Dienstag, 31. März 2020

Das C-Wort X - Unorthodox und Sufjan Stevens

Guckt ihr Online-Theater? Ich halte es nicht aus. 10 Minuten und ich bin raus. Die, den Gerüchten nach, grandiosesten Inszenierungen, sehen auf dem Bildschirm aus wie "Unser Kleines Fernsehspiel". Die Schauspieler schlittern irgendwie erschüttert zwischen zu viel spielen, denn es ist ja für den Zuschauerraum gedacht und der hilflosen Bemühung um Understatement. Keiner hustet neben mir, keiner kichert, keiner riecht nach etwas zu viel süßem Parfum. Also bleibt das Fernsehen, die Streamingdienste und die guten, alten Bücher.
Also habe ich mir "Unorthodox" angesehen, ich mochte das Buch von Deborah Feldmann und war also neugierig. Maria Schrader mag ich als Schauspielerin nicht sehr, zu angestrengt, zu eitel, aber diese vierteilige Serie, für die sie Regie geführt hat, ist wirklich ok. Shari Haas, die Hauptdarstellerin - eine androgyne angsterfüllte Elfe - gelingt es, die drohende Sentimentalität dieser Selbstbefreiungsgeschichte, weitestgehend zu umschiffen. Ihre äußerliche Zartheit kontert sie mit einem Überlebenswillen aus Stahl.
Aber was ich vermisst habe, war mein tiefer Schockmoment im Buch. Die Strenge ihrer Lebensregulation begründen diese speziellen orthodoxen Juden damit, dass der Holocaust Gottes Strafe für ihren Mangel an Glaubensdemut war. Das hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Da werden sie industriell gemeuchelt und laden sich die Schuld dafür auf. Wie traurig ist das.

 
Ein Gegenentwurf: "Untergetaucht", die Geschichte einer Jüdin, die in Berlin den Faschismus überlebt hat. Sie mußte dafür sich in unfassbarer Art demütigen und hat es geschafft. Im Mai 1945, nach der Befreiung, bekommt sie eine Wohnung zugewiesen, transportiert sie ihre verbliebene Habe in einer Schubkarre durch das zerbombte Berlin und schläft auf dem Boden ihrer "eigenen" Küche ein, in unvorstellbarer Erleichterung, endlich nicht in Angst, sicher.

Sufjan Stevens, ein Sänger mit verführerisch zärtlicher Stimme und ohrfreundlichen Melodien, in denen er seine bösen, traurigen, wahren Texte versteckt.

2 Kommentare:

  1. Schau Dir mal wenigstens einen kleinen Teil der" Bakchen" von Euripides von 1974 von Klaus Michael Grüber an. Wird gerade von der Schaubühne gestreamt.

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  2. Manfred Dietrich1. April 2020 um 11:11

    dto. sah im Schaubühnen Stream Peter Steins "Homburg" !!Einzigartg, diese Genauigkeit und Spannung der Vorgänge mit den inzwischen verstorbenen Stars, als sie jung waren und kaum einer sie kannte.
    Und dann für mich der "Hammer" Ostermeiers Woyzeck mit dem damals noch unbekannten Lars Eidinger in einer minirolle...

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