Montag, 11. Mai 2015
Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin
Vorrede auf dem Theater:
Estragon:
Wir finden doch immer was, um uns einzureden, dass wir existieren, nicht wahr, Didi?
Wladimir:
Ja, ja. Wir sind Zauberer.
Samuel Beckett "Warten auf Godot"
Arnold Schönberg
Moses und Aron
Oper in drei Akten
1923 – 1937
Vorausgeschickt: obwohl ich wenig von moderner klassischer Musik verstehe, ihr sogar eher ängstlich begegne, habe ich heute in der Komischen Oper fast zwei Stunden fasziniert zugehört und -gesehen. Das hatte ich nicht erwartet und macht mich ziemlich froh. Es war anstrengend, weil meine Aufmerksamkeit zwischen Textmitlesen und dem Bühnengeschehen zu folgen, hin und her springen mußte. Aber es war aufregend. Nicht, dass ich mit allen assoziativen Bildern glücklich war, aber ich hatte immerzu interessante Reibungspunkte.
Mit mir waren fünf Studenten, vier Kanadier und eine Türkin, und wir haben im Anschluß fast zwei Stunden gestritten und haben dabei sogar unsere sehr unterschiedlichen Eindrücke einander verständlich mache können. Selten und großartig.
Und der Chor ist unglaublich! Einhundert Sänger die, während sie diese komplizierte Musik singen, in jedem Augenblick die Spannung halten und offensichtlich immer genau wissen, was sie gerade denken, welche Haltung sie warum einnehmen. Intelligent choreographiert und intensiv gespielt. Bis zur ersten Stückprobe hatten sie bereits 100 musikalische Proben! 100!
Der Riß zwischen der Idee und ihrer Realisation, der Einbruch der Propaganda in die Utopie, der unüberbrückbare Graben zwischen dem Gedanken und seiner Wirklichwerdung - die Geschichte des letzten Jahrhunderts, und des jetzigen, als Fundus des Schreckens.
Die Tödlichkeit der Ismusse. Faschismus, Stalinismus, Fundamentalismus - ein Reigen des Tötens.
MOSES
Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O Wort, du Wort, das mir fehlt!
Die letzten Worte die Moses in der Aufführung singspricht.
Schönberg hat die Oper in Berlin geschrieben. Es ist ein Berlinstück, obwohl er ein jüdischer Österreicher durch und durch war. Er hat den letzten Takt von "Moses und Aron" in Berlin komponiert, kurz danach ging er 1933 ins Exil. Er hat die Oper im hereinbrechenden Schatten des Dritten Reichs geschrieben.
Barrie Kosky
Schönberg am 20. April 1923 in einem Brief an Kandinsky:
Was ich im letzten Jahr zu lernen erzwungen wurde, habe ich nun endlich kapiert, und werde es nicht wieder vergessen. Dass ich nämlich kein Deutscher, kein Europäer, ja vielleicht kaum ein Mensch bin (wenigsten ziehen die Europäer die schlechtesten ihrer Rasse mir vor), sondern, dass ich Jude bin. Ich habe gehört, dass auch ein Kandinsky in den Handlungen der Juden nur Schlechtes und in ihren schlechten Handlungen nur das Jüdische sieht, und da gebe ich die Hoffnung auf Verständigung auf. Es war ein Traum. Wir sind zweierlei Menschen. Definitiv!" Zwei Wochen später schrieb er abermals an Kandinsky:
"Und da tun Sie mit und lehnen mich als Juden ab. Habe ich mich Ihnen denn angetragen ... Wie kann ein Kandinsky ... es unterlassen eine Weltanschauung zu bekämpfen, deren Ziel Bartholomäusnächte sind!"
http://www.zeit.de/1964/44/die-erde-ist-kein-vergnuegungslokal
Kurze Zusammenfassung der in der Oper zitierten biblischen Moses & Aaron Geschichte:
Nachdem Mose von Gott am brennenden Dornbusch zum Führer und Befreier Israels berufen worden war, kehrt er nach Ägypten zurück und trifft dort auf seinen Bruder. Gott macht Aaron zu Moses Sprecher und gemeinsam treten die Brüder vor den Pharao, um von ihm die Freiheit der Hebräer zu fordern. Anfangs wirkt er durch seinen Stab einige Wunder : Als er den Stab zu Boden wirft, wird dieser zur Schlange und verschlingt die Stab-Schlangen der ägyptischen Magier, er macht durch den Stab das Wasser des Nils zu Blut und läst die Frosch- und Stechmückenplage aus. Später ist nur noch berichtet, dass Moses so einen Stab hat, mit dem er Wunder vollbringt. Verglichen mit seinem dynamischen Bruder ist Aaron keine Führerpersönlichkeit. Nur an einer Stelle wird sein Name zuerst genannt, obwohl er der ältere Sohn ist, und nur zweimal spricht Gott direkt zu ihm. Zwar handelt Aaron zweimal auch unabhängig von Mose - doch beide Male geht es gründlich schief: Als Mose sehr lange auf dem Berg Sinai bleibt, wo er die 10 Gebote erhält, gibt Aaron dem Drängen des Volkes nach und errichtet ein goldenes Stierbild, das von den Hebräern als Götze angebetet wird. Von seinem Bruder zur Rede gestellt, schiebt Aaron alle Schuld dem Volk zu ....
Aus: In 18 Monaten durch die Bibel
http://www.its-gospel-time.de/index.php?option=com_glossary&func=view&Itemid=433&catid=124&term=Aaron
Interview mit dem Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky.
http://www.zeit.de/2014/40/komische-oper-berlin-barrie-kosky
Moses und Aron Chorprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=cFYvIYkDECE
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