Samstag, 2. Juli 2011

Wolfram Koch - Gott liebt die Clowns und ich auch

Nur um das ganz klar zu machen: Ich kenne den Mann nicht, leider.
Gestern abend "Die Spanische Fliege" von Arnold und Bach und Herbert Fritsch in der Volksbühne. Juchu! Es war dreist und verquer und überhaupt unmöglich, es war schön.

Das Stück.
Der Titel benennt die Spanische Fliege, einen bis zu zwei Zentimeter langen Ölkäfer, der Cantharidin enthält, ein Reizgift zum Schutz vor Fressfeinden. (Das Wort habe ich noch nie gehört, gefällt mir aber sehr - Ich hasse Dich zum Fressen gern!) o,o3 Gramm des Giftes können einen Menschen töten, daher auch seine Verwendungen für Hinrichtungen und heimliche Mordanschläge. Aber es gilt auch als Potenzmittel, wohl weil es die Harnwege reizt und so zu massiven Erektionen führt. Also Jungs!

Lytta vesicatoria
Hier ist die spanische Fliege eine Tänzerin aus Bautzen, mit der fast alle der anwesenden Herren vor 24 Jahren einen "vergnüglichen" Abend hatten, und die seitdem auch von allen für das daraus möglicherweise entstandene Kind, einen Sohn, Alimente bekommt. 
Mutter und Sohn, ich verrate nicht wer es ist, aber ist letztendlich auch egal, sie sind das Panikgas, das den Abend in den Wahnsinn treibt. Damit wird auch auf dem Plakat gespielt: Die (s)panische Fliege heisst es da.

Kurzer Abriss, der völlig blödsinnigen Handlung unter: http://www.kultur-fibel.de/Theater,Die_spanische_Fliege,Komoedie,Kultur-Fibel.htm

Das Bühnenbild - Herbert Fritsch in Personalunion mit Herbert Fritsch dem Regisseur: ein Teppich, der übliche Perser des bürgerlichen Wohnzimmers,  aber Volksbühnen- bühnengross, nach hinten hochstrebend und faltig, voller Stolperfallen und eingelassenen Trampolinen. Das ist eines der freudigen Dinge des Abends, wir dürfen sehen, dass Schauspieler richtig was können. Körperlich, stimmlich, handwerklich. Was die Spieler mit den Trampolinen veranstalten - ein Spass. Und sie wissen immer, dass wir ihnen zuschauen und das treibt sie weiter und erhöht den beiderseitigen Spass.

Die Kostüme - Victoria Behr: Gründerzeit im Hochbarock. Die Frisuren sind Perücken - unzweifelhaft. Die der Frauen riesig, wippend und wie eigene Lebewesen, die gerade mal noch unter der Kontrolle der Trägerin bleiben. Und weil das Hauptehepaar, Mostrichproduzenten sind, tragen sie Gelb, natürlich!

Die Spieler: Keiner schwach, aber sicher nicht alle auf dem gleichen Grad der Doppel-, oder Dreifachbödigkeit. Sophie Rois, der die undankbare Position der Mittelsäule zugefallen ist, ist, wie immer überwältigend anwesend. Angsterregend und hilflos zugleich.
Christoph Letkowski als Fritz Gerlach - "Der Fritz, das ist ein Witz", in öligem Charm geformtes Idealbild aller Frauenhelden, Bastian Reiber als erwünschter Schwiegersohn und/oder gehasster Bastard, nie länger als 20 Sekunden in der gleichen Haltung, Inka Löwendorf , Hans Schenker, Betty Freudenberg, Harald Warmbrunn und und.
UND Wolfram Koch! Das Zeit-Timing! Hmmmm! 
Meine Lieblingsszene: Koch tritt mit einem drei Meter langen Brett unterm Arm auf, wir alle wissen, was jetzt passieren müsste, wir alle haben die Marx Brothers und Chaplin und Stan and Laurel gesehen und kennen den Tortenwurfunterricht der Pythons, aber nix da, Koch deutet die möglichen Varianten nur an. Hält uns in der Erwartung und wenn das Brett abgespielt ist, tritt er an die Rampe in zarter Verzweiflung und ruft: " Jetzt habe ich eine ganze Szene mit einer Riesenlatte gespielt!" Hmmm!
Der Schluss ist so, wie Schwankschlüsse halt sind, ein bißchen schwach, aber bis dahin! Und da holt Fritsch seinen letzten Trick aus der Tasche, ein durchinszenierter Schlußapplaus mit Musik (auf deutschen Bühnen ein großes No- No, außer bei Musicals,), man kann gar nicht aufhören zu klatschen, es wird zu lang, man wird sauer und klatscht doch weiter. Mistkerl.
Auch der Zuschauer ist jetzt erschöpft und geht grinsend nach Hause.
Nebenbei, hin und wieder muss ich immer das Publikum betrachten, es gehört ja als Mitspieler dazu, und da konnte man Gesichter sehen, die gegen das eigene Vergnügen kämpften. "Das sollte mir nicht gefallen!" Der Kampf des Kinderlachens gegen das feuilletongestählte Hirn.
Hingehen. Bitte.


3 Kommentare:

  1. http://www.youtube.com/watch?v=vSgRkBWNlBo

    Pie Skit oder Torten Sketch von Monty Python

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  2. Annette wrote: "Der Kampf des Kinderlachens gegen das feuilletongestählte Hirn."Wunderbarer Satz. Wie war das: wir haben gelacht, aber unter Niveau. So typisch deutsch!"

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  3. Laura schrieb:
    hmmmm! aber leider etwas anders. ich hatte meine karte für das heutige teppich-gehoppse schon, deshalb bin ich nicht auf dein angebot für gestern eingegangen. ich habe gelacht, aber leider viel viel weniger, als ich gehofft hatte. habe deinen eintrag auch extra erst hinterher gelesen. tolle tolle bühne, aber leider völlig totgespielt, weil jeder und immer und - ach, das timing! die spieler körperlich - toll. wolfram koch, sophie rois, christine urspruch - sowieso toll! und die anderen - ach, das timing! hmmm! leider 60% enttäuschte langeweile . der rest toll und - mit timing! groß und bunt und schön, aber nur dann, wenn nebenbei auch noch was erzählt wird. ein brett ohne geschichte ist eben leider nur - ein brett.

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