet haben: wenn ihr gänzlich sinnberaubter Zustand erlaubt hätte, sie darum zu befragen, und die Kranke nicht noch am Abend desselben Tages, an dem Nervenfieber, an dem sie danieder lag, und welches früherhin gar nicht lebensgefährlich schien, verschieden wäre. Auch hat der Erzbischof von Trier, an den dieser Vorfall berichtet ward, bereits das Wort ausgesprochen, das ihn allein erklärt, nämlich, ›daß die heilige Cäcilie selbst dieses zu gleicher Zeit schreckliche und herrliche Wunder vollbracht habe‹; und von dem Papst habe ich soeben ein Breve erhalten, wodurch er dies bestätigt.« Und damit gab sie der Frau den Brief, den sie sich bloß von ihr erbeten hatte, um über das, was sie schon wußte, nähere Auskunft zu erhalten, unter dem Versprechen, daß sie davon keinen Gebrauch machen würde, zurück; und nachdem sie dieselbe noch gefragt hatte, ob zur Wiederherstellung ihrer Söhne Hoffnung sei, und ob sie ihr vielleicht mit irgend etwas, Geld oder eine andere Unterstützung, zu diesem Zweck dienen könne, welches die Frau, indem sie ihr den Rock küßte, weinend verneinte: grüßte sie dieselbe freundlich mit der Hand und entließ sie.
Hier endigt diese Legende. Die Frau, deren Anwesenheit in Aachen gänzlich nutzlos war, ging mit Zurücklassung eines kleinen Kapitals, das sie zum Besten ihrer armen Söhne bei den Gerichten niederlegte, nach dem Haag zurück, wo sie ein Jahr darauf, durch diesen Vorfall tief bewegt, in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrte: die Söhne aber starben, im späten Alter, eines heitern und vergnügten Todes, nachdem sie noch einmal, ihrer Gewohnheit gemäß, das gloria in excelsis abgesungen hatten.


Jimi Hendrix



Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik ist eine Erzählung von Heinrich von Kleist. Sie wurde zuerst in den Berliner Abendblättern vom 15. bis 17. November 1810 veröffentlicht, und zwar mit der Widmung „Zum Taufangebinde für Cäcilie M.“. Gemeint ist die Cäcilie Müller, die älteste Tochter von Adam Müller. (Wiki)


Samstag, 3. Januar 2015

Warum ich Popmusik liebe. Der Piano Mann.


Ein Lied von 1973, ein, nach den Regeln der Jetztzeit, altes Lied. Ich kann immer noch den gesamten Text mitsingen, obwohl ich den Song sicher 20 Jahre nicht mehr angehört habe.
Meine Übersetzung ist ungelenk, aber im Original hat der Text Poesie und der Dreher am Ende, wenn der Pianist auch ein Träumer ist, genau wie all die anderen, das erwischt mich jedesmal

Billy Joel und Freunde mit Kevin Spacey an der Mundharmonika:
http://www.rollingstone.com/music/videos/watch-kevin-spacey-perform-piano-man-with-billy-joel-20150103

Billy Joel - Viele Jahre früher

PIANO MAN

It's nine o'clock on a Saturday
The regular crowd shuffles in
There's an old man sitting next to me
Makin' love to his tonic and gin.

He says, "Son, can you play me a memory?
I'm not really sure how it goes
But it's sad and it's sweet 

and I knew it complete
When I wore a younger man's clothes".

La la la, de de da
La la, de de da da da

 
Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright.


Now John at the bar is a friend of mine
He gets me my drinks for free
And he's quick with a joke
Or to light up your smoke
But there's someplace that he'd rather be.
He says, "Bill, I believe this is killing me."
As the smile ran away from his face
"Well I'm sure that I could be a movie star
If I could get out of this place."

Oh, la la la, de de da
La la, de de da da da


Now Paul is a real estate novelist
Who never had time for a wife
And he's talkin' with Davy 

who's still in the navy
And probably will be for life.

And the waitress is practicing politics
As the businessmen slowly get stoned
Yes, they're sharing a drink they call loneliness
But it's better than drinkin' alone.

Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright.


It's a pretty good crowd for a Saturday
And the manager gives me a smile
'Cause he knows that it's me 

they've been comin' to see
To forget about life for a while.


And the piano, it sounds like a carnival
And the microphone smells like a beer
And they sit at the bar 

and put bread in my jar
And say, "Man, what are you doin' here?"

Oh, la la la, de de da
La la, de de da da da

Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright


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Es ist neun Uhr an einem Sonnabend
Der übliche Haufen latscht rein

Ein alter Mann sitzt neben mir
Macht Liebe mit seinem Tonic und Gin.


Er sagt: "Sohn, kannst du mir 'ne Erinnerung spielen?
Ich bin nicht ganz sicher wie's geht
Doch es ist traurig und süß 
Und ich konnt's auswendig
Als ich noch die Schuhe eines jüngeren Mannes trug."

La la la, de de da
La la, de de da da da


Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Nun, John an der Bar ist ein Freund von mir

Er gibt mir meine Drinks ohne Geld
Und er ist schnell mit 'nem Witz
Oder Feuer für deine Zigarette
Aber er wäre lieber woanders.
Er sagt: "Bill, Ich glaub das bringt mich noch um,"
Während das Lächeln aus seinem Gesicht wegrennt
"Ich bin sicher, ich wäre ein Filmstar,
Wenn ich hier nur wegkäme."

La la la, de de da
La la, de de da da da


Paul ist ein Immobilien-Romanautor
Hatte nie die Zeit für 'ne Frau
Und er spricht mit Davy
Noch immmer in der Navy
Und wird es wohl lebenslang sein.

Und die Kellnerin übt sich in Politik
Der Geschäftsmann wird langsam high
Ja, sie teilen 'nen Drink, der heißt Einsamkeit
Aber das ist besser als alleine zu trinken.

Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Eine ziemlich gute Truppe für 'nen Sonnabend

Und der Manager lächelt mich an
Denn er weiß, sie sind hier,
nur um mich zu sehen,
Und für eine Weile das Leben zu vergessen.

Und das Piano klingt wie Jahrmarkt
Und das Mikrophon riecht nach Bier
Und sie sitzen an der Bar
Und legen Geld in mein Glas
Und sagen:" Junge, was machst Du bloß hier?" 

Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Freitag, 12. Dezember 2014

Vor 99 Jahren wurde Frank Sinatra geboren



Cock your hat - angles are attitudes.
Setz Deinen Hut schief auf - 
Winkel sind Attitüden.


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Im Amerikanischen hat attitude, außer den Bedeutungen 
in Kunst, Ballett und als Bezeichnung für eine Körper- oder Geisteshaltung, 
noch einen Slanggebrauch, den wir vielleicht grob annähernd als 
"Was guckst Du!?" kennen. 
Frech wie Oskar wäre eine verniedlichende Variante. Rotzfrech? 
Attitude hat man, oder nicht. So wie man cool ist, oder nicht. 
Und cool ist auch nicht kühl.
  
Urban Slang schreibt:
- Eine Haltung des Körpers oder die Art, wie man sich aufführt.
- Ein Geisteszustand oder ein Gefühl; Einstellung: positive Haltung zur Arbeit
- Eine arrogante oder feindselige Geisteshaltung oder Einstellung.
A position of the body or manner of carrying oneself:
A state of mind or a feeling; disposition: positive attitude about work.
An arrogant or hostile state of mind or disposition. 

Wenn einer den Raum betritt, als wenn er ihm gehörte, wenn 

Sammy Davis Jr., ein Freund von Sinatra, singt Mr. Bojangles bekleidet mit einem hautengen, kackbraunen 70er-jahre Einteiler und einem Hut. Man hat der Typ attitude!



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FRECH WIE OSKAR nach Wiki

Eine Ableitung vom Namen des frechen Kritikers Oscar Blumenthal (1852–1917; Duden) ist durch das folgende Zitat belegbar. 1897 veröffentlichte Erwin Heinrich Bauer zum dritten Male seine satirischen Feilchenfeld-Briefe auch als Buch. In seinem Brief aus "Wannsee, mitten aus der Erholung in der Saison", S. 175-185, beschreibt er u.a. die "Herrscher" im literarischen und politischen Berlin, hier Wolffs Telegraphisches Bureau: " ... dies Bureau gehört uns ... Du bist stolz, Teiteles, und es schwellt Dir die Brust und Du hebst empor die Nase frech, wie Oscar, der Blumenthal, und blickst um Dich wie‘n Pascha, der hat sieben Roßschweife und ‘nen Harem mit dreißig Weibern ..."

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The best revenge is massive success.
Die beste Rache ist riesiger Erfolg.

Montag, 3. November 2014

Chicago - das Musical



CHICAGO


    
    Chicago ist ein Musical des Komponisten John Kander, mit Liedtexten von Fred Ebb und 
    einem Buch von Ebb and Bob Fosse, nach einem 1926 geschriebenen Theaterstück von 
    Maurine Dallas Watkins, in dem sie ihre Zeit als Gerichtsreporterin im Chicago der 
    Zwanziger Jahre verarbeitete.
    Am Broadway lief Chicago ziemlich lang nach seiner Uraufführung und noch viel länger 
    und erfolgreicher läuft die Revivalproduktion seit jetzt über 18 Jahren.

    Die Geschichte spielt in Chicago in den 20ern: Die Nachtclubsängerin Roxie Hart 

    ermordet ihren Liebhaber. Im Gefängnis lernt sie die Aufseherin Mama Morton und 
    Velma Kelly kennen. Velma, ebenfalls Tänzerin und dank der Hilfe von Morton ein 
    Medienstar, plant die Fortsetzung ihrer Karriere nach ihrer Freilassung. Hierfür soll 
    sie der Staranwalt Billy Flynn aus dem Gefängnis boxen, der allerdings gleiches auch 
    für Roxie plant. Es beginnt ein undurchsichtiges Dreiecksspiel, bei dem die beiden 
    Tänzerinnen um die Gunst Flynns buhlen. Als dann die Boulevardjournalistin Mary 
    Sunshine dafür sorgt, dass Roxie als „Jazz-Mörderin“ zum Medienstar wird, beginnt 
    ein Verwirrspiel aus Tricks, Lügen und Eifersucht. Werden die Tänzerinnen ihre 
    Freiheit zurückgewinnen und Ruhm und Reichtum erlangen?
    
    Wer mehr Schlagzeilen hat, überlebt, mit steigender Berühmtheit, wachsen deine
    Chancen zum Sieg, nur leider währt ein Skandal nicht lang, also müssen ständig neue
    produziert werden.
    Es gibt in ganz Chicago keine Moral, oder wenn, dann als offen und erfrischend 
    schamlos eingesetztes Mittel zum gänzlich eigensüchtigen Zweck. Liebe, Leid, Lust,
    die harte Kindheit, das Glück der Mutterschaft, Tränen und Glück, all die sicheren 
    emotionalen Stützpfeiler der geliebten alten Musicals, hier werden sie benutzt, 
    ausgenutzt, abgenutzt und wir, die Zuschauer geraten in die Rolle der Komplizen, weil 
    die Musik so herrlich ist und die Choreographien noch viel herrlicher.

    Ann Reinking hat die Choreographien im Stil von Bob Fosse entwickelt und sie sind für 
    mich, die besten Tänze, die ich je in einem Musical gesehen habe. Immer die Szenen 
    bedienend oder sie unter der Hand (oder besser den Füssen) brechend, sehr sexy und 
    von unglaublicher Kunstfertigkeit. So schnell, cool und leicht und überraschend. 

    Die Songs sind unterschiedlichsten Vaudevillenummern nachempfunden, offensiv, wild, 

    rotzfrech. Und wenn die Musik mal ins Sentimentale kippt, kontern die Texte mit 
    harschem, realen Geschäftsdenken. All that Jazz, The Cell block Tango und When 
    you're good to Mama  haken sich in Ohr und Gehirn und verbleiben dort, auf immer. 
    Tolle Nummern!
    Aber noch viel interessanter ist der Inszenierungsstil. Es mag abgedroschen klingen, 
    aber stimmt trotzdem, das ist klassisches episches Theater. Titel für die Szenen, die 
    Figuren steigen ein und aus wie gerade nötig, manche Szenen werden "erzählt", andere 
    ganz normal gespielt. Wer nicht dran ist, sitzt am Bühnenrand, das Orchester nimmt 
    die ganze Bühnenmitte ein und auch der Dirigent wird manchmal als Mitspieler 
    verwickelt. Und so hat man drei Spielebenen auf der fast leeren und ziemlich kleinen 
    Bühne. Die behauptete kitschige mediengerecht zubereitete Geschichte, die sich 
    überschneidenden und bekämpfenden aggressiven Interessenkämpfe der Figuren und 
    die Spieler/Sänger/Tänzer mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Spiellust. Wunderbar. Ein 
    großartiges Musical.

    Ich habe Chicago in Stuttgart gesehen, im Palladium, einem der zwei Stage 
    Entertainment Theater im Stuttgart International, das ist übrigens so etwas wie ein 
    nicht gelungener Las Vegas Supereinkaufszentrumabklatsch mit Spielbank, 
    Wellnessbereich, häßlichen Hotels, Riesenkino und eben zwei Musicaltheatern. Im 
    anderen Haus läuft Tarzan.
    Die Tänzer und die meisten der Sänger sind klasse, die Inszenierung auch, aber dass 
    eine der Hauptdarstellerinnen Deutsch mehr phonetisch als inhaltlich spricht, ist ein 
    Problem und die andere ist leider auch kein echter Clown.