Sonntag, 17. April 2011

Theater ist zeitaufwändig


"Wie merken Sie sich bloss den ganzen Text!" Immer wieder gern gefragt, immer wieder ungern gehört. 

Die Fakten: Proben sind in den meisten Fällen von 10 bis 2 und 7 bis 10 Montag bis Freitag, Samstags, außer in der Vorprobenzeit nur vormittags. Text lernen findet davor, dazwischen, danach statt. Vorstellungen gibt es sieben Tage die Woche, und an einem durchschnittlichen Stadttheater kommt man im Jahr schon auf mehr als 120 davon, dazu vielleicht 5 Neuproduktionen mit Probenzeiten zwischen 5 und 9 Wochen. Garantiert frei sind der 1. Mai (immer noch?), der 24. Dezember und der 1. Januar. Packen wir noch Matineen, Soireen, Anproben, Maskenproben dazu, kommt da einiges zusammen. Und manche Spieler sind ehrgeizig genug, auch noch Zeit auf Körpertraining, Gesangsunterricht oder Verwandtes zu verschwenden. Das müssen sie oft auch noch selber finanzieren, da die Theater, es sich entweder nicht leisten können oder wollen.
Nach vier Jahren Hochschulstudium verdient der Absolvent 1650 Euro brutto. Und das nur, wenn er ein Festengagement ergattern konnte. Ich spreche hier vom Stadttheater. Nebenjobs sind schon wegen der Arbeitsmenge nahezu unmöglich. Die Gagenerhöhungen der nächsten Jahre sind meist hart erkämpft und gering.
Und deshalb hier einmal ein Loblied auf den Schauspieler:

Striese: Schmierentheater! Hören Sie, jetzt läuft mir die Galle über. Wissen Sie denn überhaupt, was eine Schmiere ist? Es ist wahr, wir ziehen von einem Ort zum andern, aber mein erhabener Kollege, der Herzog von Meiningen, macht es ja ebenso. — Es ist wahr, daß ich meinen Schauspielern fast gar keine Gage bezahlen kann, aber dafür leisten sie desto mehr. Da ist zum Beispiel mein erster Held — ein früherer Apotheker, — das ist ein Beleuchtungsinspektor, wie Sie ihn suchen können; mit Hilfe einer einzigen Petroleumlampe und einer roten Glasscheibe läßt Ihnen der die Sonne untergehen, daß es Ih­nen nur so vor den Augen flimmert. Und dabei das Familien­leben unter meinen Leuten! Meine Frau kocht für die ganze Gesellschaft, damit meine Sozietäre sich an Entbehrungen gewöhnen. Der Charakterspieler ist nicht zu stolz, die Kartoffeln zu schälen, und mein Jüngster kann gar nicht ein­schlafen, wenn nicht der Intrigant, der gute Kerl, ihn vorher eine Stunde lang in der Stube herumträgt. Und wie anhänglich mir die Leute sind. Meine jugendlich-naive Liebhaberin ist nun bald 18 Jahre bei mir, sie denkt gar nicht daran, wegzugehen. Und was schließlich meine Frau anbelangt ------ nicht nur, daß sie das Kassenwesen besorgt, den Schauspielern die Haare brennt, in der Stadt die Requisiten zusammenborgt und abends die größten Rollen spielt, nein, sie hat trotz dieser Überbürdung im Laufe der Jahre noch Zeit gefunden, mich mit einer Schar lieblicher Kinder zu beschenken. Sehen Sie, Herr Doktor, das wird an einer Schmiere geleistet, und ich bin der Direktor! Empfehle mich!

5 Kommentare:

  1. Monolog des Theaterdirektors Striese, Raub der Sabinerinnen, 1884, Franz und Paul Schönthan, heute übliche Fassung von Goetz

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  2. Könnte der Intendant meines letzten Theaterprojektes sein - es ist beruhigend und beunruhigend zugleich, dass sich bestimmte Dinge niemals ändern.

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  3. Alexander Höchst17. April 2011 um 21:55

    Ein Schauspielerleben im Stadttheater; gefüllt mit Arbeit und Zeit ist Mangelware. Es gab eine Zeit von der noch heute jeder spricht, wenigstens die Alten, eine glückliche Zeit. Das Engsemble harmonierte und funktionierte und dank begabter Regisseure gab der Erfolg Bestätigung und Befriedigung. Das Spielen war eine Freude jeden Tag auf's Neue. In der Kantine wurde diskutiert, phantasiert und gestritten. Es knisterte auch privat. Die Kräfte schienen unerschöpflich. Doch das ist vorbei. Die Arbeit und der Zeitmangel sind geblieben und die Hoffnung auf eine Renaissance der Hoch-Zeit.  Das Theater blieb, nicht viel sonst. Spielen, das geht noch. Der Spaß muss hart erkämpft werden und macht sich rar. Die Stadt kennt seine Schauspieler, wenigstens das. Die Leitung hat nach vierzehn Jahren das Kündigen verpennt. Jetzt woanders hin... das wäre die pure Unvernunft und vernünftig sein... wie lang hat man gebraucht. Im Sommer geht es endlich wieder auf die griechische Insel da kann man leben, wenn die Rente pünktlich eintritt.  Das heißt, wenn man aus dem Sommerprojekt rauskommt. Ein neuer Wagen  muss bis dahin finanziert werden, vielleicht übernimmt ja die Technik die Raten oder das Orchester (kleiner Spaß am Rand), und das kleine Häuschen verkauft. Die Kinder wird man dann noch seltener sehen. Ein kleiner Weinberg, nicht ganz gefüllt mit Arbeit, doch der Erfüllung vielleicht näher... Verdammte Zigaretten, das Atmen fällt schwer... Die Nacht ist zum Schlafen da...
    Schon gut, die Nächste wird besser... Gute Nacht.

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  4. Ich bin so froh, dass Du wieder schreibst. So ganz anders, und doch verstehe ich jedes Wort.

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  5. Pascal wrote: "Diese Frage verblüfft mich jedesmal aufs Neue. Tatsächlich erregt das das meiste Interesse, wenns um das Berufsbild geht. Die Lernleistung steht offenbar vor allem anderen. Dafür akzeptiert der Zuschauer dann auch das Honorar, im Zweifel natürlich auch noch für besonders sportliche Leistungen, alternierend mit der Extremdarstellung von Wahnsinn."

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