Donnerstag, 30. Mai 2013
Ich bin ein Klugscheißer
K.S.C.H.
Meine Großmutter ging mit uns Kindern stets äußerst respektvoll um und hat deshalb, wenn ich in Gesellschaft anderer meiner Leidenschaft für redseliges Mitteilen meines Wissens und meiner Meinungen mal wieder zu heftig nachging, nur diese vier Buchstaben in mein Ohr geflüstert, um mich durch eine öffentliche Zurechtweisung nicht zu beschämen. Zauberhaft.
Dies beweist aber auch, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit schon als Klugscheißer geboren wurde und ich muß gestehen, ich bin es sogar gern.
Wobei es mir aber notwendig scheint, den Begriff Klugscheißer genau zu definieren.
Da gibt es nämlich zuerst mal den Rechthaber, dessen, meist uneingestandener, Hauptgenuß es ist, daß andere Unrecht haben. Er befindet sich in einem ständigen, als existentiell empfundenden Wettkampf. Widerspruch bereitet ihm schmerzhafte Lust, Zweifel müssen mit machtvoller Selbstgewissheit niedergemetzelt werden. Es genügt ihm auch nicht einfach Recht zu haben, nein, die Niederlage der opponierenden Partei muß von dieser unbedingt öffentlich eingestanden werden. Für das Erreichen dieses Ziels ist er zu hohem Aufwand bereit - Nachschlagewerke werden gewälzt, Zeugen werden befragt, wenn es nötig erscheint, auch manipuliert. Seine Argumentation kann sehr, sehr langwierig sein, dreht sich wie ein Strudel immer wieder um einen, den entscheidenden, nämlich seinen Punkt und der Stimmlautstärkenregler wird dabei in den obersten Bereich hochgedreht.
Und wenn er das Recht dann hat, dann geht er auf die Suche nach dem Nächsten, der es ihm vielleicht (hoffentlich) streitig machen könnte.
Rechthaber
Seine Meinung ist die rechte,
Wenn er spricht, müßt ihr verstummen,
Sonst erklärt er euch für Schlechte
Oder nennt euch gar die Dummen.
Leider sind dergleichen Strolche
Keine seltene Erscheinung.
Wer nicht taub, der meidet solche
Ritter von der eignen Meinung.
Wilhelm Busch
Der gemeine Besserwisser ist hierzu eine Unterkategorie, sozusagen ein kleinteiligerer Rechthaber. Das "ABER" ist sein Lieblingswort, mitleidiges Hochziehen der Augenbrauen, mildes Kopfschütteln, müdes Schulterzucken und ein gequältes Lächeln die Waffen seiner Wahl. Meine Schnuckelnichte kann zum Beispiel das weltlängste "doooooooch" gaaaaanz oft wiederholen, wenn sie etwas besser weiß.
Der Erbsenzähler, der Korinthenkacker und der Haarspalter sind leicht individualisierte Formen des Pedanten. Ihm geht es nicht um Recht, Wahrheit oder überhaupt ein Ergebnis, ihm geht es um die Details, die Einzelheiten, die Minutiae.
Sein ganzer Stolz ist seine Genauigkeit, und sollte jemand bei einem Brand die falsche Hausnummer angeben, dann wird halt nebenan gelöscht.
Er ist ein naher Verwandter des Verhinderers.
Und jetzt erst kommen wir zum Klugscheißer. Er verteilt sein Wissen gern unter der Bevölkerung. Dass heißt erstmal, er redet gern, erzählt gern, das kann bis zur Schwatzhaftigkeit gehen, bis zur verbalen Diarrhoe, womit sich wahrscheinlich die Bezeichnung Klug-scheißer erklärt.
Er ist neugierig und wißbegierig, will aber dann das Erfahrene auch unbedingt weitergeben. Er hat gerne Meinungen und viele davon.
Ich, zum Beispiel, kann einen Teil meines Lasters in diesem Blog ausleben und wenigstens ist hier niemand gezwungen, zuzuhören. Schadensbegrenzung könnte man das nennen.
Ein Beispiel - Wiki sagt: Das Adjektiv und das zugehörige Substantiv Naseweis, für einen vorlauten Menschen, haben nichts mit der Farbe Weiß zu tun. Naseweis leitet sich aus dem mittelhochdeutschen nasewise = scharf witternd (wis = weise, wissend) ab, es ist eine Eigenschaft, die man früher Jagdhunden zugeschrieben hat.
Das muß keiner wissen, aber...
Leider hat der Klugscheißer aber halt auch Anteile von Rechthaber, Besserwisser und Pedant in sich und da kann es dann schwierig werden.
Nobody is perfect?!
Burkhard Ritter schrieb:
AntwortenLöschenMir fällt auch noch ein schöner Begriff ein: Neunmalklug. Dann kam der Nachsatz: "Rieche du erst mal darein, wo wir schon hinge.... haben.
In meinem Speicher ist Klugscheißer verbunden mit Großmäuligkeit, Selbstgefälligkeit, Borniertheit, Vorschnellheit, mit mehr Behauptung als Wissen - es wäre also ein tadelndes Wort. Eigentlich. Aber - und das macht das Wort so liebenswert - gesagt wird es wohl nur von denen, die den Klugscheißer liebhaben, die dabei lächeln und ein bisschen stolz sind auf den Klugscheißer, der meist noch fast ein Hosenscheißer ist.
AntwortenLöschenAls Naseweis muss ich vermerken, dass (mit doppeltem ss - ai wie pedantisch)des Klugscheißers Sinnen und Trachten Erhellung des Unwissenden ja äußerst lustvoll sein muss, da - wie beschrieben - ein solch großer Aufwand betrieben wird Herrlich muss es sein zu spüren, wie die Rezipienten der geistigen Diarrhoe - ob gewollt oder ungewollt- somit zum Teilhaber des allumfassenden Wissens des Scheißerles avancieren, und sie somit von der unendlichen - nennen wir es mal sprudelnden Wissensquelle ja letztlich auch profitieren. Ergo wohnt dem Klugscheißer auch ein Altruist inne.
AntwortenLöschenKlugscheißer sind die Konsequenz neugieriger Menschen. Man kann dieser Eigenschaft nicht nachgehen ohne notwendigerweise Wissen anzuhäufen. Weil man immer fragt, weil man wissen WILL. Was soll man dann damit tun? Es verschähmt in sich einkerkern, statt es mit neuen Entdeckungen freudig zu vernetzen? Und je mehr Antworten man bekommen hat auf seine viele Fragen, desto klugscheißerischer werden natürlich alle nächsten Fragen, weil sie ja an den vorangegangenen Antworten hochklettern können. Nein, im Ernst, es lebe die Klugscheißerei... und am besten dreimal hoch!
AntwortenLöschenKlugscheißermodus an: Einstein hat gesagt "Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.". Und was ist draus geworden? Materie ist Energie und Klugscheißen ist die leidenschaftlich emotionale Verwendung von neuronalen Verknüpfungen. ICH bin dafür!
(Anmerkung: probe ja gerade mal wieder FAUST. Mann, war Goethe ein Klugscheißer! Aber wir haben bis heute aus gutem Grunde Spaß daran.)
Wie sehr verschieden Wörter doch im einzelnen Menschen belegt sind!
LöschenNee, Silvia, einen Klugscheißer könnte ich Goethe nie nennen. Klug, o ja, sehr, kühn, weise sogar, könnte ich sagen, und doch immer mit dem Respekt, dass es mir gar nicht zustünde, ihm derlei Etiketten anzuheften.
Klugscheißer könnte ich eher zu einem Schreiber sagen, dessen Vielschreiberei ich aufgeblasen und substanzdünn fänd und dem ich mich überlegen fühlte. Also von oben nach unten.
Wie klug muss ich selbst sein, um einen anderen klug nennen zu dürfen. Steckt da nicht immer schon ein bisschen Anmaßung drin.