Montag, 11. April 2016

Der Verlorene Zug



Was wir gehört und erfahren
Was unsere Väter uns erzählten
wollen wir nicht ihren Kindern verhehlen
sondern dem kommenden Geschlecht berichten...
damit das nachkommende Geschlecht es erführe, die Söhne, die geboren würden, damit sie aufträten und ihren Söhnen davon erzählten..
Psalm 78

Der 10. April 1945

An diesem Tag verläßt der letzte Transportzug das Konzentrationslager Bergen-Belsen, das nur fünf Tage später von der britischen Armee befreit werden wird, in Richtung Theresienstadt, bis zum Bersten gefüllt mit mehr als 2000 Häftlingen, Juden.
Der Verlorene Zug, auch Zug der Verlorenen genannt, fährt tagelang durch Teile Deutschlands, die noch nicht befreit worden sind. Nachdem er Norddeutschland durchquert hatte, erreichte der Zug am 18. April Berlin und fuhr weiter. Während der Fahrt wurde der Zug mehrmals von alliierten Flugzeugen bombardiert. Erst am 23. April werden die Eingesperrten und von ihren fliehenden Bewachern, Peinigern in den verschlossenen Güterwaggons Zurückgelassenen, bei Tröbitz im Brandenburgischen von russischen Truppen befreit.

Etwa 200 Menschen verstarben während der Irrfahrt, manche an Typhus oder Pocken oder Fleckfieber, andere verhungerten, verdursteten. Nach der Rettung starben noch viele mehr an den Folgen ihrer Qualen.

Die Bergarbeitergemeinde Tröbitz mit ihren damals etwa 700 Einwohnern sah plötzlich rund 2000 ausgehungerte, todkranke Menschen vor sich, denen schnell geholfen werden musste. Viele Tröbitzer leisteten Hilfe, und Angehörige der Roten Armee leiteten Maßnahmen ein, um die Not der Menschen zu lindern sowie eine Ausbreitung der im Zug bereits aktiven Flecktyphus-Epidemie zu verhindern... Es dauerte acht Wochen, bis die Typhus-Epidemie zum Stillstand kam. Bis dahin starben weitere 320 Männer, Frauen und Kinder. Unter ihnen befanden sich auch 26 Tröbitzer, die sich angesteckt hatten. Die letzte Tote des Transportes, die Niederländerin Klara Miller, wurde am 21. Juni 1945 auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. (Wiki)

Martha Korngold 


Paul Korngold
 Stolpersteine in der Leibnizstrasse 57 Berlin-Charlottenburg
© unbekannt

Gefunden auf http://www.magdeburg-tourist.de

Dr. Franz Otto Seligsohn
 
Im niederländischen Asyl begegnet der Berliner Emigrant Dr. Franz Otto Seligsohn der verwitweten Gerda Beck geborene Meissner und ihrem Sohn Walter aus Magdeburg. 1939 heiraten sie in Amsterdam und wohnen mit dem kleinen Walter in der Biesboschstraat 67 III. Doch als 1940 die deutsche Wehrmacht die Niederlande überfällt, sitzen die drei in einer tödlichen Falle. Wahrscheinlich 1943 müssen sie Amsterdam verlassen und werden im Kamp Westerbork nahe der deutschen Grenze interniert. Von dort werden die 32jährige Gerda Seligsohn und ihr elfjähriger Sohn Walter am 25. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie wie alle Menschen ihres Transportes am 28. Mai ermordet werden. Dr. Franz Otto Seligsohn wird von Westerbork aus in das KZ Bergen-Belsen und von dort am 10. April 1945 in Richtung Theresienstadt deportiert. Doch dieser “verlorene Zug” landet nach Irrfahrten in der Nähe des Eisenbahnknotenpunktes Falkenberg vor einer zerstörten Elsterbrücke. Die SS-Bewacher fliehen und lassen die Waggons verschlossen auf den Gleisen zurück. Wenig später werden die Häftlinge durch Sowjetsoldaten befreit. Viele sind an Typhus erkrankt, alle sind durstig und halb verhungert, zahlreiche Menschen sind verstorben. Franz Otto Seligsohn gehört zu den Kranken. Er kommt wohl erst in das Lager Mühlberg und dann in das Krankenhaus Riesa. Dort stirbt er kurz nach Kriegsende am 29. Mai 1945. Er wird auf dem Friedhof Neuburxdorf/ Mühlberg begraben. Sein Name findet sich heute auf einer Gedenktafel in der Gedenkstätte des Lagers Mühlberg. Die Namen von Gerda und Franz Otto Seligsohn und Walter Beck finden sich auch im niederländischen “Joodsmonument”.

Dr. Franz Otto Seligsohn wurde am 27. Oktober 1899 geboren, er war Rechtsanwalt, wohnhaft in Berlin, ab 1939 in den Niederlanden, ab 1941 in Amsterdam, Biesboschstraat 67; 1943 nach Kamp Westerbork; deportiert nach Bergen-Belsen; am 10. April 1945 von dort mit dem letzten “verlorenen” Transport” Richtung Theresienstadt deportiert und bis Tröbitz gekommen; verstorben am 29. Mai 1945 im Krankenhaus Riesa/Sachsen. 

Im Frieden – April 1945
 
Ganz langsam schleichen wir dahin,
Ganz langsam Friedensfreude kommt
In uns nicht auf. Zu lange sind wir
Geknechtet und gedrückt im Kampf,
Noch nicht vergessen ist die Frohn,
Der Hunger, Dreck, das schlechte Bett.
Doch sehen wir ein bekannt' Gesicht
Dann lächelt unser stiller Gruß:
Du lebst noch! Das ist schön, sehr schön.

Felix Hermann Oestreicher 

Quellen: 

Die Stationen der bösen Irrfahrt

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10. April 1945 Bergen-Belsen
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11. April 1945 Soltau
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Munster
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Uelzen
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14./15. April 1945 Lüneburg
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15. April 1945 Lauenburg
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15. April 1945 Büchen
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15. April 1945 Hagenow Land
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15. April 1945 Ludwigslust
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16. April 1945 Wittenberge
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17./18. April 1945 Nauen
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18. April 1945 Berlin-Spandau
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18. April 1945 Berlin-Baumschulenweg
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Königs Wusterhausen
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Lübben
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Lübbenau
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Senftenberg
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19.–20. April 1945 Schipkau
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20./21. April 1945 Finsterwalde
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Doberlug-Kirchhain
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20./21. April 1945 Tröbitz (Durchfahrt)
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20.–22. April 1945 Langennaundorf
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23. April 1945 Tröbitz (zurückgefahren)


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