Donnerstag, 23. Juni 2011

Das Wintermärchen im Hexenkessel Hoftheater und Il Paride - Eine Barockoper in Sancoussi


Zwei Abende, zwei Theaterwelten.

"Das Wintermärchen" von Shakespeare, für mich eines der makabersten und magischsten Shakespearestücke und ziemlich ungeeignet für eine Freilichtproduktion, wenn auch, wie hier, in einem frei nachempfundenen Globe-Theater.
Einige ganz starke Bilder, feine Kostüme, aber wenn es bitter hätte werden müssen, musste geschrien werden und gerannt und dann hielt man sich doch lieber an die berühmte Regieanweisung im zweiten Akt: "Er rennt ab, verfolgt von einem Bären." Claudia Graue, wie nahezu immer, außerordentlich. Präzise und verrückt, lustig und gräßlich. Toll. Ansonsten eher unbefriedigend.
Aber es ist ein garstiges, ein herrliches Stück, zweimal beginnen Akte ganz zierlich und heiter und kippen urplötzlich in grausamen Terror von Vätern gegen ihre Familien. Der Schluss ist nur dann ein Happyend, wenn man ganz doll die Augen zusammenkneift und nicht hört, was nicht gesagt wird. Ich mache das im nächsten Jahr, ihr werdet also noch öfter davon hören.
Vor dem Theater direkt an der Spree ein Biergarten mit Tanzfläche, zu Swing und altem Tango tanzen Generationen in unterschiedlichster Zusammenstellung, ganz perfekt oder zauberhaft bemüht. Ein seltenes Bild. Nicht nur für Junge, nicht nur für Gesellschaftstänzer, nicht nur für ... irgendwen, sondern für jeden, der tanzen mag.

Heute im Schloßtheater im Neuen Palais in Sancoussi eine Barockoper.
Giovanni Andrea Bontempi, eigentlich G. A. Angelini war ein italienischer (merkt man ja schon am Namen) Kastrat und Komponist. Von 1657 bis 1664 war er Vizekapellmeister der Hofkapelle in Dresden unter Heinrich Schütz. Er schrieb nur drei Opern, "Il Paride" oder "Das Spiel von der Liebe in Musik gesetzt" wurde am 3. November 1662 Dresden vor 2500 Gästen, anläßlich einer hochadligen Hochzeit uraufgeführt und diese Aufführung kostete damals 300 739 Taler!
Man muss sich das vorstellen, die gesamte mechanische und sonstige Zauberkunst des höfischen Barocktheaters im Einsatz, mit Schifffahrt (drei f!), Sturm, Götterball, Flugwerk etc., ich würde Einiges dafür geben, sowas mal zu sehen. Selbst die kleinere Variante im wunderbar erhaltenen Theater in Bad Lauchstädt hat mich vor Jahren tief beeindruckt: hölzerne Zahnräder für lautlose Versenkungen, bemalte Illusions-Prospekte, drehbare Spiegel zur Lichtregulierung. Und bei solch einem Anlass, wie einer Hochzeit, haben sie sicher aus dem Vollen geschöpft.
Im Schloßtheater arbeiten sie mit Andeutungen. Ganz schön. Aber die Musik hat mich umgehauen und wurde wunderbar gespielt. Christina Pluhar als Dirigentin und gleichzeitig an der Theorbe, dazu Erzlaute, Barockgitarre, Barockharfe, Cembalo, Viola da Gamba, Violincello - die Instrumentennamen klingen schon ein wenig wie die Musik.

Eine Theorbe - Charles Mellin
La Paix et les Arts, 1627
Die Handlung ist leicht wirr und eigentlich schrecklich: Liebe kommt wie eine Krankheit über die Menschen, die aber in der Form des Barocks gefesselt sind und die Musik zwingt sie Ungeheuerlichkeiten ganz streng und gemessen zu äußern. Qualvoll und faszinierend. Früher wurden alle weiblichen Rollen von Kastraten gesungen und heute ist es nur noch der Paris, die Titelrolle, der ist natürlich Countertenor und nicht kastriert (hoffentlich). Das ist schon merkwürdig, wenn da so ein kräftiger junger Australier auftritt und öffnet den Mund und ... Er ist der "Liebhaber" und klingt wie eine hochartifizielle Frau. Wahnsinn.
Vor Jahren bin ich in jede Händeloper mit Jochen Kowalski gerannt, weil mich diese über-natürliche Künstlichkeit so fasziniert hat.

http://www.youtube.com/watch?v=cZG1m2vjDDE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen