Freitag, 26. April 2013

Zornmanagement



Singe, Muse, vom Zorn des Helden Achill, 
der unendliches Leid den Achäern brachte...

Illias 1. Gesang, erste Zeile


Was macht man mit Zorn auf jemanden, den man einmal für einen Freund hielt?   
Man ist verletzt, gekränkt, beleidigt, verachtet, ungerecht behandelt worden und nun steht man da.  
Man ist wütend. Nein, nicht ärgerlich, nicht verstimmt, sondern wütend, zornig, abgrundtief traurig auch übrigens.  
Man grübelt, grummelt, versucht zu verstehen warum, untersucht die Situation  unter möglichen und unmöglichen Gesichtspunkten, redet mit Freunden darüber. Danach ist man aber immer noch zornig.
Das Schlimmste ist die Hilflosigkeit. Wenn der Kränkende wenigstens begreifen würde, begreifen müßte, was er, und warum er es, getan hat. Aber nichts da. Der Erzürnende verweigert die Einsicht, oder er schiebt, als übelster Teil der Kränkung, die Verantwortung hochmütig, lässig und kalt von sich weg. 
Was kann man dagegen tun? RACHE! würde Krimhild sagen. Aber welche Rache ist wirklich süß? Rache verwandelte den Täter in ein Opfer. Schlechte Lösung. Genugtuung - was wäre das? Dass es dem Beleidiger so mies geht, wie man sich selbst fühlt? Entschuldigung? Nebbig! Kriegt man überall für einen Pfennig. Verständnis würde helfen, ist aber nicht vorrätig.
Was macht man mit Zorn?  
Das Zweitschlimmste ist das Nicht-Begreifen-Können. Warum? Welcher Mangel in einem selbst, welcher noch-nicht-erkannte Zug oder Fehler hat dies herausgefordert? Ist man eigentlich selber der Schuldige? Verdient man so behandelt zu werden?
Was macht man mit Zorn? 
"Nimm das Gefühl an" ist ein beliebter Ratschlag. Annehmen heißt, sagt der Duden u.a.: etwas entgegennehmen, nicht zurückweisen, mit etwas einverstanden sein, mit etwas übereinstimmen, es übernehmen.   
Warum sollte man mit diesem Zorn einverstanden sein? Wer ist gerne zornig. Und dann? Angenommen man nähme den Zorn an, Handlungsunfähigkeit und Wehrlosigkeit werden dadurch nicht angenehmer.
Wie kann es sein, dass der Missetäter ruhig schläft, unberührt grinst, oder sogar selbstgerecht "mitfühlt" und man selbst verkrampft sich in gelähmter Wut?
Nein, das Allerschlimmste ist, dass Zorn an einem selbst mehr Schaden anrichtet als beim Verursacher. Zorn kostet Kraft, raubt Lebensfreude. Der Mistkerl oder die böse Kuh erringen so einen Doppelsieg.
Was macht man mit Zorn? 
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Leider glaube ich nicht an Gott und bin immer noch zornig.




"Mit Gelassenheit pflegt man ein mittleres Verhalten da zu bezeichnen, wo es sich um zornige Erregung handelt, und zwar teilt man, weil es für die rechte Mitte und eigentlich auch für die beiden Extreme keinen eigenen Ausdruck gibt, die Bedeutung der rechten Mitte, die unbenannt ist, der Gelassenheit zu, während letztere eigentlich nach der Seite des Zuwenig hinneigt. Das Zuviel darf man als Hang zu zorniger Erregung bezeichnen. Der innere Zustand ist der Zorn; die Ursachen, die ihn erregen, sind zahlreich und von der verschiedensten Art. Wer da zürnt, wo der Anlaß und die Personen den Zorn rechtfertigen, wer in der rechten Weise, zur rechten Zeit und die rechte Zeitdauer hindurch zürnt, dessen Verhalten findet Billigung; man kann einen solchen gelassen nennen, vorausgesetzt, daß Gelassenheit das billigenswerte Verhalten bedeutet. Gelassen, das bedeutet, daß man sich nicht aufregen, von der Leidenschaft sich nicht hinreißen läßt, sondern in der Weise seinem Zorn Raum gibt, wie rechte Vernunft es gebietet, bei dem gegebenen Anlaß und die rechte Zeitdauer hin durch. Wo der Gelassene sich dagegen vergeht, da möchte es eher in der Richtung auf das Zuwenig geschehen. Denn dem Gelassenen liegt vermöge seiner Neigung nicht die Vergeltung, sondern mehr die Nachgiebigkeit nahe. Das Zurückbleiben hinter der rechten Mitte aber, sei es aus einer Art von Temperamentlosigkeit, sei es aus irgendeinem anderen Grunde, ist Gegenstand der Mißbilligung. Leute, die da nicht in zornige Aufwallung geraten, wo es geboten wäre, erscheinen als verkehrte Menschen, gerade wie diejenigen, die nicht in der rechten Weise, nicht zur rechten Zeit, noch aus dem rechten Anlaß zürnen. Jener macht den Eindruck, als habe er keine Empfindung und mache es ihm keinen Schmerz, und da er nicht zürnt, als sei er auch nicht imstande sich zu wehren, während es doch Sklavensinn verrät, still zu halten, wenn man beschimpft wird, oder seine Angehörigen preiszugeben. Dagegen, daß man zu weit geht, das kommt in allen Beziehungen vor; man zürnt den Personen und aus Anlässen, wo es nicht recht ist; man zürnt heftiger, schneller und längere Zeit hindurch, als recht ist."

aus: Nikomachische Ethik Über Gelassenheit
Aristoteles



Der Zorn des Achilles
Léon Benouville 1847

"Die Geschichte aller bisherigen europäischen Gesellschaft ist ihm die Geschichte von Zornmanagement." 
aus einem Artikel in der "Zeit" über Sloterdijks Zorn und Zeit

3 Kommentare:

  1. Jähzorn ! Hilft ganz direkt, nicht am Zorn zu platzen. Kreischen, Kaputtschmeißen, Trampeln. Weiß doch jeder Dreijährige.
    Bloß das Aufräumen danach ist so lächerlich.

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  2. Böse Lieder dichten und laut singen.

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  3. Ihm sagen, wie sehr es Dich verletzt hat. Auch wenn es Dir schwerfällt - vielleicht beschämt ihn das. Ihn aus Deinem Leben streichen und es ihm auch sagen - vielleicht trifft und bestürzt ihn das. Den Zorn muß man durchleben und dann weitergehen. Mir hilft da immer joggen mit ganz lauter Musik im Ohr.

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