Donnerstag, 18. August 2011

Sisyphos

 „Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“
Homer Odyssee: 11. Gesang, 593–600 Übersetzung Schadewaldt

Persephone beaufsichtigt Sisyphos mit seinem Stein in die Unterwelt. Seite A von einer schwarzfigurigen attischen Amphora, um 530 v. Chr. Aus Vulci
„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache. [...] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf. Wenn es ein persönliches Geschick gibt, dann gibt es kein übergeordnetes Schicksal oder zumindest nur eines, das er unheilvoll und verachtenswert findet. Darüber hinaus weiß er sich als Herr seiner Tage. In diesem besonderen Augenblick, in dem der Mensch sich seinem Leben zuwendet, betrachtet Sisyphos, der zu seinem Stein zurückkehrt, die Reihe unzusammenhängender Handlungen, die sein Schicksal werden, als von ihm geschaffen, vereint unter dem Blick seiner Erinnerung und bald besiegelt durch den Tod. Derart überzeugt vom ganz und gar menschlichen Ursprung alles Menschlichen, ein Blinder, der sehen möchte und weiß, dass die Nacht kein Ende hat, ist er immer unterwegs. Noch rollt der Stein. […] Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Albert Camus Der Mythos des Sisyphos: 6. Aufl., Reinbek, 2004. S. 159f.

Tizian1549































CAMILLE. Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren!

DANTON er kleidet sich an. Aber die Zeit verliert uns. Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen und des Abends ins Bett und morgens wieder heraus zu kriechen und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und daß Millionen es schon so gemacht haben, und daß Millionen es wieder so machen werden, und daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das nämliche tun, so daß alles doppelt geschieht – das ist sehr traurig.
Georg Büchner Dantons Tod Akt 2 Szene 1

Franz von Stuck 1920
Wenn kein Sinn darin ist, so erspart uns das eine Menge Arbeit, denn dann brauchen wir auch keinen zu suchen.
Lewis Caroll Alice im Wunderland


Mrs Sisyphus 

That’s him pushing the stone up the hill, the jerk.
I call it a stone – it’s nearer the size of a kirk.
When he first started out, it just used to irk,
but now it incenses me, and him, the absolute berk.
I could do something vicious to him with a dirk.
Think of the perks he says.
What use is a perk, I shriek,
when you haven’t the time to pop open a cork
or go for so much as a walk in the park?
He’s a dork.
Folk flock from miles around just to gawk.
They think it’s a quirk,
a bit of a lark.
A load of old bollocks is nearer the mark.
He might as well bark
at the moon –
that feckin’ stone’s no sooner up
than it’s rolling back
all the way down.
And what does he say?
Mustn’t shirk –
Keen as a hawk,
lean as a shark
Mustn’t shirk!
But I lie alone in the dark,
feeling like Noah’s wife did
when he hammered away at the Ark;
like Frau, Johann Sebastian Bach.
Her voice reduced to a squawk,
my smile to a twisted smirk;
while, up on the deepening murk of the hill,
he is giving one hundred per cent and more to his work.

Carol Ann Duffy

2 Kommentare:

  1. Alexander Höchst18. August 2011 um 12:29

    Bei Tagesanbruch nehme ich meinen Stein und trage ihn durch das Licht dem Gipfel entgegen. Am Abend lege ich mich erschöpft zum Schlafen nieder. Am nächsten Morgen wartet der Stein schon auf mich vor meinem Bett. Er scheint sich zu freuen, wieder einen ganzen Tag bewegt zu werden. Ab und an überträgt sich seine Freude auf mich. Besonders, wenn die Steigung besonders steil und verflixt ist. Gemeinsam erobern wir dann jeden Vorsprung und jeden Abgrund, die es zu überwinden gilt. Wenn ich falle, stehe ich auf, obwohl das Gewicht des Granites auf mein Fleisch drückt. Wenn ich liegen bleibe, freut sich der Brocken auf den nächsten Träger, der ihm den Schein der Sonne und der Sterne zeigt.

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  2. Steinchenfrage:
    Wie oft mag ich schon die Fingernägel geschnitten haben?

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