Freitag, 29. Mai 2015

Dann sterben wir, im Ernst und nicht im Spaß.



                                 Was ist unser Leben? Das Drama der Passion.
                                 Unsre Freude? Ein verwehter Ton.
                                 Im Mutterleib noch hinter den Kulissen,
                                 Bis wir im Schwank des Lebens spielen müssen.
                                 Die Welt ist Bühne. Der Himmel sieht sich an,
                                 Wie keiner seine Rolle spielen kann.
                                 Das Grab, das uns die Sonn vom Leibe hält,
                                 Das ist der Vorhang, der am Stückschluss fällt.
                                 So spieln wir bis zur letzten Ruh ohn Unterlass,
                                 Dann sterben wir, im Ernst und nicht im Spaß.

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                                What is our life? The play of passion.
                                Our mirth? The music of division:
                                Our mothers’ wombs the tiring-houses be,
                                Where we are dressed for life’s short comedy.
                                The earth the stage; Heaven the spectator is,
                                Who sits and views whosoe’er doth act amiss.
                                The graves which hide us from the scorching sun
                                Are like drawn curtains when the play is done.
                                Thus playing post we to our latest rest,
                                And then we die in earnest, not in jest. 


                                Walter Raleigh 
                                   Übersetzt von Rainer Iwersen

Am 29. Oktober 1618 wurde Sir Walter Raleigh wegen Verrates an James I. im einem Hof des Westminster Palastes hingerichtet. Seine letzten Worte waren, wird erzählt, an den Henker gerichtet: "Schlag zu, Mensch, schlag zu!" 

http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Raleigh

4 Kommentare:

  1. Shakespeare, Der Sturm, vierter Aufzug / PROSPERO:

    "... Das Fest ist jetzt zu Ende; unsre Spieler,

    Wie ich Euch sagte, waren Geister, und

    Sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft.

    Wie dieses Scheines lockrer Bau, so werden

    Die wolkenhohen Türme, die Paläste,

    Die hehren Tempel, selbst der große Ball,

    Ja, was daran nur Teil hat, untergehn

    Und, wie dies leere Schaugepräng' erblaßt,

    Spurlos verschwinden. Wir sind solcher Zeug

    Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben

    Umfaßt ein Schlaf. – Ich bin gereizt, Herr: habt

    Geduld mit mir; mein alter Kopf ist schwindlicht.
    ..."

    ("Our revels now are ended. These our actors, / As I fortold you, were all spirits, and / Are melted into air, into thin air, / And, like the baseless fabric of this vision, / The cloud-capped towers, the gorgeous palaces, / The solemn temples, the great globe itself, / Yea, all which it inherit, shall dissolve; / And, like this insubstantial pageant faded, / Leave not a rack behind. We are such stuff / As dreams are made on, and our little life / Is rounded with a sleep." IV.iv.148-158)

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  2. Ja, sagte der Kaplan, als ich - vielleicht acht Jahre alt - ihn im Religionsunterricht fragte, ob man im Himmel auch spielen dürfte und jeden Tag Pudding essen.
    Vielleicht glaubte er sogar daran, hoffte, dass Leben und Sterben nur Teile eines großen Spiels wären, in dem man sich ewig durchtricksen könnte.

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  3. Es ist gut, sich zu vergegenwärtigen, dass Shake-Speare-artige Dichtung aus vielen Federn seiner Zeit floss. Die Oxfordianer baden ja in einem Meer aus dünnsten und allerdünnsten Intertextualitäten - da tut es hin und wieder gut, von einer kräftigen Woge an Text-Ähnlichkeit umspült zu werden.

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  4. Im Augenblick beschäftige ich mich mit Marlowe, wie ich finde, zu Unrecht selten gespielt. Und auch bei ihm sind Themen & damals neue Ansätze der Dramatisierung zu finden. Die poetischen Bilder hingen wohl dick in der Luft und die Begabten konnten sie pflücken. Doch W.Sh. war wohl der schnellste und wagemutigste.

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