Sonntag, 3. Dezember 2017

Toller Tanz

Im Foyer stehen auffällig viele Menschen lässig und übergerade in der dritten Position. Sie schwatzen beschwingt. Sie erwarten einen Genuß und werden ihn bekommen. Tänzer, die fast nichts verdienen, kaufen sich sehr teure Karten, um noch bessere Tänzern beim Arbeiten zuzusehen.

Das Nederlands Dans Theater gastiert mit vier sehr unterschiedlichen Choreographien im Haus der Berliner Festspiele. 

Es stimmt, die Karten sind teuer, aber hier "bekommt man was geboten für sein Geld".

Ein Ensemble von Künstlern, die unfassbar hart arbeiten und es unanstrengend erscheinen lassen. Sie tanzen, als wollten sie die Zeit überholen. Und fast gelingt es ihnen. 

Mein Respekt vor Tänzern ist enorm. Sie müssen sich quälen, um großartig zu sein, mit Schmerzen, und zwar täglich. Und dann, wenn sie richtig begreifen, was sie tun und was ihnen möglich ist, beginnt ihr Körper schon, zu revoltieren. Und für dieses harte Leben und ihre tiefe Liebe zum Tanz werden sie auch noch beschissen bezahlt. Ein Schauspieler kann sich notfalls auch mal durchschummeln. Nicht gut, aber möglich. Ein Tänzer kann das nie. Er muß blankziehen, jeden Abend.

N°1 Marco Goecke "Woke up blind" zu zwei Songs von Jeff Buckley. Menschentiere in unvorhersehbarem abrupten Wechsel zwischen Wahnsinnstempo und Ruhe, synkopiert von Fauchern. Manche Bewegungen so schnell, dass das Auge nicht folgen kann und ein Arm plötzlich wie ein Fächer scheint. Dann, dazwischen gesetzt, sieben Tänzer in vollkommener Synchronität.

Jeff Buckley "The way young lovers do" - ein tolles Lied
https://www.youtube.com/watch?v=rEv1dzbSYxg  

N°2 Crystal Pite & Jonathon Young "The Statement"
Ein kafkaesker Dialog an, auf, unter einem Verhandlungstisch zwischen unterer und oberer Etage über Krieg, Geschäfte und Verantwortung. Der Text läuft über Band und wird getanzt. Die Haltungen, Floskeln, Ausreden, Befehle, die Untertexte, die Machtkämpfe - der Text und viel mehr als der Text, all das, was ich bei Frau Kennedy vermißt habe, das Mehr. Grandios!!!!! 

Wie zählt man so etwas. Mit bloßem 1 bis 8 kommt man hier nicht weit. Die Musik muß den Körper durchdringen und auch die Gedanken der Choreographie. Denken und Tanzen.



https://www.youtube.com/watch?v=rragD1P34NA 

Nach der Pause wird es etwas konventioneller, aber die Qualität der Ausführung bleibt erstklassig.

...
auf dem Tanzboden wuchs das Gras
und der rote Mond schien durch das Dach,
'ne Musik gab's da,
da wurde was geboten für sein Geld!
Joe, mach die Musik von damals nach!

Bilbao Song b.b.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen