Mittwoch, 13. Juli 2011

Albanien und die 700 000 Bunker

Ein Ausflug nach Albanien: Knallhartes Kontrast-programm, hier (Korfu) ein Land, dessen Wirtschaft rabiat auseinanderfällt, dort (Sarande) ein Land im unkontrollierten und unkontrollierbaren Aufbauwahn. Mein Familienalbaner meint 70% der Häuser in Sarande sind in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gebaut worden. Viele davon wurden begonnen und warten jetzt darauf, dass der Besitzer wieder Geld hat, um weiter zu bauen.
Andere wurden ohne Genehmigung gebaut und wenn das bemerkt wird, kommt das Amt und sägt einen oder zwei der Träger durch. Das Haus knickt ein und bleibt dann einfach schief und unbewohnbar in der Landschaft stehen.
Eine halbe Stunde entfernt, Butrini oder Bothrotum, eine Miniaturübersicht der Geschichte des Mittelmeerraumes, angeblich gegründet von Helenus, dem Schwiegersohn des Priamus, und seiner Frau Andromache auf der Flucht aus dem zerstörten Troja.

Dann griechisches Asklepios-Heiligtum, römische Siedlung, Ziel von Vandalen-angriffen, Christianisierung mitsamt heilig-gesprochenem Märtytrer. (Er wurde als Gladiator wilden Tieren vorgesetzt.) Später kam Byzanz und die Venezianer folgten und ... 
Man hat ganz sinnlich das Bild von Völkern, Stämmen, Heeren, die über dieses Meer fuhren, fahren mit- und gegeneinander kämpfen, Bäder bauen und Theater, Religionen wechseln, Mosaike legen, lieben, hassen, träumen, aber das Meer bleibt und die Landschaft: wild, karg, heiß, herrlich. In dieser Landschaft heute massenweise Müll, Plastetüten, Dosen, Verpackungen. Der Kapitalismus ist eingeritten und nach Jahren der brutalsten Isolation, wird das Neue gierig gegriffen, nur weiß man noch gar nicht damit
umzugehen. Erst nur als kleine Irritation, doch später immer auffallender, halbrunde Beton-Pilze in der Landschaft, scheinbar zufällig und vereinzelt gesetzt, sehen sie aus wie UFOs aus billigen Filmen der 50er Jahre. Es sind Bunker. Zwischen 1950 und 1985 ließ Enver Hodscha 700 000 dieser Dinger bauen, bei einer Bevölkerung von 3 Millionen. Der Ingeneur des Prototypen musste sich in ihm einem Panzerangriff aussetzen, damit dem hohen Führer ihre Stabilität beweisend. Er hat den Test überlebt, leider?


Hodscha hat auch darauf bestanden, dass Strassen nur kurvig gebaut werden, so dass keine feindlichen Flugzeuge darauf landen können. Als, nach der albanischen Wende, der  Kulturminister Kinder und Künstler dazu aufforderte, die Pilze in bunte Magic Mushrooms zu verwandeln, schritt das Militär ein und verhinderte das Vorhaben.
Natürlich ist dies nur ein kleiner Eindruck, aber so ungefähr stelle ich mir den Wilden Osten vor. Die sich auflösende DDR bekam nach der Wende wohl und übel die Hilfe des westlichen Bruders, hier aber herrscht
Anarchie in Gleichzeitigkeit mit verkarsteten alten Machtkonstellationen, überlebt habenden
Clanstrukturen und den Gelüsten der
internationalen Wirtschaftsgiganten.

1 Kommentar:

  1. Alexander Höchst14. Juli 2011 um 14:47

    Landschaft zernarbt scheint still und duldet;
    Oliven, Weißbrot, Wein vergeht in Mund und Schlünder, das Meer lässt zeitlos seine Farben spielen, dürre Gräser, Erden verbreiten unermüdlich ihren Duft, der Mondschein tröstet geschund'ne Kreaturen, die Sonne zeigt nur gen Morgen noch erbarmen und die Grille zirpt ihr Lied in alle Zeit.

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