Dienstag, 3. Juni 2014

Die große Schönheit - La Grande Bellezza


Für achteinhalb Stunden über dem Atlantik in einem dicht gefüllten, schlecht belüfteteten Großraumflugzeug der Lufthansa auf dem Weg von Frankfurt nach Toronto, regelmäßig mit nahezu uneßbaren Lebensmitteln bombardiert, an das geplante Lesen ist nicht zu denken, also werden Filme geguckt. 
12 Jahre als Sklave ein Film mit Oscars für den Besten Film, die Beste Nebendarstellerin & das Beste adaptierte Drehbuch ist erwartungsgemäß hochemotional, empört und rechtschaffen, aber nur in wenigen Momenten läßt er so etwas wie Schrecken zu, über große Strecken fühlen, leiden und weinen die Figuren schon so heftig und ungefiltert, dass für mich, als Zuschauer, wenig zu tun bleibt. Es gibt keine Entscheidungen zu treffen, ich werde geleitet mit strenger Hand. Allerdings ist Michael Fassbender schon ziemlich großartig.

Dann Her von Spike Jonze, ein Ein-Mann & eine-Frauenstimme-Film, eine Liebesgeschichte zwischen Joaquín Phoenix, einem einsamen Mann, der professionell Briefe für andere einsame Menschen schreibt, und der Stimme von Scarlett Johansson. Ja. ja, die digitale Welt und ihre Verführungen. Ja, ja Einsamkeit.

Aber dann: La Grande Bellezza von Paolo Sorrentino!!! Ein Augenschmauß, eine Herzensfreude und das Gehirn durfte sich auch vergnügen. Ein römischer Lebemann feiert seinen 65. Geburtstag und stellt fest, dass er altert. Bemerkt es, betrauert es und akzeptiert es. Das Tempo ist langsam, aber nicht gemächlich, die Dialoge mitfühlend erbarmungslos, immer wieder rutschen surreale Begleitbilder in die stringente Handlung und man hört geradezu, wie
Fellini leise im Hintergrund kichert. Der Rücken mag schon etwas steif sein, die Knie nicht mehr schmerzfrei, aber eine tiefe Verneigung vor 8 1/2, Marcello und der labilen, morbiden Schönheit der ewigen Stadt Rom ist immer noch drin!


Toni Sevillo in der Hauptrolle gestattet sich nur das Minimum an Selbstmitleid und erlaubt mir so, für ihn zu weinen und gleichzeitig über die Unabwendbarkeit des Zerfalls zu grinsen. "Man zerkrümelt", wie mein Onkel zu sagen pflegte. Oder, wie es Jep Gambardella, die Hauptfigur eleganter formuliert: "Das Wichtigste, was ich einige Tage nachdem ich 65 wurde, entdeckt habe, ist, dass ich keine Zeit mehr an Dinge verschwenden kann, dich ich nicht tun möchte."

Toni Sevillo hat in der Regie Matteo Garrone auch in der Romanverfilmung Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra mitgewirkt, ebenfalls sehr zu empfehlen.



----------------
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen