Samstag, 6. Mai 2017

Ach, manchmal werde ich so gern unterhalten!

Dank an Dirk Audehm, Fräulein Schneider (aka Alex Semann) und Engelbert Herzog.
Gelegentlich vergesse ich zwischen nachtkritiks Streitereien, Stegemann Verrissen, Verdi kontra Neuorientierung der Ensembles, Dercon versus Castorf,  postdramatischen Diskursen, eigener lebenslänglicher  Verunsicherung und nun auch noch Ostermeier am Broadway, dass ich gern unterhalte, mich auch gern vergnüge, beziehungsweise vergnügen lasse. 
Gestern ein kleiner Liederabend, "Sch...Liebe". 
Drei Menschen auf der Bühne, einer nahezu stumm, die beiden anderen singen, was sie lieben. Gar nicht die Art Lieder, die ich sonst anhöre, ganz und gar nicht. Aber sie singen und spielen mit Inbrunst und Können.
Inbrunst, „innere Leidenschaft", ist eine Zusammensetzung aus → in „innen“ und Brunst als Ableitung von → brennen in der Bedeutung „Brennendes, Loderndes“. (wissen.de)  
Ich verlasse den Saal nach zwei Stunden mit einem entspannten Lächeln um den Mund und guter Laune. Bin ich nun übel ausgetrickst worden oder haben die Herren mir nur erlaubt, mein Leben vergnügter zu betrachen?
Heute Abend wurde für mich geschwitzt. Die Darsteller begehrten, mich zu unterhalten, ohne Arg, ohne ironische Selbstabsicherung, mit Chuzpe. Ein kleiner Saal, 50 oder 60 Zuschauer, wir haben alle am Ende mitgesungen und versprochen, nach der dritten Zugabe, zwar weiter zu summen aber nicht mehr zu klatschen.

Die meisten von uns reisen so durchs Land und verkaufen unsere Fähigkeiten für Miete, Zigaretten, Marmeladenbrötchen, dass heisst aber nicht, dass wir nicht brennen, für das, was wir tun. 

Ein kurzer Moment von Pathos und schnell weiter zu den "Guardians of the Galaxy".

Ein Amerikaner mit Vaterproblem, ein Grünhäutige Schwertkämpferin mit Schwesterproblem, ein tätowierter Gigant mit Trauerproblem, ein Waschbär mit Bindungsproblem und ein Baumstämmchen mit Verständigungsproblem retten das Universum aus den Klauen von Kurt Russell, einem exzellenten Bösewicht mit zu perfekt gegelter Frisur. Der Siebziger Jahre Soundtrack untermalt irrwitzige Effekt-Schlachten und schnell abgefeuerte Dialoge.
Warum amüsiere ich mich? Warum? 
All die Superheldenfilme, die ich mit meiner Mutter über die Jahre geschaut habe, Thor und Iron Man und Captain America, um nur Marvels Paket zu nennen, werden hier verstückwerkt, ums dreifache verdreht und in den Irrsinn geschickt. Wie der hochgeschätzte Kollege Shakespeare sagte: "Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode." 


Im zarten Alter von 11 Jahren sah ich eine Dokumentation "Erinnerungen an die Zukunft" über Erich von Dänikens Buch gleichen Namens und war tief beeindruckt. Wie gerade dieser Film den Weg in die Kinos der DDR fand, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Aliens hätten die Erde besucht unsere Entwicklung beeinflußt und wären wieder weggeflogen. Robert Charrouxs Bücher verstärkten meine Obsession.
Bis zum heutigen Tag glaube ich, die ich nicht an Gott glaube, dass unser Universum noch unzählige andere Zivilisationen beherbergt. Ich glaube daran, nicht weil ich hoffe, dass höherentwickelte Rassen uns retten werden, sondern weil ich mir sicher bin, dass eine der vielen möglichen Varianten von Erfolg gekrönt sein wird. Weil ich hoffen möchte, dass auch Methan-atmende Wesen und andere, die auf Silicium basieren, wasseratmende und solche wie wir, die Sauerstoff benötigen einen Weg zur Koexistenz finden. Wie lächerlich werden uns dann unsere dämlichen Vorurteile gegenüber bloß andersfarbigen Sauerstoffatmern erscheinen.

https://www.youtube.com/watch?v=BEPbXYzE5_Y

Aischylos wollte im Athener Dramenwettbewerb gewinnen, Shakespeare brauchte zum Überleben ein volles Globe Theater, Moliere litt Hunger, wenn seine Stücke nicht ankamen. Gibt es eine Verbindung zwischen unbedingtem Erfolgswillen und Kunst? Ich weiß es nicht. Aber von einer Gesellschaft zu erwarten, dass sie ihre Verächtlichmachung finanziert, scheint mir kindlich.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-theaterregisseur-ersan-mondtag-ich-wuerde-gern-die-schaubuehne-uebernehmen/19757608.html 

8 Kommentare:

  1. Zunächst... darf ich kurz meiner Erleichterung darüber Ausdruck verleihen, dass Silicium für Dich als Basis für Lebensformen eine selbstverständliche Möglichkeit darstellt? Ich komme mir in unserem Berufsumfeld wegen so was manchmal selber wie ein Alien vor und es entzückt mich, wenn ein Theatermensch wie Du diese astrobiologischen Spekulationen teilt.
    (Funfact: wenn jemand davon ausgeht, dass nur Kohlenstoff als Basis für Lebensformen in Frage kommt nennt man das übrigens "Kohlenstoffchauvinismus" - ich mag das Wort)

    Unterhaltung - ich frage mich manchmal, wann dieses Wort zu einer Beleidigung geworden ist. So als könne Kunst keinesfalls unterhaltend sein und Unterhaltung deswegen keinesfalls Kunst.
    Aber Unterhaltung ist eine Kunst. Ich werde unterhalten, wenn ich berührt werde und es ist eine Kunst Menschen zu erreichen, sie zu entführen... in eine Geschichte, ein Problem, eine Komik, eine Situation.
    Unterhaltung bedeutet für mich nicht seichtes Lachen, zugeballert werden mit Effekten, Unterhaltung ist für mich kein Genre - sondern der Umstand von etwas gefesselt worden zu sein. Gleich ob eine griechische Tragödie mich gepackt hat, eine Kommödie mich vor Lachen geschüttelt hat, ein Film mich in fremde Galaxien gesaugt hat, ein Tanzstück mich rätselhaft fasziniert hat, Disney mich um 41 Jahre verjüngt hat, eine Zwölfton-Komposition meine Sinne umgeräumt hat... wenn es mich greift, dann hält es mich, unterhält mich... dann werte ich nicht intellektuell, ob es gerechtfertigt ist gegriffen worden zu sein, denn ich bin es ja.

    Und zu den Guardians... ich hatte da echt eine andere Vater-Theorie... wegen dem Orb und dem Kollektor und der Überschneidung zum Hammerschwinger aus Asgard... ganz falsche Fährte...

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  2. "...wenn es mich greift, dann hält es mich, unterhält mich... dann werte ich nicht intellektuell, ob es gerechtfertigt ist gegriffen worden zu sein, denn ich bin es ja."

    Damit wollte ich übrigens nicht sagen, dass man sich nicht fragen kann, wieso einen was packt, so, wie Du es tust - ich meinte damit, dass es mich manchmal echt nervt... dieser künstlerische Hochmut und diese intellektuelle Arroganz mit der der Begriff "Unterhaltung" oft abwertend verwendet wird. Ich finde das grundunpassend.
    Ich meine, ich bin Star Wars Fan. Ja, ich bin auch Schauspielerin und ich bin mir bewusst, dass die 7 bisherigen Teile nicht an den Gehalt von Goethe und Sophokles heranreichen... die ich auch genieße. Ich bin sogar Schauspielerin mit Astronomiefaible und weiß, dass da nix mit den Naturwissenschaften überinstimmt. So what?
    Ich weiß auch das Gemüse und Salat hochpreisige Ernährung verkörpern - und trotzdem beiße ich glückseelig in einen fetttriefenden (sind da echt drei T's???) Veggieburger. Was soll's?
    Vielfalt. Qualität ist der Augenblick in dem ich bekomme, was ich will, brauche oder entdecken kann. Und ich brauche sehr viel unterschiedliches... und will das auch so haben.

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  3. Liebe Silvia! Das Wissen über die vielfältigen Möglichkeiten intelligenten Lebens verdanke ich übrigens James White und seiner Sector General Romanreihe. https://en.wikipedia.org/wiki/Sector_General

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  4. Dann ist es jetzt so was von an der Zeit für eines meiner Lieblingszitate:
    „Was heute als Science-Fiction-Roman begonnen wird, wird morgen als Reportage beendet.“
    Arthur C. Clarke - britischer Physiker und Science-Fiction-Autor

    :)

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  5. “Any planet is 'Earth' to those that live on it.”
    Isaac Asimov, Pebble in the Sky

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  6. YES!!!
    Because... home...

    https://www.youtube.com/watch?v=0zLp1bINKW4

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  7. Dank an Silvia! Eine Stunde Musikspaß!

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  8. Sehr gerne. Man weiß ja nie, wann man mal in die Verlegenheit kommt die Galaxie retten zu müssen... aber wenn schon... dann verdammt noch mal mit der passenden Musik. Klare Lehre aus den beiden "Guardians"-Filmen.

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