Donnerstag, 31. August 2017

Ein Traum & ein Albtraum

Ein Freund von mir hat einen Traum: der Louvre wird, nur für ihn, eines Nachts geöffnet werden, kein Mensch außer ihm schaut. Er und "seine" Bilder sind allein miteinander. Der "Da Vinci Code" ohne Leichen, Tom Hanks und religiöse Verschwörungstheorien, ein einsamer und darum vollkommener Genuß.

Diesen Traum habe ich vom Prado in Madrid, dem Kellergeschoß, wo die "Schwarzen Bilder" von Goya hängen. Niemand quatscht, keiner potographiert, die Sicht ist frei, ohne Reflexion von Tageslicht. Keiner latscht ins Bild. Es ist still. Ich habe Zeit für "meine" Bilder: den ertrinkenden Hund; den Esel, der, während der Riese über das Land wütet, stille steht; die einander erschlagenden Brüder. Bei meinem Besuch vor einigen Jahren zur üblichen Öffnungszeit sächselte ein Reiseleiter durchdringend, dass ihm bei diesen Bildern regelmäßig ein kalter Schauer über den Rücken liefe. Recht hat er, aber ich wollte es nicht hören.

Einmal hatte das Pergamon Museum für eine vielbesuchte Ausstellung länger geöffnet und durch einen glücklichen Zufall war die Meldung darüber nicht rechtzeitig an die Presse gelangt. Da lief ich dann, allein durch das Istar-Tor und am Pergamon-Altar vorbei, allein, in halberleuchteten Räumen, wie zurückversetzt, meine Phantasie hatte Freilauf.

Nun zum heutigen Thema: ein Bekannter, Elementarteilchenphysiker, schon der Titel klingt für mich unglaublich romantisch, besuchte eine Konferenz in Paris, Stephen Hawking würde sprechen. Die Differenz zwischen Mann und computergenerierter Stimme, dem eingeschränkten Körper und seiner digitalen Äußerung ist verwirrend, ändert aber nichts an der aufregenden Intelligenz des Redners. Später essen einige Konferenzteilnehmer gemeinsam zu Abend. Ein Anruf. Für Hawking hat der Louvre nachts seine Türen geöffnet, die Konferenzteilnehmer werden eingeladen, teilzunehmen. 
FAST ALLEIN - IM LOUVRE - DES NACHTS.


Im Louvre vor dem Floß der Medusa, nachts um halb elf. Links und rechts
von Hawking seine beiden Postdocs/Betreuer. Den Mann rechts davon im
weißen Anzug deckt schon ein Jahr lang der Rasen (er ist am 25.8.2016
gestorben): Jim Cronin, Nobelpreis 1980 für die Entdeckung der
CP-(Charge-Parity) Verletzung. Und auch der junge rechts davon, Pierre
Binetruy, ebenfalls ein wunderbarer Physiker, ist inzwischen tot. Nur
Steven Hawking lebt unverdrossen weiter -- und wird wahrscheinlich auch
mich noch spielend überleben.
C.S.


DAS FLOSS DER MEDUSA 
von Théodore Géricault, 1819



WIKI schreibt dazu: 1816 hatte England die während der Napoleonischen Kriege besetzte westafrikanische Kolonie Senegal an Frankreich zurückgegeben. Dies war für die französische Regierung der Anlass, vier Fregatten mit Infanteristen zum Schutze des überseeischen Besitzes sowie Verwaltungsbeamten und Forschern nach Afrika zu entsenden. Die Fregatte Méduse gehörte diesem Konvoi an. Unter den annähernd 400 Personen an Bord des Schiffes befand sich auch der neue Gouverneur des Senegal, der Royalist Julien-Desiré Schmaltz. Die Medusa stand unter dem Kommando des Kapitäns Hugues Duroy de Chaumareys, der, vor Napoleon geflohen, seine Karriere nicht auf See, sondern 25 Jahre lang in Emigrantensalons von Koblenz und London gemacht hatte. Nachdem das Schiff auf Grund gelaufen und das Wiederfreikommen misslungen war, befahl Kapitän de Chaumareys den Bau eines Floßes aus den Masten und Rahen der Medusa, da für die 400 Menschen an Bord nur sechs Boote vorhanden waren. Das Floß mit den beachtlichen Ausmaßen von 8 × 15 Meter musste 149 Menschen aufnehmen. Die Boote sollten das Floß an Land ziehen. Nach kurzer Zeit kappte man die Seile. Auf dem Floß brach schnell Kannibalismus aus, so dass nur noch 15 Personen gerettet werden konnten, von denen dann jedoch fünf weitere starben.

4 Kommentare:

  1. Menschenmassen wo man sie unbedingt nicht haben will. Ohhhhh ja! Ich liege ja ohnehin mit Situationen über Kreuz, in denen Massen meiner Spezies zusammenkommen ohne dass sie sich angenehm im Zuschauerraum vor mir aufreihen... aber im Museum erst recht.
    Und versteh' mich nicht falsch: ich verstehe, warum sie alle da sind, ich bin ja auch da - und ich kann schlecht anderen verbieten, was ich selbst genieße... aber hier geht's auch um das WIE.
    Eremitage, St.Petersburg... eine Deutsche marschiert durch die Räume, schwenkt ihr filmendes Tablet wie einen Kamera-Ausleger und sabbelt dazu ununterbrochen einen Livekommentar als müsste sie ein Fußballspiel für's Radio sichtbar machen.
    Die hat die Eremitage kaum mit eigenen Augen gesehen, so klebte ihr Blick auf dem Touchscreen und ich versichere jeden meines vollsten Mitgefühls, der sie ihre umfamgreiche Eigendoku irgendwann mal anschauen muss.

    Witzigerweise bekam ich die Eremitage dann doch einmal nachts zu sehen... also... irgendwie ...ein bißchen... also virtuell... ich spiele ja begeistert Point and Click Adventures und in "Memento Mori" fand ich mich plötzlich dort wieder - tagsüber und nachts.
    Okay, es war kein normaler Museumsbesuch, ich musste mich am Wärter vorbeiargumentieren, ein Haufen Zeugs suchen, finden und benutzen, Fälschungen enttarnen, einen Geheimgang ausfindig machen... um, natürlich, letztendlich die Welt zu retten... aber ich fand's schön leer.
    Deinem Freund wäre da die Gameversion von "Da Vinci Code" zu empfehlen. Da ist man auch nachts im Louvre und muss eine Menge kniffliger Rätsel lösen... aber ich warne, man muss sich auch ein bißchen mit den Wachen herumprügeln, die sind nicht sehr kooperativ... :)

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  2. Wäre auch eine Möglichkeit, ohne Wärterkontakt. http://www.louvre.fr/en/visites-en-ligne

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  3. Das macht Spaß... war im lower ground floor... weil - Schwäche für ägyptisches... so schöne Räume... ich mag alte Mauern... und es ist tatsächlich ein wenig wie Point and Click, da kriegt man auch oft einen Grundriss eingeblendet, der anzeigt, wo man ist... die Gamerin in mir war sofort im Suchmodus. :)
    So nach dem Motto: wo ist die Tafel mit ägyptischen Hieroglyphen, die es zu übersetzen gilt damit ich weiß, wo ich als nächstes hin muss um ein Geheimfach an irgendeinem Ausstellungsstück zu öffnen, in dem dann vermutlich ein Steinsiegel verborgen ist, mit dem ich Zugang zu verschlossenen Türen bekomme... :)
    Die Galerie d'Apollon ist nicht programmiert, da öffnet sich schlicht Google... ich muss protestieren, liebes Museum, das geht besser...
    Aber Du hast mich auf eine Idee gebracht - Streetview!

    http://street360.net/spain/galicia/prado_covelo_pontevedra.php

    Gib' auf der Seite "Prado Madrid" ein und Du landest in einem Raum Deines Lieblingsmuseums. Aus irgendeinem Grund kann man von da aus aber nicht losgehen, sondern sich nur umsehen. Fand ich nicht zufriedenstellen und habe herumgespielt.
    Benutze auf der linken Seite (Satellitenkarte) STRG+Scrollen um Deinen Standort zu vergrößern. In der Satellitenansicht liegt dann der Prado irgendwann aus der Vogelperspektive unter Dir und Du hast ein kleines Männchen, das Deinen Standort bezeichnet.
    Kleines Männchen mit gehaltenem Klick von linker Maustaste greifen. Jetzt werden blaue Punkte sichtbar. Setz' das Kerlchen auf den Punkt der direkt unter dem Punkt mit der Benennung "Museo National del Prado" liegt.
    Jetzt bekommst Du Richtungspfeile in Deinem Standort angezeigt und kannst von Raum zu Raum gehen. Mit "gedrückter linker Maustaste bewegen" kannst Du "den Kopf drehen". Die Aufnahmen sind leider tagsüber gemacht worden, Menschen inklusive. Aber sie bewegen sich nicht und sind sehr still... :)
    Ich hab' nicht getestet wie umfangreich man da herumspazieren kann, aber vielleicht ist ja der Weg in den Keller frei...

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  4. Arrrgh, Mist... Wort mit F... war neugierig und hab' weitergetestet... der Herumgehradius ist sehr limitiert... keine Chance auf Keller.
    Wie kann das sein? Ich kann bei Streetview fast mein Namensschild auf dem Postkasten lesen, aber im Prado kann man nicht herumgehen???
    Hm... doch keine so ergiebige Idee... leider...

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