Mittwoch, 19. Dezember 2018

Flohmärkte und Plasteschmuck

Meine Mama hat Antikmärkte geliebt. Ihre Mutter hatte die Familie viele Jahre durch billige Einkäufe auf Flohmärkten, in Second Hand Shops und beim Roten Kreuz über Wasser gehalten und sie hat also eine Art Tradition fortgeführt, wie ein Echo. Und mich hat sie mitgeschleppt, morgens vor sieben mit Taschenlampe und sehr warm angezogen.

London, nass, neblig, kühl, wie in den alten Edgar Wallace Filmen, außer uns nur ein paar frühaufstehende jüdisch-orthodoxe Silberhändler, die Stände sind vollgepackt mit jedem nur vorstellbaren Tineff, aber auch mit Kostbarkeiten und in Kisten unter den Tischen, die noch nicht sortierte Ware, der Ausschuss, das Übersehene.

Ein orangener Ring, Plaste, oder, wie der westdeutsch Sozialisierte, sagen würde Plastik, oval, mit feinziselierten Rosen geschmückt, kostete sowas wie 2£. Viel später habe ich herausgefunden, das er aus Bakelit war.

Unter dem Namen Bakelit wurde der erste vollsynthetische, industriell produzierte Kunststoff hergestellt und vermarktet, der 1905 von dem belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland entwickelt und nach ihm benannt wurde.
So beginnt Wiki den Artikel über Bakelit.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bakelit

Vorher schon gab es ja Zelluloid, aber das hatte die schwierige Eigenschaft leicht entzündbar zu sein. Nun gab es den ersten industriellen Kunststoff, aus ihm wurden Kabelummantelungen, Radios, Küchengeräte, Griffe und eben auch Schmuck gemacht. Schmuck für Leute, die sich Gold und Silber nicht leisten konnten, doch schon in den Zwanzigern gab es Bakelitschmuck auch in Edelvarianten. Andere Plasik-Varianten wurden entwickelt und ab 1933 ging die gesamte Produktion in den Dienst des großen Krieges.

Die Älteren unter euch kennen sicher noch die wohlgestalten, dicklichen schwarzen Telephone mit Wählscheibe? 


 
Ich habe in den 70ern angefangen Bakelit zu sammeln, kein Schwein hat sich damals dafür interessiert und es war entsprechend billig. Armreifen, Ringe, Ohrgehänge, Ketten in vielen Farben, die mehrfarbigen heißen "End-of-day", weil am Ende des Tages alle Reste zusammengeschmissen wurden. Die Franzosen arbeiteten viel mit Silber, andere schliffen Punkte ein - Polka-Dots, in durchsichtiges Material wurden Blumen versenkt, wie unter Glas, feinste Ätzungen und Schliffe wurden eingesetzt, Strasssteine eingelassen, Lagen verschiedenfarbigen Bakelits verbunden. 
Irgendwann wurde Bakelit Sammelobjekt und Leute mit viel Geld kauften alles, was ihnen in die Hände fiel zu immer irrer steigenden Preisen. Da hab ich aufgehört, zu sammeln, der Spaß war vorbei.

Mal nur Ohrringe, mal klickernde Armreifen, durch meine Mama sind viele Broschen auf mich gekommen. Meine Schätze werden getragen. Und die, die ich nicht tragen kann, bringe ich unter die Leute, damit sichtbar bleibt, was für wunderschöne Dinge Menschen aus so einem profanen Werkstoff wie Plastik geschaffen haben..


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