Sonntag, 26. Oktober 2014

Theaterwohnung 5 - Freundschaft aus der digitalen Ferne


Ich bin gerade jetzt wirklich mehr als gut dran. Habe spannende Arbeit, leidenschaftlich interessierte und obendrauf noch freundliche Mitarbeiter und gerade hier eine mehr als gute Unterkunft - eine Wohngemeinschaft für zwei mit zusätzlichem Wohnzimmer, funktionstüchtigem Fernseher, den die Requisite vor Jahren bereit gestellt hat und - und einer Waschmaschine! Keine nächtlichen Wanderungen vom Wohnort ins Theater zu verlassenen Kostümabteilungen für Waschgänge und Trockner. Ich wasche, wann ich will. Bügle, wann ich muß. Und einmal in der Woche kommen auch noch die gründlichen Putzkräfte des Theaters vorbei und säubern.
Luxus!
Alles ist gut. Nur eines fehlt, Augenkontakt.

 
Freischaffend und meiner Arbeit hinterherwandernd, heißt, dass ich ein Dreiviertel eines jeden Jahres in Theaterwohnungen deutscher Stadttheater verbringe. Manche sind grässlich, manche, wie die jetzige, warm und wohnlich, aber, was immer fehlt, sind die Augen, Hände, Münder ... meiner Freunde.
Skype, Facetime, Facebook, Mail und das altmodische Telefonieren sind unzulängliche Krücken, insbesondere in deutschen Landen, die, trotz hohem Stand in der Weltwirtschaft, den Ausbau des Internetzes betreiben, wie ein Schweizer Almbauer die Veränderung seiner jahrhundertealten bewährten Käserezeptur. Jeder Fischladen in Island bietet Wlan, in Heilbronn muß ich Beziehungen nutzen, um den Zugangscode für eins der hiesigen Cafes zu ergattern. 
Aber so oder so kann selbst die perfekteste Internetverbindung keinen mittelguten Kaffee an einem wackelnden Plastiktisch samt armseliger Blumengarnitur und echtem, undigitalisierten Gesicht gegenüber ersetzen. 
A wird gesagt, B wird geguckt. Die Schultern ziehen nach oben oder unten. Hände sind weich und entspannt oder tippeln nervös an der Tasse. Meine Nase reagiert. 
Und am Telefon kann man nicht durcheinander sprechen. Eine Unterbrechung geht verloren oder verliert, das, was sie unterbrochen hat, kein wahrer Dialog, eher zwei Monologe in Synchronisation.
Ich vermisse meine Freunde, den unterdrückten Raucherhusten, die kleinen geliebten Augenfalten, Hände, die mit mir altern und ich vermisse, die ungeordneten beglückenden Duette, die wir singen.
 

5 Kommentare:

  1. Das langsame Nachdenken, miteinander oder in sich für den anderen, das Suchen nach dem richtigen Wort, die Scheu, zu früh ein Wort auszusprechen, die wachen Augen gegenüber, das schweigende Hoffen auf den verstehenden Blick...
    Am Telefon kommt in Stille die Frage: Hallo? Bist du noch da?

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  2. Ja, das ist faszinierend... in Island... aber die haben auch keine Kanzlerin, die findet das Internet sei für uns alle Neuland... als ich mich dort einloggte bedachte mich mein Hotmail-Account allerdings mit der warnenden Mitteilung man habe eine ungewöhnliche Anmeldeaktivität festgestellt...und wollte zusätzliche Identifikationsdaten als Zeichen dafür, das wirklich ich es bin, da oben, im Norden.
    Ich mag diese Mail so gerne, dass ich sie bis heute nicht gelöscht habe und als Souvenier aus dem WLan-Paradies betrachte.

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  3. Wann bekommen die das mit dem Beamen endlich hin?

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  4. Bald!
    Während Menschen immer schon das Talent aufwiesen sich gegenseitig zu zerlegen beherrschen sie inzwischen auch Ansätze des wieder zusammenbauens... allerdings nur bei Photonen...
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/durchbruch-beim-beamen-australische-physiker-teleportieren-einen-laserstrahl-a-201230.html
    Ein wenig Geduld wird noch erforderlich sein... naja... ehrlich?... ein bißchen mehr kann auch nicht schaden... leider...

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  5. Womit wir wieder bei den Fernsehserien unserer Kindheit (West) wären - siehe das Telefongespräch in diesem Video bei 5:09 min.
    http://www.youtube.com/watch?v=ot1j1jVL6uI
    Zum Beamen reicht es doch, die Arme zu verschränken und mit den Augen zu blinkern, oder?!

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