Sonntag, 30. April 2017

Ein feiner Sonntag in Berlin

350 Galerien öffnen ihre Türen für drei Tage, ein langes Wochenende lang, in Mitte, in Kreuzberg, in Charlottenburg und auf der Potsdamer Straße - ich war nur in zehn davon und nur in Mitte. Ich bin Lokalpatriot. Der Tag war kühl und sonnig, das was Berliner Kniestrumpfwetter nennen. Im Gropiusbau zeigt Jürgen Teller sehr viele Teller und Menschen mit Tellern und Bilder seiner Mutter und gekritzelte Notizen und ein tolles dreidimensional wirkendes Waldbild. Enjoy your life! Ich bleibe kühl wie das Wetter und nicht so sonnig.
Daniel Richter bietet politische Plakate, die er an John Heartfield anlehnt, die sich mir aber nur partiell erschließen und er kuratiert im Erdgeschoß eine Ausstellung von Jack Bilbo, aka Hugo Cyrill Kulp Baruch; geboren am 13. April 1907 in Berlin; gestorben am 19. Dezember 1967 ebenda. Kneipier, Antifaschist, Maler, Reisender, Fliehender und Lebemann.

TAZ-Artikel zu Jack Bilbo 

Anekdotisches zum Liebermann Haus am Pariser Platz:
Der nach seinen eigenen Worten "eingefleischte Jude", aufrechte Liberale und Berliner Großbürger Max Liebermann war ein selbstbewusster Hausherr. Zwei Mal musste er seinen Besitz gegen die allerhöchste Stelle verteidigen - gegen Kaiser Wilhelm II. Gleich nach dem Einzug gab Liebermann beim Berliner Architekten Hans Grisebach den Entwurf eines Ateliers im Dachgeschoss in Auftrag. Der Maler wollte am Pariser Platz nicht nur mit seiner Frau Martha und seiner Tochter Käthe leben, sondern dort auch arbeiteten. Aber der Kaiser fand den gläsernen Aufbau, den Grisebach als Oberlicht für das Dachatelier entwarf, "scheußlich". Erst nach einem vierjährigen Behördenmarathon konnte Liebermann das Atelier beziehen. Tagesspiegel 29.03.2000

 Jack Bilbo

Danach einmal die Linienstrasse herauf und die Auguststrasse herunter, in jedem Kellerloch, einst sicher die Werkstatt eines ostjüdischen Schusters oder Flickschneiders, hängt Kunst, oder was sich dafür ausgibt. Viele junge Leute, uniform individuell bekleidet und dazwischen reiche ältere Sammler, deren chauffeurbetriebenen Automobile mit laufenden Motoren auf ihre nach frischer Beute suchenden Besitzer warten.
In der Gallerie Rasche Ripken in der Linienstrasse 148 Rik de Bo und Hein Spellmann, der eine malt, immer im gleichen Format, Fenster, hypnotisierend, der andere photographiert Häuserfronten und klebt die Photos auf konvexe Formen. Sehr viel traurige Orte von außen. In einer anderen Gallerie Polixeni Papapetrou, eine australische Griechin, die erleidende Figuren in Camouflage in Landschaften stellt. Was für ein Name.


Und dann noch Luca Lanzi, gequälte, böse Kinder und verwischte Spielzeuge.



Dazwischen Kunsthandwerk und pretentiöser Quatsch, aber auch die Islandbilder von Michael Najjar.  
Michael Najjar verfolgt Naturphänomene wie den Klimawandel und führt uns dessen Brisanz in großformatigen Fotokompositionen vor Augen. Neue Aufnahmen von Spalten und Eishöhlen des Breidamerkurjökull-Gletschers in Island, der sich jährlich bis zu 100 Meter zurückzieht, kombiniert er mit Satellitenbildern desselben Gletschers und verdeutlicht so seine Vergänglichkeit. Zugleich nimmt er Bezug auf das Werk Alfred Ehrhardts, der genau am selben Ort bereits 1938 die Gletscherlandschaft dokumentierte. 
art das kunstmagazin

 
Ein feiner Sonntag, der durch meine kluge Freundin und einen Eisbecher mit Sahne und Würstchen mit Senf vervollkommnet wurde.
Danach zurück an den Computer und in die Bibel. Mein Leben ist wahrhaft voller Kontraste. Schön.

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