Montag, 15. August 2011
Theater hat auch Kinder im Publikum
"Kinder im Saal!" Je nach Sachlage und Tagesform, tief gequälter Ausruf unausgeschlafener, gnatziger, kaum menschenähnlicher Existenzen um 9.00 Uhr früh bei der gefühlten 5642. Märchenvorstellung oder Ausdruck gespannter Vorfreude von Schauspielern, auf das, was da an Unerwartetem, Überraschendem stattfinden wird, wenn sich 30 oder 500 Kinder in einem Raum versammeln, um Theater zu gucken.
Kinder sind sachlich.
Ein gut hörbares "das ist aber langweilig", von einer Vierjährigen in den Raum geworfen, läßt sich nicht ignorieren. Alte Leute benehmen sich, und wenn sie es mal nicht tun, dann nimmt man das heute eher als Kompliment. In Zeiten in denen lethargisch jeder noch so große Mist ertragen oder sogar goutiert wird, ist eine geworfene Tür, ein wütender Zwischenruf, selbst ein Buh fast wie ein kleiner Ehrenorden. Aber ein Kind, das sich langweilt, langweilt sich einfach. Ich würde das ein künstlerisches Todesurteil nennen.
Kinder sind erbarmungslos.
Vor einigen Jahren saß ich mit circa 450 Kindern im "Schneewittchen". Zwerge gab es zwar, aber keine Bettchen, keine Tellerchen, nur einen eigenartigen Morasthaufen mit Scherben und der Zauberspiegel der bösen Stiefmutter wanderte als personifiziertes schlechtes Gewissen hinter der entsprechenden Darstellerin her und guckte bekümmert. Die Kinder waren nicht amüsiert. Es kam der grosse Moment des Verkaufes des vergifteten Apfels, Schneewittchen nahm ihn entgegen - - - und ein kleiner fetter Junge in der dritten Reihe stand von seinem Sitz auf und rief: "Und Tschüß!" Der Saal applaudierte brausend, ob zu Ende gespielt wurde, habe ich vergessen.
Kinder sind genau.
Wenn sie ein Gedicht kennen und du sagst es anders, werden sie dir das mitteilen, manchmal mitsamt Hintergrundinformationen über die jeweilige Oma/Tante/grosse Schwester, die die richtige Variante vorgetragen hat, und dass diejenige gerne Klösse isst oder weisse Turnschuhe trägt und/oder andere Fakten, die im Kindergehirn mit diesem Vers oder Lied oder dieser Stelle in der Geschichte verbunden sind.
Kinder sind hilfreich.
Man soll nur versuchen, über den total geheimen Namen des buckligen kleinen Männchens zu spekulieren und dabei das aus voller Kehle und mitfühlendem Herzen gebrüllte "Rumpelstilzchen" ignorieren, dass einem aus dem Saal entgegenschallt! Da ist wahrhaftig Schauspielkunst gefragt. Und als der kleine Tiger sich krank fühlte und zum Arzt ging und die Diagnose bekam: Streifen verrutscht, rief ein ernstes Mädchen dem Tiger daraufhin ein aufmunterndes "Das hatte ich auch schon Mal!" auf die Bühne. Und sie hatte es gut überstanden, also keine Angst!
Sie sind das beste Publikum und das härteste, und wenn sie in die Geschichte einsteigen und mitphantasieren, dann kann so eine 5642. Märchenvorstellung wie ein Labsal für geschundene Schauspielerseelen sein.
Noch eine Warnung: ein Freund bat die kindlichen Besucher mal ihm die Daumen zu drücken, ganz doll drücken, ganz doll drücken! Einige Mütter mussten mit ihren Kindern kurz darauf eilig den Saal verlassen, es war zu doll gedrückt worden.
Grimms Märchen
ORIGINAL - LITERA - MÄRCHEN - KLASSIKER
mit Karusseit, Mellies, Franke Ludwig, Piontek.....hinreißende Hör-Märchen, wirklich, gar nicht blöde ostig.
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Mein Kind, historisch interessiert, mit elf im BE, Galilei, ich dachte, ich mach ihm eine Freude. Das Kind, aus dem Alter spontaner Gefühlsausbrüche heraus, schnaufte und knurrte heftig. Danach: Na?- Falsch.- Was?- Globus.- Hä?- Neuseeland war noch nicht entdeckt.
AntwortenLöschenHinreißend!!! :)
AntwortenLöschenIch hab' grad Tränen gelacht!