Mittwoch, 23. Januar 2013

Kopfwirrwarr - Fiesco ist eine Reality Show


Die Welt ist ein Irrenhaus. 
Cicero, Ad familiares 9, 22

Seit einigen Tagen, schaue ich unter Anleitung eines Freundes, allabendlich "Das Dschungelcamp". Zehn Minuten schaffe ich nun ohne nennenswerte körperliche Abwehrreaktionen, dann ist es genug.
Und dort sehe ich, wie sich Mitbürger, tja, wie nenne ich es, desavouieren, zum Affen, zum Arsch, zum nackten, ungeputzten Affenarsch machen. Natürlich für Geld, die Zahlen schwanken gerüchteweise zwischen zwanzig- und einhunderttausend Euro. Sie müssen dämliche Prüfungen durchlaufen, Skorpione, Spinnen, Würmer essen, mit Ratten nächtigen, durch Schlam und Dreck waten und bekommen zur Belohnung golden-glitzernde Pappsterne. Sie kreischen vor Ekel und keifen vor Neid, sie orgasmieren beim Erhalt einer kleinen Packung Kekse und weinen bitterlich, wenn sie nach einer Woche fernsehüberwachten "Dschungelaufenthalts" einen Brief von ihren Liebsten empfangen. Originalzitat: "Dieser Brief ist der beste ..., es ist der überhaupt erste Brief den ich kriege. Ich liebe Dich, darauf kannst Du einen lassen!" Der blaue Vogel der Romantik fliegt mit dem Kopf gegen die nächste Palme und verstirbt, schamrot, unter Schmerzen.
What the fuck?!
In Washington hält Obama, bei allem dringend notwendigen Mißtrauen, eine für amerikanische Verhältnisse, sehr klare. konfrontierende Inaugurations-Rede und alle Welt zeigt sich zutiefst erschüttert, dass Beyonce, die zu diesem Anlass gesungene Nationalhymne, möglicherweise, nicht live gesungen hat und der Präsident, eventuell, nach dem Mittagessen geraucht haben könnte.
What the fuck?!
Bei der Wahl in Niedersachsen erklärten die Kandidaten aller Parteien, dass das Wahlergebnis doch höchst wunderbar und günstig für ihre Partei sei. Keine Worte über Inhalte, Pläne, Konzepte, aber Redeschwälle über interne, machtversessene Hahnenkämpfe.
What the fuck?!
Die Ehefrau Kim Yong Uns, des momentan perversesten aller Tyrannen, schmückt sich mit einer 1000 Euro teuren Handtasche, und das wird als mögliches Hoffnungszeichen für die Öffnung zum Westen gedeutet.
What the fuck?!
Eine junge Frau, die offenbar durch K.o.-Tropfen betäubt und später vergewaltigt wurde, ist in Köln von zwei katholischen Kliniken abgewiesen worden. Die Begründung: Ein Rezept für die "Pille danach" könne aus ethischen Gründen nicht ausgestellt werden. (Quelle: wdr.de)
What the fuck?! (Auch wenn es in diesem Zusammenhang taktlos klingen mag.)


Tasche des Anstoßes: Die schwarze Tasche mit dem „D“-Anhänger neben Nordkoreas First Lady Ri Son Ju erinnert sehr an die teuren Modelle von Dior. Ob es sich tatsächlich um ein Original handelt, ist nicht bestätigt. © AFP

Da wird mir doch mein momentanes Stück, "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua", über den aufhaltsamen Aufstieg der Gewissenlosigkeit ohne Skrupel, zum tagespolitischen Gegenwartsdrama. Von wegen Schillerscher Überhöhung - dokumentarisch geradezu.

Fiesco V. Akt, letzte Szene:

Verrina.
Ist denn die Freiheit in der Mode gesunken, dass man dem ersten Besten Republiken um ein Schandgeld nachwirft?

Fiesco.
Das sag du Niemand, als dem Fiesco.

Verrina.
Ich schwör' es beim lebendigen Gott, eh die Nachwelt meine Gebeine aus dem Kirchhof eines Herzogtums gräbt, soll sie sie auf dem Rade zusammenlesen!

Fiesco.
Auch nicht, wenn der Herzog dein Bruder ist? wenn er sein Fürstentum nur zur Schatzkammer seiner Wohltätigkeit macht? Verrina, auch dann nicht?

Verrina.
Auch dann nicht — Meinem Mitbürger konnte ich schon erlauben, mir Gutes zu tun — meinem Mitbürger hoffte ich es wett machen zu können. Die Geschenke eines Fürsten sind Gnade — und nur Gott ist mir gnädig.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen