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Montag, 31. Juli 2017

Schon wieder Kino

DIE PARTY - Sally Potter

Ein Bekannter hatte mich vor dem Film gewarnt: "Er ist.....fürchertlich. die Schauspieler sind .....fürchterlich. die Dialoge sind.....fürchterlich. die Story ist.....fürchterlich und gefilmt ist er auch .....ihr ahnt es schon.....fürchterlich."

Fand ich nicht. Mir hat es nicht einmal zu fürchterlich gereicht. Es ist nur ein vorhersehbares und kümmerliches Kammerspiel. Tolle Schauspieler, Kristin Scott-Thomas, Timothy Spall, Emily Mortimer, Cilian Murphy usw. chargieren sich lahme Mimik aus den Gesichtern, die Dialoge rumpeln und Aleksei Rodionov, der, o Gott, auch Elim Klimovs Abschied von Matjora und sein Geh und sieh photographiert hat, hatte entweder keine Lust oder keine Chance.
 
Vor 25 Jahren saß ich im Kino und sah einem überaus fremden Wunderwesen in einer wundervoll erzählten und verfilmten Geschichte zu. Dieselbe Regisseurin, derselbe Kameramann und Tilda Swinton zauberten Virginia Woolfs Orlando auf die Leinwand. Was für eine beseelende Freude. Ich liebe das Buch, und der Film ist ihm gewachsen.

Erinnern wir uns an den tollen Film und vergessen den, den wir heute Abend gesehen haben, schnell. 


"Die außergewöhnliche Diskrepanz zwischen der Zeit auf der Uhr und der gefühlten Zeit ist unbekannter, als sie sein sollte, und verdient gründlichere Erforschung." V.W. in Orlando

Sonntag, 23. Juli 2017

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Vorausgeschickt: Ich liebe Science Fiction. Ich gucke mir in diesem Genre jeden Scheiß an und bin leicht verführbar. 
Avengers, Thor, Guardians, Star Wars, Batman, Mad Max - ich bin da.
Infiziert haben mich Ridley Scott, Isaac Asimov und Stanislaw Lem.
Heute in der Spätvorstellung: Valerian, Luc Bessons neuester Science-fiction Film. Geschrieben auf der Basis einer französischen Comic-Serie, die er als Kind liebte und nun in fünfjähriger Arbeit verfilmt hat.
Besson.
Im Rausch der Tiefe. Nikita. 
Leon Der Profi. Leon Der Profi. Leon Der Profi. Ach, ach, ach. Zehn mal gesehen. Jedesmal geweint. Ich hätte auch den Blumentopf gespielt.
Das Fünfte Element. Lucy war dann nicht so meins.

Mannomann. 
Mehr als zwei Stunden lang, großartige Bilder, tolle Bilder, zitierte Bilder, allzubekannte Bilder, viele Bilder, zu viele Bilder, viel zu viele Bilder. 
Avatar hängt als Mutterschiff über dem Plot, nur dass hier die mit-der-Natur-im-Reinen-seienden-Aliens, nicht langgestreckt und blau sind, sondern wie hyperschlanke, gebleichte nubische Volkstänzer mit Barbiefigur aussehen. Sie schimmern und neigen in Momenten des Glücks zum Piruettendrehen. Ihre Haustiere sind bunt und niedlich und scheißen Überfluß.
Einige der anderen auftretenden Aliens haben schon in Star Wars und Guardians Of The Galaxy kleinere Rollen verkörpert. Bessere Flugkampfszenen als in Star Wars 4/5/6 hat sowieso noch keiner gedreht und Rutger Hauer, was ist dem nur seit Bladerunner geschehen, hat einen Kurzauftritt, später bemüht sich Clive Owen chancenlos um die Darstellung eines interessanten Bösewichts.
Einfall reiht sich an Einfall, eine Idee erschlägt die nächste, nur nichts auslassen. Keine Sekunde lang darf mal nichts passieren. Hektik. Hast. Hysterie. Überdosis. Ich habe zwischendurch die Augen geschlossen, um meine Pupillen auszuruhen. Im Zentrum dieses visuellen Orkans sitzt dann eine dünne Geschichte gespielt von recht schlechten Schauspielern unter Verwendung hölzener Dialogversatzstücke und pseudo-philosophischen Dünnschisses. 
Irgendjemand muß ich in einem Film mögen, für ihn zittern, ihm Glück wünschen, ihn lieb haben. Wo ist Groot, wen man ihn braucht? Wenn die Mitte fehlt, hilft halt auch all der Bombast drumherum nicht recht.

Caspar Shaller schrieb in der ZEIT: Es ist die teuerste Schöpfung der französischen Filmgeschichte, eine bombastische space opera, getrieben von europäischen Hoffnungen auf eine von Hollywood unabhängige Filmindustrie, die in der Lage ist, Blockbuster auf den Markt zu bringen. Drei Jahre hat Besson am Konzept gearbeitet, 18 Monate am Storyboard gewerkelt, zwei Jahre beim Schnitt verbracht. Die Finanzmittel trieb er beim Festival von Cannes auf, wo er mit Drehbuch und Skizzen hausieren ging. 80 Millionen Euro kamen an einem Tag zusammen. Weil er den Blockbuster wie einen Indie-Film finanziert habe, so Besson, habe ihm niemand reingeschwatzt oder genörgelt, wenn er zu sehr auf den Putz gehauen habe. Das ist das Problem: Niemand hat ihm zärtlich über den Kopf gestreichelt, in sanftem, aber bestimmtem Ton gesagt: "Nein, Luc, das reicht", und ihm das Silbertablett mit dem Koks weggenommen. 
http://www.zeit.de/2017/30/valerian-luc-besson-film-kritik 

Wiki informiert uns, dass Valeriana eine Pflanzengattung aus der Unterfamilie der Baldriangewächse sind. Mich hat der Film ermüdet.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Auserwählt und ausgegrenzt

Auserwählt und Ausgegrenzt

Momentan wogt in den digitalen Medien eine heftige Debatte über eine von arte und dem WDR in Auftrag gegebene Dokumentation zum Thema Antisemitismus. Sophie Hafner und Joachim Schroeder sind die Autoren. Die auftraggebenden Sender verweigerten zunächst die Ausstrahlung.

Zitat aus einem Artikel in Der Zeit vom 20.Juni 2017:
 

Die Doku war von Arte in Auftrag gegeben und vom WDR produziert worden. Arte hatte sich allerdings gegen eine Ausstrahlung entschieden, weil der Film grundlegend vom ursprünglichen Sendekonzept abgewichen sei. So habe der Fokus entgegen des Auftrages nicht auf europäischen Ländern gelegen, sondern auf dem Nahen Osten. Aufgrund von Artes besonderem Blickwinkel auf Europa sei das "nicht akzeptabel" gewesen. Auch der WDR sendete den Film unter Verweis auf handwerkliche Mängel nicht. Die Berichterstattung sei nicht ausgewogen gewesen, hieß es.

Ich habe mir den Film angesehen. Er lügt nicht. Er spitzt zu, was jeder wissen kann. Mohammed Amin al-Husseini war ein tollwütiger Antisemit, seine Verbrüderung mit dem Nationalsozialismus ekelhaft und seine propagandistische Ausstrahlung von übelster Wirkung bis heute.

"Der Mufti ist soviel Wert wie eine ganze Nation. Der Mufti ist Palästina, und Palästina ist der Mufti. O Amin! Was bist Du doch für ein großer, unbeugsamer, großartiger Mann! Hitlers und Mussolinis Niederlage hat Dich nicht geschreckt. Was für ein Held, was für ein Wunder von Mann. Wir wollen wissen, was die arabische Jugend, Kabinettminister, reiche Leute und die Fürsten von Palästina, Syrien, Irak, Tunesien, Marokko und Tripolis tun werden, um dieses Helden würdig zu sein, ja dieses Helden, der mit der Hilfe Hitlers und Deutschlands ein Empire herausforderte und gegen den Zionismus kämpfte. Deutschland und Hitler sind nicht mehr, aber Amin el-Husseini wird den Kampf fortsetzen."
Jeffrey Herf (Hrsg.): Hitlers Dschihad. Nationalsozialistische Rundfunkpropaganda für Nordafrika und den Nahen Osten. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Oldenbourg, München April 2010, H. 2. ISSN 0042-5702 S. 259–286.
  
Imperialismus, Zionismus, altehrwürdger Judenhass und tiefe Unwissenheit werden zu einem allgemeinen Brei vermanscht und als politische Argumente verkauft. Das ist erschreckend. Und viele Neuköllner Muslims würden leider nicht widersprechen.

Aber der Film läßt auch aus, er hetzt selbst, vermeidet notwendige Zuordnungen und offensichtliche Widersprüche. Die verflixte jüdische Mischung von Religion und Volk wird übergangen. Der absolute Überlebenswillen einer verfolgten Menschengruppe, zutiefst verständlich, und für die Opfer ihres Existenzkampfes doch unerträglich, fällt unter den Tisch, an dem wir nie gemeinsam saßen. 

Es scheint, wir vergessen in unserer gerechtfertigten Suche nach dem Hass auf uns, den Hass in uns. Wenn Antisemitismus, real und unleugbar, Rechtfertigung für unsere eigenen Missetaten wird, haben wir ein Problem, dass uns zerstören könnte.

Mein Lieblingsrabbiner Yeshayahu Leibowitz beantwortete die Frage seines, ihn verehrenden Interviewers, "Was die Juden durch den Holocaust gelernt hätten" nach einer ziemlich langen Pause zweisilbig mit "Na nichts."

5. Mose 6, 10 -11
Dann wird er dir geben, große, schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser alles Guten voll, die du nicht gefüllt hast, und gemeißelte Brunnen, die du nicht gehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast; und du wirst essen und satt werden.
 

Montag, 5. Juni 2017

Guy Ritchie - King Arthur

Nicht sehr viel dazu zu sagen. Unterhaltsam, trockene Dialoge, Hauptdarsteller so so, Jude Law ein guter gequälter Bösewicht und ein toller Soundtrack von Daniel Pemberton.
Rhytmus und Schnitt sind wie immer bei Ritchie großartig, doch ein Schwertkampf weniger hätte es auch getan.
Aber was mir immer wieder auf- und gefällt, ist der entspannte Machismo von Guy Ritchie. Machismo ist sicher das falsche Wort. 
Der Mann scheint sich einfach in seiner Männlichkeit wohl zu fühlen. Nicht: "ich habe den größeren", sondern: "ich bin so froh, dass ich einen habe". 
Frauen tauchen auf und müssen auch nicht in blöden Bustiers herumhüpfen, aber sie bleiben merkwürdig unscharf. Wahrscheinlich weiß er nicht so genau, wie Frauen ticken, benötigt sie aber gelegentlich für den Plot und behandelt sie dann lieber äußerst vorsichtig. Swept Away mit seiner damaligen Ehefrau Madonna ist möglicherweise deshalb sein miesester Film, weil er da versucht hat, eine "weibliche" Geschichte zu erzählen.
 
Die einzigen guten Liebesszenen bei ihm, an die ich mich erinnere, sind die, in der Tom Hardy Gerard Butler unter Tränen seine Leidenschaft gesteht, und wenn Sherlock Holmes manisch versucht die Ehe von Watson zu verhindern. Mal gucken, was er in King Arthur Teil 2 mit Guinevere anstellt.

Samstag, 6. Mai 2017

Ach, manchmal werde ich so gern unterhalten!

Dank an Dirk Audehm, Fräulein Schneider (aka Alex Semann) und Engelbert Herzog.
Gelegentlich vergesse ich zwischen nachtkritiks Streitereien, Stegemann Verrissen, Verdi kontra Neuorientierung der Ensembles, Dercon versus Castorf,  postdramatischen Diskursen, eigener lebenslänglicher  Verunsicherung und nun auch noch Ostermeier am Broadway, dass ich gern unterhalte, mich auch gern vergnüge, beziehungsweise vergnügen lasse. 
Gestern ein kleiner Liederabend, "Sch...Liebe". 
Drei Menschen auf der Bühne, einer nahezu stumm, die beiden anderen singen, was sie lieben. Gar nicht die Art Lieder, die ich sonst anhöre, ganz und gar nicht. Aber sie singen und spielen mit Inbrunst und Können.
Inbrunst, „innere Leidenschaft", ist eine Zusammensetzung aus → in „innen“ und Brunst als Ableitung von → brennen in der Bedeutung „Brennendes, Loderndes“. (wissen.de)  
Ich verlasse den Saal nach zwei Stunden mit einem entspannten Lächeln um den Mund und guter Laune. Bin ich nun übel ausgetrickst worden oder haben die Herren mir nur erlaubt, mein Leben vergnügter zu betrachen?
Heute Abend wurde für mich geschwitzt. Die Darsteller begehrten, mich zu unterhalten, ohne Arg, ohne ironische Selbstabsicherung, mit Chuzpe. Ein kleiner Saal, 50 oder 60 Zuschauer, wir haben alle am Ende mitgesungen und versprochen, nach der dritten Zugabe, zwar weiter zu summen aber nicht mehr zu klatschen.

Die meisten von uns reisen so durchs Land und verkaufen unsere Fähigkeiten für Miete, Zigaretten, Marmeladenbrötchen, dass heisst aber nicht, dass wir nicht brennen, für das, was wir tun. 

Ein kurzer Moment von Pathos und schnell weiter zu den "Guardians of the Galaxy".

Ein Amerikaner mit Vaterproblem, ein Grünhäutige Schwertkämpferin mit Schwesterproblem, ein tätowierter Gigant mit Trauerproblem, ein Waschbär mit Bindungsproblem und ein Baumstämmchen mit Verständigungsproblem retten das Universum aus den Klauen von Kurt Russell, einem exzellenten Bösewicht mit zu perfekt gegelter Frisur. Der Siebziger Jahre Soundtrack untermalt irrwitzige Effekt-Schlachten und schnell abgefeuerte Dialoge.
Warum amüsiere ich mich? Warum? 
All die Superheldenfilme, die ich mit meiner Mutter über die Jahre geschaut habe, Thor und Iron Man und Captain America, um nur Marvels Paket zu nennen, werden hier verstückwerkt, ums dreifache verdreht und in den Irrsinn geschickt. Wie der hochgeschätzte Kollege Shakespeare sagte: "Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode." 


Im zarten Alter von 11 Jahren sah ich eine Dokumentation "Erinnerungen an die Zukunft" über Erich von Dänikens Buch gleichen Namens und war tief beeindruckt. Wie gerade dieser Film den Weg in die Kinos der DDR fand, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Aliens hätten die Erde besucht unsere Entwicklung beeinflußt und wären wieder weggeflogen. Robert Charrouxs Bücher verstärkten meine Obsession.
Bis zum heutigen Tag glaube ich, die ich nicht an Gott glaube, dass unser Universum noch unzählige andere Zivilisationen beherbergt. Ich glaube daran, nicht weil ich hoffe, dass höherentwickelte Rassen uns retten werden, sondern weil ich mir sicher bin, dass eine der vielen möglichen Varianten von Erfolg gekrönt sein wird. Weil ich hoffen möchte, dass auch Methan-atmende Wesen und andere, die auf Silicium basieren, wasseratmende und solche wie wir, die Sauerstoff benötigen einen Weg zur Koexistenz finden. Wie lächerlich werden uns dann unsere dämlichen Vorurteile gegenüber bloß andersfarbigen Sauerstoffatmern erscheinen.

https://www.youtube.com/watch?v=BEPbXYzE5_Y

Aischylos wollte im Athener Dramenwettbewerb gewinnen, Shakespeare brauchte zum Überleben ein volles Globe Theater, Moliere litt Hunger, wenn seine Stücke nicht ankamen. Gibt es eine Verbindung zwischen unbedingtem Erfolgswillen und Kunst? Ich weiß es nicht. Aber von einer Gesellschaft zu erwarten, dass sie ihre Verächtlichmachung finanziert, scheint mir kindlich.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-theaterregisseur-ersan-mondtag-ich-wuerde-gern-die-schaubuehne-uebernehmen/19757608.html 

Dienstag, 11. April 2017

Die andere Seite der Hoffnung - Aki Kaurismäki

Die andere Seite der Hoffnung, Aki Kaurismäki hat einen Film gedreht, einen Film über einen Syrer aus Aleppo, der sich eher zufällig, nach langer schwieriger Reise, in Finnland wiederfindet, dort Asyl beantragt, abgelehnt wird, wieder flieht und dann so Einiges erlebt. Das Ambiente stammt aus den häßlichn Siebzigern.
Was soll ich sagen? 
Ein großer Regisseur hat einen nicht guten Film gemacht, ja, gewisse Ähnlichkeiten mit einem öffentlich-rechtlichen gutgemeinten Fernsehfilm zur "Flüchtlingsproblematik" sind zu finden. Wenig filmisch-erzählende Bilder, viel Erklärtexte zwischen den langen bedeutungsvollen schweigenden Einstellungen, Gute sind gut, Schlechte sind schlecht. Die Typen sind eigenartiger, der Humor dunkler. Aber sonst? Ich bin viel lieber begeistert.

Merkwürdiges Interview mit dem Regisseur (zu einem anderen Film) 

Finnland. Ein Land über das ich nahezu nichts weiß und das mir sehr exotisch erscheint. Vor Jahren saß ich in Paris in einem Cafe und verfolgte fasziniert einen in äußerst aggressiv klingendem Finnisch geführten Ehekrach, bei dem die beiden beteiligten sehr blonden Finnen die ganze Zeit über, circa eine Stunde lang, ihre Nokia-Telefone nicht aus den Augen ließen. 
Was weiß ich über Finnland? Karusmäki, die Leningrad Cowboys, finnischer Tango, Apocalyptica, Männer-Schreichöre(supergeil!), finnische Schüler schneiden bei der Pisa-Studie exzellent ab, die Winter sind sehr dunkel, es wird heftigst getrunken, die Hauptstadt heißt Helsinki, der finnisch-russische Winterkrieg 1939, aber auch: über den zugefrorenen Ladogasee wurde Nahrung für das hungernde Leningrad transportiert, Nokia, die finnugrische Sprache völlig, gänzlich fremd klingend, Samen und Lappen wohnen dort und Rentiere, Brechts "Puntila" (ursprünglicher Titel: „Der Gutsherr Iso-Heikkilä und sein Knecht Kalle" Kritik der Uraufführung) wurde dort geschrieben und meine Mutter hat dort ein Jahr auf ihrer Flucht vor den Nazis überleben können, dank Hella Wuolijoki. Und sie konnte noch mit 80 auf Finnisch bis drei zählen. Iksi, kaksi, kolme.

Überraschende Fakten über Finnland




Zu dem finnischen Schreichor: Mieskuoro Huutajat (Männerchor Die Rufer) ist ein finnischer Männerchor, mit der Besonderheit, dass die Mitglieder nicht im klassischen Sinne singen, sondern überwiegend rufen, schreien, brüllen oder laut sprechen. 1987 in der nordfinnischen Industriestadt Oulu von etwa 20 Männern, die „offensichtlich nichts Besseres zu tun hatten“, gegründet, hat es der Chor mittlerweile zu internationaler Berühmtheit und Auftritten in aller Welt gebracht. Charakteristisch für die Huutajat sind Krawatten aus schwarzem Gummi zu schwarzen Anzügen und weißen Hemden. Geleitet wird der mittlerweile auf 30 Mitglieder gewachsene Chor von dem Dirigenten und Komponisten Petri Sirviö.

Kalinka - geschrien

Mittwoch, 29. März 2017

Wie kaputt bin ich - 2 Hollywoodfilme

Tom Ford & Barry Jenkins, "Nocturnal Animals" & "Moonlight", der eine Film ratschte am hochgelobten Oscar vorbei, der andere gewann ihn, nach idiotischer Verwirrung, doch. Unüberbrückbare Erzählwelten liegen dazwischen.

Der eine Film, "Moonlight", versichert sich seiner Glaubwürdigkeit ausschließlch aus sich selbst. Wir sind schwarz, aufgezogen von Müttern ohne anwesende Väter, wir sind Opfer, wir verdienen Besseres. Die Handlung verläuft gradlinig, die Figuren bleiben unantastbar, gut oder schlecht, Heilige, Märtyrer oder wderstandslose Täter, im schlimmsten Fall durch Drogen moralisch geschwächt, niemand lädt durch eigene Entscheidungen Schuld auf sich, das unaufhaltbare Rad der Rassenverachtung zermalmt jeden Mitspieler, blind und unvermeidlich. Der Widerstand, der geleistet wird, ist einer, der einem unantastbaren Kern von Gutsein, Bessersein entspringt. Jedermann leidet, aber niemand übernimmt zumindest anteilig Verantwortung. Täter, Opfer, Holzschnitt, Propaganda und Feststellung die keinen Widerspruch duldet. Die USA ist ein ungewöhnlich prüdes Land, dort macht der Film mehr Sinn, schwul & schwarz, eine harte Kombination in einer so konservativen Gesellschaft. Aber was ich sah, war quasi religiöse Verklärung von großem realen Leid.


Tom Ford, weiß, schwul, privilegiert und sich dieser Umstände außerordentlich bewußt, geht diffiziler vor. Er mutet jedem von uns alles zu. Hier ist Vertrauen das Thema, Vertrauen gegen alle Vermutungen. Wie existentiell kann eine Verwundung sein? Verwöhnte Weiße verlieren den Boden unter ihren Füßen. Ich war eben noch entspannt und erfolgreich, aber jetzt bin ich ohne jede Orientierung. Selbstgewißheit ist eine uns allen eingeimpfte Absicherung. Aber zwischen unserem Leben und dem Abgrund liegen nur Sekunden. Ich wollte immer wieder panisch ausschalten, gut, dass ich den Film ausgehalten habe.

Mittwoch, 8. März 2017

Manchmal muß man einfach mitten im Film weggehen.

Ich als bekennender und recht wahlloser Filmliebhaber habe innerhalb des letzten Monats zweimal nach nicht einmal dreissig Minuten das Kino verlassen. Unerhört. 
Es gibt tolle Filme, gute Filme, öde Filme, schlechte Filme, aber am schlimmsten sind prätentiöse Filme. Erst La-La-Land und heute abend Silence. WtF! 

In Folge frühkindlicher Verwöhnung mit hochartifiziellen, wunderbaren Musikfilmen von Top Hat bis Funny Girl, nach inneren Kniefällen vor Gene Kelly und Fred Astaire war mir der angestrengt neckische Charme von La-La-Land im Verein mit den mäßigen Tanz-und Gesangskünsten der Spieler zu blöde, um zu bleiben. Die Choreographien waren auf das für Anfänger machbare Maß zugeschnitten, die Lieder auch. Und um eins klarzustellen, Kitsch ist nicht, was ich verachte, immerhin habe ich Pretty Woman gemocht, nur muß er zugeben, was er ist. Hier wurde mit dem "Wir-können-das-nicht-so-gut" getändelt. Erfolgsorientierte verlogene Harmlosigkeit. Und ich habe auch immer mehr das Gefühl, dass Ryan Gosling in Gefahr ist, zum Darsteller seiner selbst zu versteinern.

Heute Silence von Martin Scorsese mit Andrew Garfield, den ich sonst gern sehe - Vorspann, unterlegte Musik, Musik bricht ab, Stille, der Titel erscheint: Stille
Wabernde Nebel, viel Feuchtigkeit, fein schmutzig geschminkte Gesichter, angstvolle Augen in riesigen Nahaufnahmen, Lumpen und eine dunkle hauchige Stimme spricht glaubensbebende Sätze aus dem Off. Und wenn ich mal über Rassismus auf der Leinwand reden darf, viele zitternde, demütige, arme, arme Japaner, begrüssen beglückt die Ankunft der zwei opferbereiten Jesuiten, sie sind dazu angehalten zu spielen, als wären  sie in der unkomischen katholischen Version vom Pink Panther besetzt. 

Herbert Tsangtse "Burt" Kwouk, OBE (pronounced KWOK; Chinese: 郭弼; 18 July 1930 – 24 May 2016) was a British actor, known for his role as Cato in the Pink Panther films. 
https://www.youtube.com/watch?v=IA8QrOAghZ0

Und Yoshi Oida ist einer der japanischen Darsteller. Er hat bei Peter Brook gespielt und bei Greenaway im "Pillowbook - Die Bettlektüre", einem meiner Lieblingsfilme!
Martin Scorsese, ein großer Regisseur, gefällt von seinem Kinderglauben, seine Heiligenbildchen treffen auf den American Dream vom einfach strukturierten Kampf zwischen Gut und Böse, was hier das Duell der herzigen Jesuiten gegen die japanischen Bösewichter ist. Die Japse begreifen einfach nicht, wie gut Katholizismus für sie wäre.
1986 hat Roland Joffé "Mission" gedreht mit Rober De Niro, Jeremy Irons und der Filmmusik von Ennio Morricone, falls es euch interessiert, welch heiliger Wahnsinn nötig war, um den Versuch zu unternehmen, ganze Kontinente zu missionieren.


Jeremy Irons aka Pater Gabriel spielt im südamerikanischen Dschungel die Oboe.

Sonntag, 26. Februar 2017

EIN KAFFE IM KIEZ

Prenzlauer Berg, die Polizei verhaftet zu sechst unter hysterischem Blaulicht einen laut brüllenden Mann. Auf der anderen Strassenseite ein mittelgroßer gemütlicher Raum mit Ladenfenster, eine Theke, zusammengewürfelte Sitzgelegenheiten, guter Kaffee. Jeden Donnerstag werden hier DEFA-Filmean die Wand geworfen, das Publikum ist altersdurchmischt mit leichter Schlagseite nach oben, und kommt "bis aus Marzahn". Und an einem Samstag monatlich werden Theateraufzeichnungen gezeigt, von Schroth, Weckwerth, Ruprecht, Tom Schilling, Karge/Langhoff, Alex Lang und anderen. Hier ist ein Liebhaber am Werk.


Gestern war es knackend voll. Soll meist so sein, also vorbestellen! Ich habe mir dort einen Film angesehen, den ich vor 27 Jahren gedreht hatte und nie gesehen habe. Wie sehr merkwürdig. Das Jahr war 1989, die Vorlage von Christa Wolf, der Regisseur Peter Vogel und der Titel ist "Selbstversuch". Das DDR-Fernsehen hat ihn 1990 ausgestrahlt, da hatte ich Anderes im Kopf.
Wie sehr merkwürdig. 
Die Lieblingsnichte sagte: "Der Film hatte so eine bedrückende Stimmung, aber das sollte so sein." Sie ist schlau.

http://www.zeit.de/1990/20/der-neue-mann 

KAFFE

Immanuelkirchstraße 6
10405 Berlin | Prenzlauer Berg
Öffnungszeiten | Opening Hours
Montag bis Freitag : 7:30 - 19:00
Monday to Friday
Samstag | Saturday : 9:00 - 19:00
Sonntag | Sunday : 9:00 - 19:00


http://www.kaffe-kaffe.de/

Freitag, 17. Februar 2017

In Zeiten des abnehmenden Lichts - Väter und Söhne und sehr viel Einsamkeit

"Ich persönlich", hätte Wolfgang Ruge am Ende gesagt, „habe insgesamt, ein ersprießliches Dasein gehabt. Aber die Welt ist nicht zu retten.", sagt sein Sohn.


"Das Leben der Anderen" hat mir mißfallen, trotz Oscarehren und trotz Ulrich Mühe. Die übermäßig melodramatische Erzählweise, die Verheiligung des Leidens und die sich daraus ergebende Verwandlung der DDR in eine emotionsüberladene Soap-Opera in dunkelbunt, fand ich weder hilfreich noch erhellend. 
Das mittelmäßige Begehren, der kleinbürgerliche Traum, das "Wir wursteln uns so durch" wurde ausgespart, aber auch die entsetzliche Unfähigkeit den großen Plan aufzugeben, weil der Preis der bereits gezahlt wurde, zu hoch war.
Die Liebe besiegt alles, mag hoffnungsspendend klingen, ist aber zu kurz gedacht, wenn ein gigantischer Traum sich in sein Gegenteil verkehrt und ganze Völker nachlässig verrecken läßt, weil es zu schmerzhaft wäre, die Utopie auf ihre Realittstauglichkeit zu überprüfen. 

Vorlage ist der Roman gleichen Titels von Eugen Ruge, über dessen Vater lese ich in Wikipedia Folgendes:
Ruge wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf, er war junger Pionier und Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes. Nach der NS-Machtübernahme flüchteten er und seine Familie 1933 in die Sowjetunion. Dort wurde sein älterer Bruder Walter Ruge verhaftet und der Vater Erwin Ruge im Frühjahr 1938 in das nationalsozialistische Deutschland abgeschoben. Ruge studierte nach seinem Abitur Geschichte in Moskau. Fassungslos erlebte er dort mit, wie sich unter dem Terror Mitte der 1930er Jahre die Reihen der Altkommunisten und Emigranten lichteten. Nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion wurde er zusammen mit seiner zweiten Ehefrau wegen seiner deutschen Herkunft nach Kasachstan deportiert, ein Jahr später von ihr getrennt und als Zwangsarbeiter in ein Straflager des Gulags in den Nordural verschickt. Dort wurde er unter Bedingungen der völligen Willkür und Essenzuteilung nach Normerfüllung zu Schwerstarbeit, wie Holzfällen, eingesetzt. Drei Jahre nach Ende des Krieges zerschlugen sich Ruges Hoffnungen, das Lager als freier Bürger verlassen und zu seiner Frau in die Steppe zurückkehren zu können. Seine Strafe wurde in „Ewige Verbannung“ umgewandelt. Er durfte den Lagerort per Dekret zeitlebens nicht mehr verlassen. Ruge konnte jedoch 1948 unter Umgehung des Verbannungsregimes ein Fernstudium der Geschichte in Swerdlowsk absolvieren. Im Nordural-Straflager Soswa fristete Ruge ein karges Leben zusammen mit seiner dritten Frau. Erst 1956 gelang Ruge zusammen mit seiner Frau und zweijährigem Sohn Eugen die Ausreise in die DDR. Ihm wurde eine Stelle am Institut für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften in Berlin angeboten.
 
Das Drehbuch hat der große Wolfgang Kohlhaase geschrieben.
Wolfgang Kohlhaase ist ein Sohn des Maschinenschlossers Karl Kohlhaase und seiner Frau Charlotte. Er wuchs in Berlin-Adlershof auf und besuchte die Volks- und Mittelschule. Schon während der Schulzeit begann er zu schreiben und wurde 1947 Volontär und Redakteur bei der Jugendzeitschrift Start. Ein Exemplar von Start mit einem Artikel von Kohlhaase erreichte auch das sowjetische Kriegsgefangenenlager, in dem sich 1947 Kohlhaase senior, sein Vater, befand. Sein Vater stieg damit im Ansehen bei der Gefängnisleitung, er erhielt mehr Essen als auch leichtere Arbeit und konnte so das Lager überleben. 

Matti Geschonneck führte Regie. Über seinen Vater Erwin schreibt Wiki:
Geschonneck war Sohn eines Flickschusters und Nachtwächters. 1908 übersiedelte die Familie nach Berlin in die Rosenthaler Vorstadt. Geschonneck verdiente nach dem Schulabschluss seinen Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter, Bürobote und Hausdiener. 1929 trat er der KPD bei und spielte in kommunistischen Laienspiel-, Agitprop- und Kabarettgruppen; 1931 hatte er in Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? seine erste kleine Filmrolle. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte er 1933 über Polen in die Sowjetunion. 1938 wurde er vom NKWD zum Verlassen der Sowjetunion gezwungen. In Prag wurde er am 31. März 1939 verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Er war Gefangener in den KZ Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Am 3. Mai 1945 überlebte er den Untergang des in der Lübecker Bucht von britischen Flugzeugen versenkten KZ-Schiffes Cap Arcona.... Was für eine Biographie. 
In den "Zeiten des abnehmenden Lichts" bröselt der sogenannte Sozialismus  langsam in Richtung seines Untergangs, aber es wird auch von den unglaublichen Opfern berichtet, die die zu Recht Untergehenden einst gebracht haben.

EIN RUNDER GEBURTSTAG IN DER DDR 1989
Der Urgroßvater wird 90, Bruno Ganz in würdiger Vertretung für Erwin Geschonneck, ein Stalinist ohne wirklich große Karriere, weil er in der "falschen" Emigration, der im Westen, war. Die Urgroßmutter, es hätte Inge Keller sein sollen, auch wenn Hildegard Schmahl großartig ist, ihre großbürgerlichen, weltoffenen Träume ersticken in realsozialistischer Spießigkeit, ein Eiertanz zwischen Grandezza und Überheblichkeit. Der Großvater und Sohn, Professor des ddrischen Rechts mit Jahren im sibirischen Lager und einem erschlagenen Bruder auf der Seele, sehnt sich verzweifelt nach Ausgleich, Verbindung, Sylvester Groth. Dessen Sohn, Enkel des Alten, haut ab, macht rüber. Sein Sohn wiederum, der Urenkel bekommt vom Urgroßvater anstatt des ersehnten Dinosauriers, einen getrockneten Iguana, den der aus dem mexikanischen Exil mitgebracht hat. 
Die Buddenbrocks des kommunistischen Verfalls. Und um sie herum die Geburtstagsgäste, ich kenne sie alle, alle - was für ein herrlich gräßlicher Haufen Realsozialismus. Die, ohne Traum, die, denen die Hoffnung ausgetrieben wurde. Aber eben auch die Haushälterin, die ihre indignierte Herrin wunderbar penetrant Lotti nennt und die Gemüsehändlerin, die nicht auf dem Fest bleiben kann, weil heute noch Kohlrabi geliefert wird. 
https://www.welt.de/kultur/history/article13813554/Als-in-Stalins-Lagerhoelle-die-Utopie-starb.html  Der Film kommt im Juni in die Kinos und es würde sich lohnen, hinzugehen und zu schauen.

Dienstag, 14. Februar 2017

FÜNF STERNE - Ein Film über Freundschaft & Tod

FÜNF STERNE
FIVE STARS
Ein Dokumentarfilm von Annekatrin Hendel
Schnitt Rune Schweitzer


Vorweg, ich habe heute einen ungewöhnlichen, spannenden, verstörenden Dokumentar-Spielfilm gesehen. Er wird im Rahmen der Berlinale noch dreimal gezeigt: 
am 14. 2. 14:30 Uhr im Cinestar 7,
am 15. 2. 14:30 Uhr im Colosseum 1
und am 17. 2. 17:00 Uhr im Cinestar 7.


Fünf Sterne hat das Hotel an der Ostsee, in das Annekatrin Hendel und Ines Rastig sich im Januar 2016 einquartieren. Seit 33 Jahren sind die beiden Frauen befreundet. Das 36 Quadratmeter große Zimmer, das sie sich während ihres Urlaubs teilen, verlassen die beiden während ihres Aufenthalts am Meer nur selten. Stattdessen reden sie. Vor zwei Monaten hatte Ines Rastig die Diagnose erhalten, dass sie Lungenkrebs hat. moviepilot

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser...


Ich grüble. Ein Film einer klugen, warmen Frau über eine Freundin, von der sie weiß, dass sie bald sterben wird. Entstanden als Experiment und doch jetzt zu sehen als vollständiger Film. Diese Tatsachen erzeugen fast unerträgliche Intimität, aber sie setzen mich, als Zuschauer, der Ines Rastig nicht kannte, auch ungeheuer unter Druck. Die Heldin wird von der Filmemacherin geliebt und sie ist schwer krank, alles was geschieht, gesagt wird, jeder Blick, jede Zigarette, die geraucht wird, sehe ich unter diesen Vorzeichen. Ich erlebe Ausschnitte dieser intensiven vier Wochen, durchlebt von zwei Freundinnen und bin unfrei in meinen Reaktionen, denn ich weiß, hier hat der Tod das letzte Wort. Eigenartige Situation.



Der Film wurde in einem Hotel in Ahrenshoop gedreht. Die Besitzer vergeben ein Stipendium für Schriftsteller, das einen kostenlosen Aufenthalt im Fünf Sterne Hotel "The Grand" einschließt. Hut ab vor Daniela & Oliver Schmidt.
http://the-grand.de/de/

Donnerstag, 2. Februar 2017

Willkommen bei den Hartmanns - Alles falsch und doch nicht falsch.

Boko Haram heißt "Bücher sind Sünde"

Boko Haram ist eine islamistische Gruppierung in Nigeria. Sie setzt sich für die Einführung der Scharia in ganz Nigeria und das Verbot westlicher Bildung ein; auch die Beteiligung an Wahlen lehnt sie ab. Boko Haram ist bekannt für die Ermordung von Christen und von Muslimen, sagt Wiki. 


Boko Haram entführt junge Schülerinnen, um sie daran zu hindern, zu lernen. Anstatt dessen sollen sie islamistischen Kämpfern als Vorgeschmack der versprochenenen 72 paradiesischen Jungfrauen dienen. Immer wieder panische egomanische Männer, die Frauen für das Elend der Welt verantwortlich machen und damit unerträgliche Gewalttaten rechtfertigen

Wieder einmal eine deutsche Komödie, ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich.

Alles falsch, weil die Hauptfiguren, eben diese Hartmanns eine ungewöhnlich wohlhabende deutsche Familie ohne die geringsten sozialen Probleme ist. Ihr Reichtum ist die Grundlage ihrer Nettigkeit. Der Flüchtling, ihr Flüchtling, Diallo Makabouri, ein nigerianischer Bürger mit wahrhaft schrecklichen Erinnerungen an die Gewaltaten des Boko Haram wird gespielt von Eric Kabongo, einem belgischen Musiker und Schauspieler, der hinreißend hübsch und hochcharmant ist. Elias M'Barek, erster östereichischer Star tunesischer Abstammung, ist ebenfalls gutaussehend und sehr lustig. Die Vertreter der staatlichen Gewalt haben den Schritt in die Gefilde des Idiotischen schon lange hinter sich gelassen. Und die Menge der behandelten Themen überschreitet bei weitem die Fassungskraft von 90 Filmminuten.
 

ABER doch nicht falsch, weil der Film als Film funktioniert, weil Senta Berger und Heiner Lauterbach ehrenhaft gealterte, ernsthafte gute Schauspieler sind, Simon Verhoeven ein sicheres Gefühl für Timing hat und sein Anstand stärker ist als seine Eitelkeit. Und weil ich froh bin, dass hier versucht wird, unser aller Verwirrung zwischen Merkels "Wir schaffen das" und unserer berechtigten privaten Ängstlichkeit, einen Raum zu geben.


Leider hat man auf dem Plakat bei der Aufzählung der Mitwirkenden irgendwie den Namen des belgischen Mitspielers, des zentralen Charakters, vergessen, ausgelassen.


What The Fuck?

Bücher sind Sünde, Wissen ist schlecht, Fakten sind unsicher. Das ist Methode. 
Ich glaube, wider alle Angriffe, an die Macht der Realität.

Donnerstag, 12. Januar 2017

Belanglose Hollywoodfilme

Die Probebühne hier liegt recht weit weg in einem Industriegebiet, also probieren wir, wenn es möglich ist, nur einmal und dafür länger, demzufolge sind eine Menge Abende frei. Was tun? Arbeiten. Lesen. Mir alles angucken, was am Theater läuft. Ins Kino gehen.
La La Land startet erst am Donnerstag, Arrival habe ich schon gesehen, Animationsfilme gucke ich nur mit der Lieblingsnichte, übrigens sehr zu empfehlen Pets, und in Vier Gegen Die Bank würde mich nur das Versprechen ewigen Lebens bringen und selbst dann würde ich nochmal ernsthaft abwägen müssen.
Es blieb, da das hiesige zentrale feine Programmkino einem Einkaufcenter weichen mußte und das andere, kleinere nur recht selten spielt, Passengers und Assassin's Creed und The Accountant.
The Accountant zuerst: Eins zu eins Thriller, Affleck ein bisschen aufgequollen, aber sehenswert, ein Polizeichef von Law and Order auf der größeren Leinwand und sehr gut, Autismus, Geldwäsche, Nahkampf und etwas Liebe, ok und weiter nichts.
Passengers: Science Fiction Kitsch mit zwei guten Darstellern (Jennifer Lawrence und Chris Pratt), deren Chemie, der eines billigen Chemiebaukastens für Fünftklässler gleicht. Glatt, öde, ununterhaltend. Schon vergessen.
Assassin's Creed: Science-Mittelalter Kitsch mit einer tollen Verfolgungsjagd. Justin Kurzel, der Regisseur, ist es schon in Macbeth gelungen Marion Cottillard und Michael Fassbender davon zu überzeugen, das lange ernste Blicke mit strengen Stirnfalten (er) und Tränen die am unteren Lidrand hängen (sie), sichere Zeichen großer Schauspielkunst sind. Verrückt, wie zwei wirklich gute Spieler auf solch pseudobedeutungsschwangeren Mumpitz reinfallen können. Beide haben Filme gemacht, in denen ich die Not ihrer Figuren fasziniert aus kaum sichtbaren Zeichen herausschälen mußte. Da war ich am arbeiten. Ich war der Entdecker der Verzweiflung. Und ich war glücklich. Shame oder Der Geschmack von Rost und Knochen zum Beispiel. Oder sie haben Spaßfilme gemacht, lustig, oberfächlich und genau, das, was mir versprochen wurde - X-Men oder The Dark Knight Rises. Und dann kommt so ein Herr Kurzel und findet scheinbar ihren schwachen Punkt und sie spielen für ihn was der Klischeebaukasten hergibt. Verrückt. 
Ich hab so sehr gern geweint auf der Bühne und hatte glücklicherweise das Glück, oft auf Regisseure zu treffen, die gesagt haben: "Schön, aber mach was anderes!"

http://johannaschall.blogspot.de/2015/12/macbeth-der-film-ein-gefuhlsporno.html

Montag, 26. Dezember 2016

Marketa Lazarova

Was wußte ich bevor ich den Film sah? Der Regisseur heißt František Vláčil, ein Name, der mir, ich gebe es zu, nichts sagte. Der Film gilt nach einer bedeutenden nationalen Umfrage als bester tschechischer Film aller Zeiten und hat auf Rotten Tomatoes eine 100% Wertung, was heißt, 9 Kritiker von neun fanden ihn gut, bei der Publikumsumfrage kam er immerhin auf 90%. Gedreht wurde er 1965 in, man merke, 548 Tagen, und also drei Jahre bevor russische Panzer die Prager Revolte niederrollten.
Der Film ist drei Stunden lang, die erste halbe Stunde war ich bockig und dann habe ich einfach nur noch geguckt.
Was habe ich gesehen? 
Zuerst die schlechte Nachricht: eine Urform von Game of Thrones mit stark katholischer Färbung, der Mensch ist schlecht oder er wird zum Märtyrer, Frauen retten Männer durch selbstlose Hingabe, Dreck & Blut, Pfeile treffen Augäpfel und böse alte Männer treiben ihre Kinder in den Untergang. Gewalt oder Unterwerfung, und rein gar nix dazwischen.



Aber, und welch ein Aber, Beda Batka (Bedrich Batka) photographierte diesen schwarz-weißen Film, als gäbe es keine Regeln, als wäre sein Auge frei. 
Menschen drücken sich in den Bildrand, verlassen das Licht und suchen im Schatten schamvoll Unterkunft. Landschaften leben, Tiere greifen in Dialoge ein, komplizierte lange Kameraschwenks wandern von Gesichtern in die Weite und ganz nah in weitaufgerissene Augen. Wir haben das Jahr 1967, jeder Kameramann, meist unter dicken Decken schwitzend, um das Geräusch der riesigen, surrenden Kameras abzuschwächen, hatte einen Schärfezieher - und dieser hier war ein großer Künstler, der Mann unter der Decke allerdings auch. Er hat nicht viele Filme gedreht und lehrt heute an der Tisch School in New York Studenten sein Handwerk.
Einige großartige Schauspieler spielen mit, und mein Hirn suchte fieberhaft nach den Filmen, in denen ich sie gesehen hatte. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, Werner Holt, Salto Mortale habe ich dann gegoogelt.
Keine abgefilmte Diskussion wichtiger Themen, keine Bebilderung dramatischen Geschehens, keine Illustration tiefer Gefühle, all dies nicht, ein Filmfilm, Jede Einstellung ein Bild des Ganzen, jeder Schnitt ein Teil des notwendigen Rhythmus.



Freitag, 16. Dezember 2016

"Arrival" im Kino Central

Das Central sieht von außen wie eine völlig versiffte, ziemlich heruntergekommene Kneipe aus und ist innen eines der angenehmsten Kinos Berlins. Es hat zwei kleine Säle für 96 bzw. 65 Zuschauer, sehr nettes Personal an der Kasse, es gibt ein gutes Kinderprogramm und überhaupt ist die Filmauswahl toll. Nimmt man noch das 50 Meter entfernte Kino in den Hackeschen Höfen dazu, ist man filmwunschtechnisch glücklichst abgedeckt.
Heute also "Arrival".


Dieser Film ist in etwa so sehr ein Science-Fiction, wie es  Kubricks "2001" ist. Er basiert auf einer Kurzgeschichte von Ted Chiang, "Die Geschichte Deines Lebens".  
Die gerade in der richtigen Geschwindigkeit ablaufende, recht komplizierte Geschichte wird zu großen Teilen über das Gesicht von Amy Adams erzählt. Ein fast ungeschminktes, wunderschönes, erwachsenes Gesicht, das lebt und denkt und leuchtet. Der Soundtrack und überhaupt der Einsatz von Geräuschen ist sehr intelligent und darum spannend. Tolle Bilder, ungewöhnlich und filmisch. Und es wird nicht unnötig gequatscht. Forest Whitaker und Jeremy Renner sind hervorragend als zweite Reihe.
Wenn wir wüßten was mit und um uns geschehen wird, würde uns dann die Kraft zuwachsen, unseren Instinkten zu vertrauen? Oder würden wir in vorraussehender Panik erstarren? Würden wir lieben, wenn wir sicher wüßten, dass und wann die Liebe endet? Unser sicherer Tod hindert uns nicht am Leben, aber er verführt uns zur Absicherung. Denn lohnt sich Risiko überhaupt, wenn so wenig Zeit ist? Oder müssen wir alle mögliche Traurigkeit in Kauf nehmen, um nicht unser Leben zu verpassen?

Und dann war da noch die bisher schönste Darstellung von Schwerelosigkeit, die ich gesehen habe: wenn Amy Adams Haare über ihrem Kopf schweben aus einem Gemälde von Max Ernst zitiert.

 Max Ernst 1940 Die Einkleidung der Braut

Ich bin sehr froh aus dem Film gegangen.

Sonntag, 4. Dezember 2016

Phantastische Tiere

Mein kulturgefülltes Adventswochenende.

Die Perlen der Cleopatra ist eine Operette in drei Akten von Oscar Straus nach einem Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald. In der Uraufführung am 17. November 1923 am Theater an der Wien in Wien spielten Fritzi Massary, Richard Tauber und Max Pallenberg die Hauptrollen.
Es gäbe sicher über Vieles viel zu sagen, werde ich aber nicht, sondern nur über Eine: Dagmar Manzel kann zaubern. Singen, na klar! Übrigens drei Oktaven! Spielen, und wie! Berlinern, und zwar echt. Sie ist schnell wie der Blitz und zart wie Seide und grell wie eine geile Neonwerbung und locker, selbst wenn sie aufgeregt ist. Sie hat Charme und Chuzpe. Sie ist cool. Dieses Genre war tot und Kowski und Dagmar haben ihm neues Leben eingehaucht. Das macht ihr keiner nach! Ihr merkt schon, ich bin ein Fan.

 Leider gab es keine Copyright Angabe zu diesem Photo.

Canova & der Tanz - Antonio Canova (1757 in Possagno – 1822 in Venedig), der bedeutendste Bildhauer des italienischen Neoklassizismus, hatte eine jahrzehntelange Passion für den Tanz. Die Ausstellung widmet sich seinem Lieblingsthema.




Die Dame ist allerdings nicht von Canova, sondern heißt "Berliner Tänzerin" und ist römisch, eine Kopie aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. nach einem griechischen Original. Nach Meinung von Dierks-Kiehl handelt es sich um eine Tänzerin mit einer Doppelflöte in beiden Händen, gegen diese Meinung Raeder, der eine Thyrsos-schwingende Mänade für wahrscheinlicher hält; Haltung: tänzelnd. (Arachne)
Und wenn man um sie herumgeht, weht ds leichte Kleid nach oben und enthüllt ihren hinreißenden klleinen Hintern, ganz keusch. 

 

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind ist ein Film von David Yates, der Elemente aus dem gleichnamigen Buch enthält, das von Joanne K. Rowling, als Begleitwerk zu den Harry Potter Romanen geschrieben wurde und zu dem sie auch das Drehbuch verfaßt hat.
Das magische Zoologiebuch Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind (im Original: Fantastic Beasts and Where to Find Them) von Newt Scamander benutzt Harry Potter seit der ersten Klasse in Hogwarts. 
http://de.harry-potter.wikia.com

Tolle Tricks, wirklich phantastische Tiere, Eddie Redmayne ist zu ehrgeizig, aber drumherum spielen gute Leute, da fällt es nicht so doll auf, die Schlußpointe ist überraschend und es soll noch vier weitere Filme in dieser Reihe geben. 

Samstag, 26. November 2016

Ich, Daniel Blake ein Film von Ken Loach



Der Film Ich, Daniel Blake mit Dave Johns als Daniel Blake und Hayley Squires als Katie, ist ein nachtschwarzes realistisches Märchen - es ist jetzt und als sie dann gestorben sind - die Art von Nachtschwarz bei der man aus Angst singen muß. 
Daniel ist ein verwitwter Schreiner, der nach einem Herzinfarkt von einem Arzt mitgeteilt bekommt, dass er längere Zeit lang nicht wird arbeiten dürfen. Das Sozialamt hat aber die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit an eine amerikanische Firma "outgesourced", die ihn als arbeitsfähig einstuft. (Die unter Schwarzbild laufende Befragung durch eine Gesundheitsfürsorge-Mitarbeiterin ist erstklassige Comedy.) So steht er tropfnass und frierend zwischen Regen und Traufe und gerät immer tiefer in die Reißmühlen der Bürokratie, der durchgeregelten auswegslosen Unmenschlichkeit. Er kämpft, er reißt Witze, er hilft anderen, er versucht den Aufstand, er unterliegt. Sehr viele hilfsbereite, reizende Leute begegnen ihm, aber das hilft gar nichts. Es gibt keine Lösungen, niemand ist wirklich schuld, die vollständige Entfremdung zwischen Staat und Bürger ist unüberwindbar.
Ich habe geweint, aber nicht aus Sentimentalität. Wenn ich über Armut nicht mehr weine, sollte ich mir wahrscheinlich einen Strick nehmen. Und dann noch Armut in unseren reichen Ländern. Wir haben keine Ausrede. Wenn hier Menschen hungern, ist es auch unser Verschulden. 
Heute nachmittag war ich in der Suppenküche in Pankow und habe lauter Daniel Blakes gesehen. Manche sind Trinker, Junkies und völlig verwahrlost, manche bemühen sich ihre äußere Erscheinung so akkurat wie irgend möglich zu halten. Alle sind arm. 
http://franziskaner.net/werke/suppenkuecheberlin/ 

Franziskanerkloster Pankow
(Berliner Volksbank)
IBAN: DE32 1009 0000 1277 5560 02
BIC: BEVODEBB

 
Wiki definiert Armut so:
Armut bezeichnet primär die mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Kleidung, Nahrung, Wohnung und Erhaltung des Lebens. Im weiteren und übertragenen Sinn ist Armut allgemein ein Mangel.
und
Die Herkunft des zugrundeliegenden Adjektivs arm ist zwar umstritten, wird aber mehrheitlich auf die germanische Wurzel *arҍma- zurückgeführt, das "vereinsamt, verwaist, verlassen" bedeutet und mit griech. erḗmos (ἐρῆμος) „einsam“ in Verbindung gebracht wird.
Gewiss, der Film spielt in England, und ein deutscher Film dieser Leichtigkeit und gnadenlosen Härte ist unvorstellbar, aber was er über Alleingelassenwerden in höchster Not, durch Ämter, Paragraphen, den STAAT, der doch uns allen dienen sollte, erzählt ist unerträglich und wahr. Kapitalismuskritik, ich wage mich kaum das Wort zu verwenden, aber es trifft genau. Was können wir tun?
 
Zitat aus der Kritik in der Süddeutschen: Wenn man der Arbeiterklasse ein filmisches Denkmal errichten wollte - so sähe es aus.

Freigabebescheinigung
FSK FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE DER FILMWIRTSCHAFT GmbH
Prüf-Nr.: 163356/K Kino
Der Film Ich, Daniel Blake
Originaltitel I, DANIEL BLAKE
Verleiher Prokino Filmverleih GmbH, München
Herstellungsland GB
Herstellungsjahr 2016
Laufzeit 24fps: 100:32 25fps: 096:31
wurde im Auftrag der Obersten Landesjugendbehörden von der FSK Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH nach § 11 i.V.m.§ 14 JuSchG geprüft. Die Prüfung hatte das Ergebnis, dass der Film zur öffentlichen Vorführung für die Altersstufe an allen Tagen des Jahres (einschließlich der gesetzlich geschützten Stillen Feiertage)freigegeben werden kann.
„Freigegeben ab 6 (sechs) Jahren“
Wiesbaden, den 24.10.2016
  
http://www.sueddeutsche.de/kultur/neu-im-kino-ich-daniel-blake-ist-eine-bittere-anklage-gegen-den-britischen-sozialstaat-1.3262567