Mittwoch, 2. März 2011

Thomas Brasch 2

Ich liebe diese Übersetzung, Adaption, Zuerfindung.
 
Aus "Romeo und Julia oder Liebe Macht Tod"

Nicht Narr, nicht Clown, nicht Trottel, nicht Idiot.
Ihr Zuschaukünstler habt für mich kein Wort.
Ich komm aus England. Daher kommt der Tod.
Ich bin der Sterbewitz. Ich bin der Mord-
Versuch, jaja, ich weiß. Auch der macht Spaß
Weil er sich reimt und ist nicht so gemeint,
denkt ihr. Ihr denkt? Sieh an, seit wann denkt Aas.
Ich bin mein eignes Volk. Ihr seid vereint.
In dem Verein, der richtet und der henkt.
Ich will, dass ihr euch hier zu Tode lacht,
voll faulem Mitgefühl das Herz verrenkt,
ersauft in Tränen mitten in der Nacht.
Ihr seid das Volk. Ich bins, der euch verhetzt.
Ich heiß: The Fool. Das wird nicht übersetzt.

und noch Mercutio über Mab:

Ja, Mab, die Kinderfee, wie wunderbar,
            besuchte dich, ich merks, die Amme aller Feen,
            sie wird gezogen – klein wie ein Achat
            vom Zeigefinger eines hohen Herrn –
            von winzigen Atomen im Gespann
            über des Menschen Nasenloch im Schlaf.
            Ihr Kampfwagen ist eine Haselnuss,
            vom alten Tischler Eichhörnchen gebaut,
            die Räderspeichen sind aus Spinnenbein,
            Heuschreckenflügel sind das Wagendach,
            die Zügel sind aus feinstem Spinngeweb,
            das Quergeholz ist aus dem Mondscheinstrahl,
            aus Grillenknochen ist der Peitschenknauf,
            die kleine Mücke mit dem Mantel, grau,
            sitzt auf dem Kutschbock, halb so groß wien Wurm,
            gezogen aus dem Finger einer Magd.
            So aufgemacht verreist Mab Nacht für Nacht
            von Liebestraum zu Liebestraum und dann
            zum Knie des Knechts, der träumt vom Kniefall schwer,
            zum Finger eines Anwalts, der träumt von Geld,
            zum Lippentraum der Damen, der träumt Kuss
            und Mab sticht wütend Blasen oft hinein
            in solche Lippen, weil ihr Süßes stinkt.
            Oft galoppiert sie über Dienernasen,
            die schnuppern träumend nach Bestechungsgeld.
            Oft kitzelt sie mit einem Schweineschwanz
            die Nase eines Pfaffen, der träumt schwer
            die schöne Melodie vom Kirchenzehnt.
Ach, dass er bald schon Minister wär.
            Den Hals eines Soldaten fährt sie ab,
            der träumt von einem abgeschlagnen Kopf,
            sehr ausländisch, von Breschen, Hinterhalt,
            von Sauferei und Siegen, worauf Mab
            aufs Ohr ihm trommelt, bis er hart erwacht,
            erschreckt und betet, bis er wieder schläft.
            Sie ist die Hexe, die ein Mädchen lehrt,
            wenns auf dem Rücken liegt, dich auszustehn.
            Mit Grazie und Gegenkraft zugleich.
Ja, das ist Mab, die Pferdemähnen nachts
            verknotet und Elfenhaar zusammenbackt.
            Und beides heißt: Ein großes Unglück droht.
            Sie ist die Krankheit, doch die Nachricht auch.
            Sie tötet und tut sich allen kund.
            Ja, ihre Reise geht von Mund zu Mund
            Und fühlst du dich auch heut noch gesund,
            wart ab, denn Morgenstund hat Mab im Mund,
            erst Abenstund zeigt dir den tiefen Grund.

4 Kommentare:

  1. Ötti schrieb: Kann diese Sprache wirklich gespielt werden ?
    Die eigenen Gedanken jagen diesen Gedanken hinterher, treffen sie manchmal, begegnen ihnen mit Vertrautheit oder Erschrecken oder reagieren nur perplex.
    Ist es nicht schade um jedes Bild, das von einem Schauspieler durch seine Diktion, sein Gesicht, seinen Körper festgenagelt wird ? Ist das Lyrik, die man nicht vortragen sollte oder doch Theatersprache ?
    "Das Herz verrenkt". Das braucht doch Raum im Kopf.

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  2. Kann sie. Natürlich geht hin und wieder was verloren, aber da sie Musik hat, weniger, als du vermutest.
    Und sie ist gestisch. Klingt trocken, aber soll heißen, dass sie aus dem Mund fliesst, stolpert, sprudelt.
    Man sollte halt denken beim Sprechen, ist ja eh besser. Aber man kann mit diesen Worten auch jauchzen
    und weinen.
    Hanna

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  3. Jens Mittelstenscheid3. März 2011 um 16:29

    das was ich sehe, ist der gang des schauspielers - dann wird es nur vage imaginär - und den Abgang seh ich wieder. soll - vielleicht - heissen, ich seh das körperliche vortragen, doch den verlust seh ich nicht.

    naja, und ist nicht gerade seine übersetzung ein weg zum spiel??

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  4. Verlust bezog sich auf das Vortragen, nicht auf den geschriebenen Text. Beim Zuhören gibt es Verlust des Verstehens, gelegentlich und dafür kommt das Spiel dazu. Oder?

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