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Sonntag, 19. Oktober 2014

The Little Shop of Horrors - Der Kleine Horrorladen


Eines der schlimmsten Dinge, die du tun kannst, ist, mit einem kleinen Budget einen Film machen zu wollen, der irgendwie groß aussieht. Auf die Art endest du mit sehr schlechter Arbeit.


One of the worst things you can do is have a limited budget and try to do some big looking film. That's when you end up with very bad work.

Roger Corman
Das gilt auch für Musicals!
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Heute Abend habe ich "Der Kleine Horrorladen" im Theater Heilbronn besucht, sorgsam in Szene gesetzt von Jasper Brandis & mit Begeisterung und unterschiedlichst ausgebildeten Stimmen dargeboten von den Schauspielern des Heilbronner Ensembles, ein gutes Musical ohne trainierte Musical Darsteller, vielleicht nicht perfekt gesungen, aber dafür ernsthaft und lustvoll angeboten, genau so, wie ich es mag.
 
 Die außerirdische Pflanze - Feed me!

Ein Musical ist ein Musical ist ein Musical ist ein Musical, um Gertrud Steins Gedichtszeile grob falsch zu zitieren & genau das ist, was ich heute Abend gesehen, gehört und genossen habe. 
Musicals mag man, oder mag sie eben nicht. Meine Mutter, die von Herrn Hitler & friends gezwungen wurde, einen Großteil ihrer Kindheit & Jugend in Los Angeles aka Hollywood zuzubringen, hat mich früh & voll Liebe mit Musicals genährt. Ich kannte schon mit zwölf die unterschiedlichen Stile von Gene Kelly & Fred Astaire & und auch den Einfluss, den ihre verschiedenenen Tanzpartnerinnen auf sie hatten. Cyd Charisse macht Astaire angestrengt kunstvoll, während er sich mit Ginger Rogers, der ewigen Jungfrau, zu leichtsinniger Erotik verführen ließ.  "42nd Street", "Kiss me Kate", "Chicago" & "West Side Story" habe ich mehr als einmal gesehen. Später habe ich dann im Eigenstudium weitergemacht, "Jesus Christ", "Godspell", Stephen Sondheims Meisterwerke &, allerdings nie wirklich begeistert, Andrew Lloyd Webbers Großproduktionen. Auch "Wicked" in New York, "Frühlingserwachen" als Musical ebenda , "Bloodbrothers" in London & "König der Löwen in Hamburg. 
Ich mag gut gemachte Musicals! Gut, es ist gesagt. 
Musik verkürzt den Reaktionsweg, denke ich, ohne den Umweg über das Gehirn, trifft sie, wenn es funktioniert, direkt den Bauch & erzeugt Gefühle. Im schlechten Fall, die allgemeinen, wabberigen, im besten wache und wachmachende.
Heute Abend wurde ich amüsiert. Kein existentielles Erlebnis, aber ich & 600 Schwaben hatten für heute Abend gute Laune.

Das Lied Skid Row aus der Verfilmung des Musicals von 1986
http://www.youtube.com/watch?v=1xPq6W1EoIc

Die Vorlage: "Der Kleine Horrorladen" 1960 mit dem Arbeitstitel "Der Leidenschaftliche Menschenesser" von Roger Corman wurde
in einer Nacht geschrieben, in zwei Tagen & einer Nacht gedreht & ist eine der erfolgreichsten Billigproduktionen überhaupt. DerFilm, ursprünglich in Schwarz/Weiß gedreht, wurde später koloriert.
http://www.youtube.com/watch?v=UhSP0ldQnuk

Roger Corman: ein leidenschaftlicher B-Picture Produzent & Regisseur, hat verblüffend vielen jungen & später enorm erfolgreichen Regisseuren & Schauspielern ihre ersten Arbeitschancen geboten, zum Beispiel: Ron Howard, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Peter Bogdanovich, Jonathan Demme, Curtis Hanson, James Cameron Peter Fonda, Bruce Dern, Dennis Hopper, Rober De Niro & Jack Nicholson.


Die Augen! Die Augen! Es ist alles schon da und in völliger Unschuld!

Die mit Abstand beste Szene aus dem Film: ein blutjunger Jack Nicholson als masochistischer Zahnarztpatient.
http://www.youtube.com/watch?v=RAli9a8bbys

Freitag, 2. Mai 2014

Musik, meine lotterhafte Liebe


Seit Jahren bastele ich mir für jede der vier Jahreszeiten eine eigene Musikliste zusammen, da ich viel durch die deutschen Lande fahre und die das Radio beherrschenden "besten Hits der 70er, 80er, 90er" und die drei bis vier Toptitel der augenblicklichen Verkaufslisten, mir nach kürzester Zeit ungeheuer auf die Nerven gehen, ganz zu schweigen von der mir völlig unverständlichen An- und Absicht der meisten Radiowerbungsmacher, dass ich, was auch immer, kaufen werde, wenn man es mir nur atemlos, angestrengt lustik und manisch schreiend anpreist. Und Radio Eins gibt halt 100 Kilometer von Berlin entfernt den Geist auf! Jedes Mal, wenn ich auf 99,1 wieder Musik höre, weiß ich, gleich bin ich zu Hause!

Meinen musikalischen Geschmack eklektisch zu nennen, wäre eine äußerst höfliche Umschreibung, außerdem ist er Wetter-, Launen-, Liebes- und Arbeitsinteressen abhängig, wankt zwischen wunderbaren Tonwerken und übelstem Kitsch und hat keinerlei Maß, Regel oder irgendjemanden außer mich selbst überzeugende Auswahlkriterien.

Wenn "Cyrano de Bergerac" nur Barockremixe (Ist Remixe überhaupt ein Wort?) braucht, tauchen halt solche in der entsprechenden Liste auf, umrahmt von Discomusik der Zeit der großen Schulterpolster, Alan-Lomax Entdeckungen aus den südlichen Staaten Amerikas, Liedern die sich mir in der Lebenszeit meines ersten Kassettenrekorders, also zwischen 1973 und 1983, ins Gehirn gebrannt haben und Zufallsfunden aller Art. 

Auf der aktuellen Frühjahrsliste 2014 finden sich zum Beispiel Herbie Hancock, The Band, Radical Face, Pharell Williams, Big Bill Bronzy und The Cat Empire in überraschter Gesellschaft. 

Autobahnfahrten sind langweilig, und die wilde Mischung, die mir mein iPod liefert, macht sie um Vieles unterhaltsamer. Aber trotzdem wüßte ich sehr gern, warum mein Ohr, mein Bauch, mein Körper, das eine Lied mag oder sogar liebt, das andere ablehnt und auf ein anderes gar nicht reagiert. Tonfolgen sind etwas zutiefst Persönliches, aber wie wählen wir die aus, die uns berühren, aufheitern, tanzen machen? Wann und wie findet diese hochindividuelle Prägung statt? 

 
Bei mir zu Hause wurde, außer instrumentaler Barockmusik, keinerlei klassische Musik gehört, dann gab es Freddy Quinn und Ernst Busch für meinen Vater und den das Hollywood der Dreissiger Jahre und die jeweils aktuelle Popmusik bevorzugenden Geschmack meiner Mutter. 
Meine erste eigene Platte war Let It Be von den Beatles, ein Geschenk meines Onkels und die biegsamen bunten Plastkscheiben aus der russischen Kinderzeitung Bunte Bilder aka "Wesjolyje kartinki". Frank Schöbel hatte 1971 einen Hit in der Schlagerparade des Westberliner Radiosenders RIAS II mit "Da war Gold in deinen Augen" und meine erste große Verliebtheit hat mir Jethro Tulls "Aqualung" vorgespielt. Er war um einiges älter! 
Ruth Berghaus war die Regisseurin meines ersten und überaus erfreulichen Opernerlebnisses in der Berliner Staatsoper mit ihrer Inszenierung des "Freischütz", und als die drei Brautjugfern "Wir winden dir den Jungfernkranz" im ironisch-seligen Tanztrio darboten, wogte um mich der größte Buh-Orkan meines Lebens auf. Ein Zuschauer hinter mir schrie schrill Buh, während sein künstliches Gebiss sich weigerte seinen Emotionen zu folgen und eisern zusammengebissen blieb. Das Bild vergesse ich nie!
 

Ihr kennt sicherlich dieses Gefühl, wenn sich der Flaum auf euren Unterarmen aufstellt, eine instinktive physische Reaktion, die man nicht wirklich beeinflussen kann, sie ist mein privater ultimater Gradmesser für die Qualität von Musik, aber leider keiner mit dem ich irgendwen beeindrucken könnte. Meine spärliche Körperbehaarung reagiert auf "Unsterbliche Opfer" , Billy Joels "Leningrad" und Teile von Mozarts "Requiem" nämlich in genau gleicher Weise.
Wiki schreibt:
Musik (μουσικὴ [τέχνη]: mousikē technē: „musische Kunst“) ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen. Zu ihrer Erzeugung wird akustisches Material – Töne und Geräusche innerhalb des für den Menschen hörbaren Bereichs –, das einerseits physikalischen Eigengesetzlichkeiten, wie zum Beispiel der Obertonreihe oder Zahlenverhältnissen unterliegt, andererseits durch die Art seiner Erzeugung mit der menschlichen Stimme, mit Musikinstrumenten, elektrischen Tongeneratoren oder anderen Schallquellen gewisse Charakteristika aufweist, vom Menschen geordnet. Aus dem Vorrat eines Tonsystems werden Skalen gebildet. Deren Töne können in unterschiedlicher Lautstärke und Klangfarbe erscheinen und Melodien bilden. Aus der zeitlichen Folge der Töne und Geräusche verschieden langer Dauer entstehen Rhythmen. Aus dem Zusammenklang mehrerer Töne von jeweils anderer Tonhöhe erwächst Mehrstimmigkeit, aus den Beziehungen der Töne untereinander entsteht Harmonik. 

Um Georg Büchner völlig falsch zu zitieren: Was ist das, was in uns fühlt, weint, vibriert - wenn wir Musik hören???

Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin, 
Wir stehen und weinen, voll Schmerz, Herz und Sinn. 
Ihr kämpfet und starbet um kommendes Recht, 
Wir aber, wir trauern, der Zukunft Geschlecht.  

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Victor wurde in eine Rote-Armee-Stadt geschickt
Diente seine Zeit ab, wurde Zirkusclown
Das größte Glück das er jemals fand
War russische Kinder glücklich zu machen
Und Kinder lebten in Leningrad 


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So now I'm going back again
I got to get her somehow
All the people we used to know
They're an illusion to me now
Some are mathematicians
Some are carpenter's wives
Don't know how it all got started
I don't what they're doing with their lives
But me I'm still on the road
Heading for another joint
We always did feel the same
We just saw it from a different point of view
Tangled up in Blue.  


Was verbindet diese Lieder? Was lässt mich mitsummen, vor mich hin singen?

Ein extremes Beispiel: McAthur Park gesungen von Donna Summer, die Aufnahme dauert circa 17 Minuten und sie singt da: 

Someone left the cake out in the rain
I don't think that I can take it
'Cause it took so long to bake it
And I'll never have that recipe again, 
oh noooooo

Am Text kann es nicht liegen. 
Jemand hat den Kuchen im Regen liegen lassen
Ich glaube, ich kann es nicht aushalten
weil es hat so lange gebraucht, ihn zu backen,
und ich werde dieses Rezept nie wieder bekommen
oh neieieieiein

Sonntag, 6. April 2014

ES GEHT EINE DUNKLE WOLK HEREIN


    Dieses Lied habe ich heute gehört. 


Es geht ein dunkle Wolk herein.
Mich deucht, es wird ein Regen sein,
ein Regen aus den Wolken,
wohl in das grüne Gras.

Und kommst du, liebe Sonn, nit bald,
so weset alls im grünen Wald,
und all die müden Blumen,
die haben müden Tod.

Es geht eine dunkle Wolk herein;
Es soll und muss geschieden sein.
Ade, feins Lieb, dein Scheiden
Macht mir das Herze schwer.

       Ein trauriges Lied, schmerzvoll und resigniert beklagt es den nahenden Abschied 
       von der Liebsten als unabwendbar.
       Zu Hause fand ich die ursprüngliche Fassung. 
       Ein junger Schnitter verführt und schwängert ein Mädchen, zieht sich durch die 
       Zahlung von zehn Talern aus der Verantwortung und singt ein recht herzloses Lied 
       über diese Eroberung, während er mit anderen Männern trinkt.

Schwangere Frau - Jacques Fabien Gautier d'Agoty 1710-81
      Wiki sagt: Dunkle Wolken ist ein Volkslied nach der Liederhandschrift des 
      bayerischen Benediktinerpaters Johannes Werlin aus dem Kloster Seeon.
Text der Niederschrift nach einer noch älteren Quelle
um 1630

Es geht ein dunkels Wölklein herein.
Mich dunkt, es wird ein Regelein sein,
ein Regelein aus den Wolken,
wohl in das grüne Gras.

Ja regnet es sehr, so werden wir naß,
bei meinem Buhlen wär mir wol baß,
bei meinem Buhlen alleine,
bei der Herzallerliebsten mein.

Ja scheinet die Sonn, so werden wir trucken
Bei meinem Buhlen so wäre gut schmucken,
bei meinem Buhlen alleine,
in seim Schlafkämmerlein.

Wann G’sellen zu Nacht auf der Gassen gahn,
braun’s Annelein an dem Laden tut stahn.
„Ach, Annelein, bist du drinnen?
Steh auf und laß mich ein!“

„Ich stehe nicht auf und laß dich nicht ein,
mein Türelein muß verschlossen sein,
mein Türelein ist verschlossen.
Der Riegel, der ist für.“

Ich weiß nicht, was der dem Maidlein verhieß,
dass es den Riegel dannen stieß.
Sie stieß ihn an eine Ecke,
sie ließ den Knaben ein.

„Ach Annelein, laß mich zu dir ein!
Aufs Jahr will ich dein eigen sein.
Dein eigen will ich bleiben,
das glaub mir sicher zwar.“

„Du verheißt mir viel und haltest mir wenig
und gibest mir weder Heller noch Pfennig,
dann nur ein guldine Hauben,
die ich nicht tragen darf.“

„Ein guldine Hauben, ein perlene Schnur,
damit bind du dein Härlein zu.“
„Mein Härelein darf keins binden,
muß allezeit fliegen lahn.“

„So stehe ich auf, mach mich darvon.
So musst du nun in Trauren stahn.
In Trauren muß ich doch dich lassen.
Tut dir im Herzen weh.“

„Zeuchst du dahin und lassest mich hie,
was lassest du mir zur Letze hie?
Ein Kindelein in der Wiegen
In eim gelbkrausen Haar.“

Da griff er in sein Säckelein weiß,
und gab ihr zehen Taler mit Fleiß
„Nimm hin wohl für deine Ehre,
die du verschlafen hast!“

Wer ist der uns das Liedlein sang:
Ein junger Schnitter ist er genannt.
Er sange wohl in der Ernte
Bei Met und kühlem Wein.


Spätere & bekanntere Fassung:

Es geht ein dunkele Wolk herein.
Mich deucht, es wird ein Regen sein,
ein Regen aus den Wolken,
wohl in das grüne Gras.

Und kommst du, liebe Sonn, nit bald,
so weset alls im grünen Wald,
und all die müden Blumen,
die haben müden Tod.
 
Hans Breuer im Zupfgeigenhansel Darmstadt 1909.

Es geht eine dunkle Wolk herein;
Es soll und muss geschieden sein.
Ade, feins Lieb, dein Scheiden
Macht mir das Herze schwer.

Die dritte Strophe stammt, bis auf die letzte Zeile, einem mährischen Wanderlied

Rückgrat einer Frau - Jacques Fabien Gautier d'Agoty 1710-81

Donnerstag, 20. März 2014

Dagmar Manzel singt Hollaender in der Komischen Oper


FRIEDRICH HOLLAENDER, ER LEBE HOCH!

Friedrich Hollaender geboren am 18. Oktober 1896 in London; gestorben am 18. Januar 1976 in München, auch als Frederick Hollander bekannt – seinem Namen im amerikanischen Exil –, war ein deutscher Revue- und Tonfilmkomponist, Kabarettist und Musikdichter. (Wiki)

MENSCHENsKIND


Eine Frau, ein Pianist und, weil dieses Konzert heute in der Oper, der Komischen, stattfindet, noch ein Salonorchester. Die Frau singt und denkt ganz klar und offen, ernsthaft und schön, die anderen musizieren auf gleicher Höhe.
Ein paar Lichtwechsel, einige kurze Zwischentexte, sonst nischt.
Und für eine kurze Zeit öffnet sich mein Blick auf eine andere mögliche Variante deutscher Unterhaltungskunst, die kurz und klein geschlagen wurde, zu Gunsten von völkisch besinnlichem und national aufhetzendem Murks, und deren anwesende Abwesenheit wie ein nicht beweisbares, aber stets fühlbares Loch, unser Vergnügen an "leichter" Kost, "Unter"-haltung (im Kontrast zur "Ober"-haltung?) bis heute belastet, verschwiemelt und mit dem Geruch von Wertlosigkeit umgibt.

Wenn ich mal tot bin gesungen von Blandine Ebinger, geschrieben von Friedrich Hollaender 


Wenn ick ma tot bin

Wenn ick ma tot bin und in ’meim’ weißen Seidenkleid
in meinem weißen Sarge liege mit Bescheidenheit,
dann fällt die Schule aus,
dann geht’s zum Kirchhof raus,
die janze Klasse kommt bei mir ins Trauerhaus.
Die wolln’ ma alle sehn’
Wenn ick ma tot bin, wenn ick ma tot bin, ach, det wird so scheen.

Wenn ick ma tot bin kommt och Pastor Eisenor,
der liest `n schön’ Vers aus seine Bibel vor:
"Der ohne Schuld tot sein, der Wirf den ersten Stein
 uff Lieschen Puderbach, det liebe Engelein!“
Doch ick, ick lieg janz still, wenn ick ma tot bin mach ick wat ick will.

Wenn ick ma tot bin zündense jelbe Lichter an,
die stellnse rechts und links an mir janz dichte ran,
dann fällt een goldner Schein uff mein verstorbenet Jebein,
und unser Lehrer, der fängt janz furchtbar an zu wein’.
Nur Tante freut sich sehr,
wenn ick ma tot bin, wenn ick ma tot bin, eß ick doch nüscht mehr!

Wenn ick ma tot bin schick ick aus mein kleenet Grab
mein’ letzten Willen und wat ick zu vermachen hab:
Mein Püppchen ohne Kop’
Mein rotet Band von Zop’
und dann och noch de jenstrischen paar Mutterknop’,
de will ick Truden schenken,
wenn ick ma tot bin, wenn ick ma tot bin sollse an ma denken!

Wenn ick ma tot bin, denn fängt erst mein Leben an,
wenn ick durchs Wolkenmeer und Himmel schweben kann.
Die Engel tiriliern’, die Geigen jubiliern’,
wennse zum Empfang von Lieschen alle uffmaschiern.
Mensch, machen die `nen Krach,
wenn ick ma tot bin, wenn ick ma tot bin, is mein schönster Tach!

Haben wir, mit den jüdischen Musikern, Librettisten, Kabarettisten, Spaßmachern und Hallodris und der Verfolgung all derer, die ihnen nahe standen, mit ihnen gemeinsam tiefsinnigen Unsinn und federleichten Ernst produzierten, auch unseren vergnüglichen Leichtsinn, unseren kindlichen Übermut vertrieben, vergast und unterjocht?
Warum schämen wir uns ständig für die Sehnsucht nach Leichtigkeit? Wie in dem alten Kinderrätsel: Was ist schwerer ein Kilo Federn oder ein Kilo Blei?

Dagmar Manzel 
©Philip Glaser

Holländer spricht selbst

P.S. Es gibt eine CD! Nein, ich bin nicht an den Einnahmen beteiligt.
http://www.amazon.de/Menschenskind-Dagmar-Manzel/dp/B00FESKXDC/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1395278634&sr=8-1&keywords=dagmar+manzel+cd 

Wenn jemand Interesse an Hoch-Berlinerisch hat, ist diese CD umso mehr zu empfehlen.

Der Berliner Dialekt, auch als „Berlinerisch“ oder „Berlinisch“ bezeichnet (auch: Berlinismus oder Berolinismus, Verb: berlinern), ist die Mundart, die im Großraum Berlin-Brandenburg gesprochen wird. Im Zusammenhang mit einem oft derben Humor bezeichnet man die Ausdrucksweise auch als „Berliner Schnauze“. Beim Berlinerischen handelt es sich sprachwissenschaftlich nicht um einen Dialekt, sondern um einen (selten anzutreffenden) „Metrolekt“, eine in großstädtischen Zentren aus einer Mischung vieler unterschiedlicher Mundarten entstehende Stadtsprache. (Wiki)

Dienstag, 18. März 2014

Ein Großer Tag in Harlem - A Great Day in Harlem



"Als ich erfuhr, dass da dieses riesige Treffen für ein Photo in Esquire sein würde, sagte ich mir, 'Hier ist meine Chance all diese Musiker zu sehen, ohne zu einem Begräbnis zu gehen.'"

"When I found out there was going to be this big meeting for a picture in Esquire, I said to myself, 'Here's my chance to see all these musicians without going to a funeral.'" Dizzy Gillespie


Ein Großer Tag in Harlem

A Great Day in Harlem 
or Harlem 1958

photograhiert von Art Kane für Esquire


57 Jazzer auf einen Schlag
 
 Willie "The Lion" Smith, der 58., war des Wartens müde geworden und hatte sich kurz auf eine nahe Treppe gesetzt.
© Art Kane Archive
  • Red Allen
  • Buster Bailey
  • Count Basie
  • Emmett Berry
  • Art Blakey
  • Lawrence Brown
  • Scoville Browne
  • Buck Clayton
  • Bill Crump
  • Vic Dickenson
  • Roy Eldridge
  • Art Farmer
  • Bud Freeman
  • Dizzy Gillespie
  • Tyree Glenn
  • Benny Golson*
  • Sonny Greer
  • Johnny Griffin
  • Gigi Gryce
  • Coleman Hawkins
  • J.C. Heard
  • Jay C. Higginbotham
  • Milt Hinton
  • Chubby Jackson
  • Hilton Jefferson
  • Osie Johnson
  • Hank Jones
  • Jo Jones
  • Jimmy Jones
  • Taft Jordan
  • Max Kaminsky
  • Gene Krupa
  • Eddie Locke
  • Marian McPartland
  • Charles Mingus
  • Miff Mole
  • Thelonious Monk
  • Gerry Mulligan
  • Oscar Pettiford
  • Rudy Powell
  • Luckey Roberts
  • Sonny Rollins*
  • Jimmy Rushing
  • Pee Wee Russell
  • Sahib Shihab
  • Horace Silver*
  • Zutty Singleton
  • Stuff Smith
  • Rex Stewart
  • Maxine Sullivan
  • Joe Thomas
  • Wilbur Ware
  • Dickie Wells
  • George Wettling
  • Ernie Wilkins
  • Mary Lou Williams
  • Lester Young


Photo - interaktiv - mit den Namen der Musiker

http://www.jazz.com/features-and-interviews/2008/8/11/jazz-s-most-iconic-photo-is-half-a-century-old











Montag, 10. Februar 2014

Eine 67 jährige singt Lieder - Patti Smith 2014


"Jesus ist für irgendjemandes Sünden gestorben, aber nicht für meine"

Jesus died for somebody's sins, but not mine"  
Cover version of Them's "Gloria"

Patricia Lee "Patti" Smith geboren am 30. Dezember 1946 hat heute in Augsburg, der schwäbischen Enklave Bayerns, ein Konzert gegeben. 

20.00 Uhr: Eine ältere Frau betritt die Bühne begleitet von drei Musikern, einem Gitarristen mittleren Alters mit Anglermütze, kariertem Hemd und grauer Stoffhose und nahezu bewegungslosen Beinen, einem jungen Schlagzeuger mit Barockfrisur, die wie eine abstruse Mütze auf seinem kindlichen Körper thront und einem Gitarristen  & Pianisten & Background-Sänger, der wirkt wie jeder Rockmusiker, der jemals in einer Band der Mann für alles war, also ganz in schwarz gekleidet. Es gibt keine Lichteffekte, kein Bühnenbild, die Kostümierung reicht von bizarr (Frisur des Trommlers) bis erwartungsgemäß (Patti trägt Jeans, weißes Hemd und schwarzes Jacket, wie scheinbar schon immer).


Damals © Robert Mapplethorpe

Nichts Aufregendes, nichts Schickes wird geboten. Man befürchtet einem lahmen Retro - wir waren einmal Punk-Avantgarde, aber das ist lange her - Abend beiwohnen zu müssen und es beginnt auch wie befürchtet, vorsichtig, abgezirkelt, unendlich oft wiederholt. Aber dann! Aber dann!
Welch Spaß, welch entspannter Genuß, wie cool.

Wiki sagt: Cool - Der Begriff wird ... zur saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenen oder lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten und nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung genutzt (vergleiche: Kühl bleiben, kühler Kopf im Sinne von „ruhig bleiben“).

Da steht eine Frau, die dies schon lange macht und immer noch gern, aber ohne Druck, ohne etwas beweisen zu müssen, eine erwachsene Frau, die ein langes Leben gelebt hat und immer noch gern singt. Sie singt über Dinge, die sie kennt und die ihr wichtig sind und, die sie meint. Ihre Stimme klingt voller, runder, musikalischer als früher. Manchmal versingt sie sich. So what. Ich singe jetzt, in diesem Moment, da kann auch mal was daneben gehen. Ich singe jetzt für euch. Sie singt über frisch verstorbene Freunde und frisch geborene Enkelkinder. Beides mit Klarheit, Wärme und Sorge.

Michael Stipe (REM) hat als Abiturient eines von Patti Smiths Alben gekauft und gesagt: " Es hat meine Glieder abgerissen und sie wieder zusammengesetzt, aber in einer völlig neuen Anordnung."


Und jetzt © Kai Juennermann


Gegen Ende des Abends stand ganz nah bei mir der Oberbürgermeister von Augsburg und wiegte sich rhythmisch und sang beseelt: " Power to the people!", übersetzt: Alle Macht dem Volk!" und vielleicht hat er es für diesen einen Moment gar geglaubt.


Montag, 27. Januar 2014

La Boheme im Theater Bremen


LA BOHEME

Oper in vier Akten von Giacomo Puccini
Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
nach Henri Murgers Scènes de la vie de bohème
 
Ja. Man nennt mich Mimì,
doch mein Name ist Lucia.
Meine Geschichte ist kurz.
Auf Leinen oder auf Seide
sticke ich daheim und auswärts.
Ich bin ruhig und heiter
und am liebsten sticke ich
Lilien und Rosen.
Mich freuen diese Dinge,
die solchen süßen Zauber besitzen,
die von der Liebe sprechen und vom Frühling;
die mir von Träumen sprechen und von Chimären,
diese Dinge, die Poesie heißen.
Sie verstehen mich?

Vier Männer spielen Kunst. Ein Schriftsteller, der seinen Roman verbrennt, weil er so mehr Hitze erzeugt, ein Maler, der Farben haßt. 
Naß macht dies Rote Meer
Und steif des Malers Hand.
Wie herbstkalter Regen
Fällt aufs tote Land.

Ein Komponist ohne Noten und ein Philosoph mit zu wenig Worten. Sie phantasieren Werke, sie versaufen & verfressen ihre Träume, selbst ihre Lieben sind nur imaginiert und verhalten sich dementsprechend gefällig. Mimi und Musette, die Heilige Hure und die Heilige Femme Fatale singen fast ausschließlich im Off, nurmehr zu Stimmen entkörpert.

"vier Männer..., die eine Idee von Liebe erfinden und sie damit zugleich vermeiden." 
(Aus den Inszenierungsnotizen) 

Ich weiß nicht genau, ob mir die Inszenierung gefallen hat, aber die Kargheit des Bühnengeschehens, vier Männer, ein Tisch, Stühle und viele rosa Kleider und Farbspritzflaschen, die spielerische Zurückhaltung, haben mir freien Raum gelassen, zuzuhören. Und wie das Orchester und die Sänger und Sängerinnen leis sein konnten mit nur ganz wenigen Ausbrüchen ins Massive, Pathetische, dass war wunderbar. So als seien wilde Leidenschaften ein Luxus, den man sich fast nicht mehr leisten kann. Und wenn es denn doch passierte, wurde es mit Farbmatschschlachten schnell weggedrückt. (Ein bisschen weniger Farbspritzen wäre auch noch genug gewesen.)
Ein merkwürdiger Abend. Und irgendwie habe ich die Geschichte zum ersten Mal wirklich verfolgen können, obwohl oder weil sie auf die minimalste Größe zusammengeschrumpft worden war.  

Wie eiskalt ist dies Händchen!
Lassen Sie, ich wärme es.
Was nutzt das Suchen?
Zum Finden ist's zu dunkel,
bis erst der Vollmond am Himmel emporsteigt
und überstrahlet der Sterne Gefunkel.
Erlauben Sie, mein Fräulein,
daß ich kurz Bericht Euch gebe,
wer ich wohl bin, was ich treibe,
und wie ich hier lebe!
Erlauben Sie's?
(Mimi schweigt.)
Wer ich bin? So hören Sie.
Bin nur ein Dichter.
Und was ich tue? Schreiben!
Und wie ich lebe? Nun, ich lebe!
In diesen armen Räumen
streu' ich als Krösus Verse
und manch' Liedchen umher.
Und leb' in gold'nen Träumen
und bau'mir Luftschlösser,
fühl' mich im Geist als Millionär,
aus meiner Truhe stehlen
oft die schönsten Juwelen
ein Diebespaar: zwei Äuglein!
Mit Ihnen sind diese Diebe
wieder hereingekommen,
haben alle Gedanken
plötzlich mir weggenommen!
Doch bin ich drob nicht böse.
Denn oh! Hoffnung ist
in die Seele mir eingezogen...
So, mich kennen Sie jetzt. Sagen Sie
mir nun, wie darf ich Sie nennen?


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Theater Bremen

Rodolfo Luis Olivares Sandoval
Marcello Martin Kronthaler
Schaunard Patrick Zielke
Colline Christoph Heinrich
 
Mimì Nadine Lehner, Patricia Andress
Musetta Marysol Schalit, Alexandra Scherrmann
 
Parpignol Zoltan Stefko, Sangmin Jeon
 
Musikalische Leitung Markus Poschner
Regie Benedikt von Peter
Bühne Katrin Wittig
Kostüme Geraldine Arnold
Chor Daniel Mayr
Licht Christopher Moos
Dramaturgie Sylvia Roth

Donnerstag, 2. Januar 2014

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.


2013 ff. 

Noch gegen Ende des Jahres 2012 sah ich Ödipus Stadt am Deutschen Theater.
In der Fassung von John Düffel, inszeniert von Stephan Kimmig mit Ulrich Matthes, Susanne Wolff, Barbara Schnitzler, Sven Lehmann, Katharina Marie Schubert, Elias Arens, Moritz Grove, Thorsten Hierse, Olivia Gräser. 
Es war das letzte Mal, dass ich Sven Lehmann auf der Bühne erlebte, als zornigen blinden Mann, der Stock so sehr zum Finden des Weges nötig, wie zum Erschlagen der wahrhaft Blinden um ihn herum.
 
In der Kantine des Deutschen ist auf einem Tisch, an seinem Stammplatz eine kleine bronzene Plakette mit seinem Namen eingelassen. Einen Moment lang sah ich dort die vielen anderen Namen, derjenigen, die uns in den letzten Jahren verlassen haben, Schauspieler und Schauspielerinnen, die mein Theaterlieben befeuert und genährt haben. Ein ganzer Tisch in Bronze, Namen, Namen.

Onkel Wanja in Ingolstadt
mit Ulrich Kielhorn, Patricia Coridun, Teresa Trauth, Kathrin Becker, Sascha Römisch, Ralf Lichtenberg, Tobias Hofmann, Karlheinz Habelt in der Regie von Donald Berkenhoff.

Wahrhaft eine Komödie. Oder Tramödie? Sie alle saufen, lieben, reden gegen die Selbstauflösung in der Nutzlosigkeit & Ödnis, gegen das Ergrauen, Ergeben, Ermüden. Wie hier die Gegenwart unauffällig, kriechend in das historische Experiment kroch, war wirklich atemberaubend.
Christoph Nel in Peter Pan von Bob Wilson am Berliner Ensemble.
Warum zittert jemand? Vor Erregung? Aus Lust? Aus Angst? Weil er unter Strom steht oder ihn ein innerer Lachkrampf schüttelt? Vielleicht muß Tinkerbell auch mit ihren unsichtbaren Flügel so schnell flattern, um sich in der Welt zu halten, dass sie dadurch unablässig vibriert. Und dagegen und darüber diese Himmelsstimme. Inkarnation der Gänsehaut.

Die Ausstellung BERLIN-WIEN in der Berlinischen Galerie (noch bis Ende Januar) & Barbara Klemm im Gropiusbau (bis Anfang März) & immer wieder das Pergamonmuseum & die Balkenhol Figuren im CityQuartier DomAquarée (Was für ein pretentiöser Name für eine Einkaufspassage!).
 
Wie das aussehen wird, wenn der An- und Vorbau von Herrn Chipperfield fertig ist? Sicher besser als das Stadtschloßimitat. Es gibt übrigens einen sehr schönen LEGO-Bausatz - Flughafen BER, für die Phantasten unter uns.

Wiederentdeckt, die Gedichte des Polen Zbigniew Herbert (1924-1998)

HERR COGITO UND DER GEDANKENVERKEHR
Gedanken gehn durch den Kopf
meint eine Redensart


die Redensart überschätzt
den Gedankenverkehr


die meisten
stehn reglos
mitten in der öden Landschaft
der grauen Hügel
und dürren Bäume


manchmal erreichen sie noch
den reißenden Fluß der fremden Gedanken
bleiben am Ufer stehn
auf einem Bein
wie hungrige Reiher

erinnern sich traurig
an die versiegten Quellen

drehn sich im Kreise
suchen nach Körnern


sie gehn nicht
denn sie kommen nicht an
sie gehn nicht
denn sie wüßten nicht wohin


sie sitzen am Stein
ringen die Hände

unter dem tiefen
bewölkten
Himmel
des Schädels


Vivaldi Die Vier Jahreszeiten Recomposed von Max Richter, er selbst sagt dazu: "Es ist so, als würde man bei jemandem ins Haus gehen und etwas die Möbel verrücken. Ich wollte herausfinden, welche neuen Formen und Patterns sich mit dem Material entwickeln lassen." Ich verstehe leider nicht genug von Musik um meinen Eindruck in gut beschreibende Worte fassen zu können, kann aber empfehlen und das tue ich. Überraschung!

Eine lustige Seite nicht nur für Berliner: NOTES OF BERLIN - Zettel, Aufkleber, selbstgemachte Poster, gefunden und gepostet, zwischen grob und herzlich, so in etwa wie der Berliner dem Vernehmen nach ist.
 
Und dann: es war der letzte Abend des nun vergangenen Jahres, vor den Parties, zum Jahresabschluss ein Konzertbesuch im Berliner Ensemble, den ich unbedingt hätte unterlassen sollen.
Vier Oktaven waren es einmal, vorgestern waren davon noch ungefähr fünf Töne übrig, mein alter Phoneater, Doktor Wendlandt, wäre wahrscheinlich todesmutig auf die Bühne gesprungen und hätte sie in selbstschützenden Gewahrsam genommen. Nahezu keine Stimme, wenig Interesse an den Brecht-Liedern, die sie zu singen vorgab, und gar keines an den Gästen, die sie eingeladen hatte. Und diese Gäste hätten sehr wohl Interesse verdient.
Was war das, um Gottes willen? 
Um mich herum saßen Menschen, die vor vielen Jahren vielleicht einmal Punks waren oder zumindestens gern gewesen wären und sie wippten mit den Füßen, egal wie unrhythmisch und ohrenverstörend schief auf der Bühne gesungen wurde. Es war, als befände ich mich auf einer surrealen Zeitreise in die Vergangenheit, in der nur gehört wurde, was gehört worden war, damals, als man noch jung war, damals als sie stimmgewaltig die Abwesenheit von Farbfilmen beklagte und in Talkshows die Beglückung durch den G-Punkt vorführte, damals als sie noch eine Sängerin war, damals als sie uns zeigte, was es heißt nichtkonform zu sein.
Ich lese gerade ein Essay von Wayne Koestenbaum "Erniedrigung", eine assoziative Studie warum wir es erschauernd geniessen, wenn Liza Minelli, die Tochter von Judy Garland, trunken und als Schatten ihrer selbst verächtlich über ihre eigene letzte Hochzeit spricht. Talent das sich erniedrigt. Überleben im Angesicht des eigenen Unterganges.
 
Arbeit und Struktur, Wolfgang Herrndorfs Blog über seine Arbeit und sein Leben, geschrieben in Ungewissheit in den Jahren seines Sterbens. Die Texte habe ich gelesen an dem Abend als die Nachricht seines Todes öffentlich wurde, bis zum nächsten Morgen. So schön, so traurig, so klug, so bar aller Sentimentalität, dass es mich fast zerrissen hat. Es geschieht selten, dass ich weine während ich lese.

"2.8. 2013 20:21 
Jeden Abend der gleiche Kampf. Laß mich gehen, nein, laß mich gehen, nein. Laß mich."
Und Nelson Mandela und Dieter Hildebrandt, zu dessen Tode Roger Willemsen den guten Satz schrieb: "Am 20. November starb Dieter Hildebrandt. Das hätte er nicht tun sollen."
Und jetzt auf ins Jahr 2014! TOI TOI TOI!
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 Wolfgang Herrndorf Blog

Die Zeit über Vivaldi Recomposed 

Bug-Magazin über Max Richter 

Live-Mitschnitt 

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Für Ö. - Karl Valentin


     Am 12. Dezember 1892 wurde Liesl Karlstadt als Elisabeth Wellano in 
     München als Tochter eines aus Italien stammenden Bäckers geboren.


    Karl Valentin zu Liesl Karlstadt, als er sie singen gehört hatte und daraufhin 
    überreden wollte, seine Bühnenpartnerin zu werden: "Sie, Fräulein, Sie sind 
    als Soubrette aufgetreten. Des is nix. A Soubrette muss kess sein, die muss 
    an Busen haben. Des is nix für Sie. Sie müssen sich aufs Komische verlegen."


    DIE FREMDEN

 
    Karlstadt: 
    Wir haben in der letzten Unterrichtsstunde über die Kleidung des Menschen 
    gesprochen und zwar über das Hemd. Wer von euch kann mir nun einen
    Reim auf Hemd sagen?  
    Valentin: 
    Auf Hemd reimt sich fremd!
    Karlstadt: 

    Gut - und wie heißt die Mehrzahl von fremd?
    Valentin: 

    Die Fremden.
    Karlstadt: 

    Jawohl, die Fremden. - Und aus was bestehen die Fremden?
    Valentin: 

    Aus "frem" und "den".
    Karlstadt: 

    Gut - und was ist ein Fremder?
    Valentin: 

    Fleisch, Gemüse, Obst, Mehlspeisen und so weiter.
    Karlstadt: 

    Nein, nein, nicht was er ißt, will ich wissen, sondern wie er ist.
    Valentin: 

    Ja, ein Fremder ist nicht immer ein Fremder.
    Karlstadt: 

    Wieso?
    Valentin: 

    Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.
    Karlstadt: 

    Das ist nicht unrichtig. - Und warum fühlt sich ein Fremder nur in der
    Fremde fremd?
    Valentin: 

    Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist und zwar so lange, 
    bis er sich nicht mehr fremd fühlt, dann ist er kein Fremder mehr. 
    Karlstadt: 
    Sehr richtig! - Wenn aber ein Fremder schon lange in der Fremde ist, bleibt 
    er dann immer ein Fremder? 
    Valentin: 
    Nein. Das ist nur so lange ein Fremder, bis er alles kennt und gesehen hat, 
    denn dann ist ihm nichts mehr fremd. 
    Karlstadt: 
    Es kann aber auch einem Einheimischen etwas fremd sein!
    Valentin: 

    Gewiß, manchem Münchner zum Beispiel ist das Hofbräuhaus nicht fremd, 
    während ihm in der gleichen Stadt das Deutsche Museum, die Glyptothek,
    die Pinkothek und so weiter fremd sind. 
    Karlstadt: 
    Damit wollen Sie also sagen, daß der Einheimische in mancher Hinsicht in 
    seiner eigenen Vaterstadt zugleich noch ein Fremder sein kann. - Was sind 
    aber Fremde unter Fremden? 
    Valentin:
    Fremde unter Fremden sind: wenn Fremde über eine Brücke fahren und
    unter der Brücke fährt ein Eisenbahnzug mit Fremden durch, so sind die  
    durchfahrenden Fremden Fremde unter Fremden, was Sie, Herr Lehrer, 
    vielleicht so schnell gar nicht begreifen werden.  
    Karlstadt: 
    Oho! - Und was sind Einheimische?
    Valentin: 

    Dem Einheimischen sind eigentlich die fremdesten Fremden nicht fremd. Der 
    Einheimische kennt zwar den Fremden nicht, kennt aber am ersten Blick, 
    daß es sich um einen Fremden handelt.  
    Karlstadt: 
    Wenn aber ein Fremder von einem Fremden eine Auskunft will?
    Valentin: 

    Sehr einfach: Frägt ein Fremder in einer fremden Stadt einen Fremden um 
    irgend etwas, was ihm fremd ist, so sagt der Fremde zu dem Fremden, das 
    ist mir leider fremd, ich bin hier nämlich selbst fremd.  
    Karlstadt: 
    Das Gegenteil von fremd wäre also - unfremd?
    Valentin: 

    Wenn ein Fremder einen Bekannten hat, so kann ihm dieser Bekannte zuerst 
    fremd gewesen sein, aber durch das gegenseitige Bekanntwerden sind sich 
    die beiden nicht mehr fremd. Wenn aber die zwei mitsammen in eine fremde 
    Stadt reisen, so sind diese beiden Bekannten jetzt in der fremden Stadt 
    wieder Fremde geworden. Die beiden sind also - das ist zwar paradox - 
    fremde Bekannte zueinander geworden.

    Valentins Eltern waren auch Zuwanderer in Bayern: der Vater war Hesse aus 
    Darmstadt und die Mutter Sächsin aus Zittau.

ICH KAUF MIR LIEBER EINEN TIROLERHUT


     Billy Mo wurde als Peter Mico Joachim am 22. Februar 1923 auf Trinidad 
     geboren, er verstarb am 16. Juli 2004 in Hannover. Billy Mo war bekannt als 
     Jazz-Trompeter und Schlagersänger. Billy Mo, der auf Trinidad aufwuchs 
     und in einer Band spielte, studierte ab 1945 Gesang und Trompete an der 
     Londoner Musikhochschule, wo er 1953 promovierte. 1956 wechselte der 
     Musiker nach Hamburg, wo er zunächst als Unterhaltungsmusiker  
     arbeitete. Unter anderem spielte er das Trompeten-Solo in Bert 
     Kaempferts Fassung von Franz Grothes „Mitternachts-Blues“. Ab 1960 hatte
     er Erfolge mit Schlagern wie „Wenn die Elisabeth“ (1960). Bekannt wurde er
     1963 durch den Nummer-eins-Hit Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut, an 
     diesen Erfolg konnte er mit „Das Humbta-Täterä“ anschließen. Seit den 
     1970er Jahren lebte er in Wunstorf, Niedersachsen und engagierte sich auch
     im örtlichen Musikleben. Bis zu seinem 79. Lebensjahr trat er in Jazzclubs 
     auf, zuletzt vor allem im Jazz Club Hannover. Nach einem Auftritt im 
     Dezember 2001 erlitt er einen Schlaganfall, wonach er das Bett nicht mehr 
     verlassen konnte. Im Sommer 2002 wurde Mo das Bundesverdienstkreuz
     am Bande verliehen. Er war Mitglied der Freimaurerloge „Zum Schwarzen 
     Bär“ in Hannover; seine Beisetzung wurde im freimaurerischen Ritual 
     vollzogen.