Samstag, 5. Februar 2011

Theater ist langweilig


Theater ist langweilig. Nicht immer, aber immer öfter. Blöder Witz, ich weiss!
Aber warum bin ich im Kino so sehr viel toleranter, harmloser, anspruchsloser? Sicher sehe ich nicht oft wirklich großartige Filme, aber ein banaler, halbwegs gut gespielter, oder sogar ein idiotischer mit schicken Effekten, erzeugt doch nicht dieses Gefühl körperlicher Qual, das so viele Theaterabende in mir auslösen.
Ein bißchen Unterhaltung im Kino, ein, zwei gute Witze oder Tricks und ich bin ein entspannt konsumierender Zuschauer. Nicht unbedingt unkritisch, aber gelassen und eher entgegenkommend.

Dagegen im Theater! Ich werde unruhig. Die Beine zucken. Die Atmung wird unregelmäßig. Plötzliche Attacken von überwältigender Müdigkeit setzen ein. Manchmal kann ich nicht mal hingucken. Und ich weiß, dass es unfair und zickig ist. Aber mein Körper macht was er will oder muss! 
Ist es, weil Theater einen anderen Anspruch hat, haben sollte? Wieso? Wenn es mich gut unterhält, sollte ich doch froh sein. Aber auch an der Unterhaltung mangelt es doch oft. (Schade, dass man in der deutschen Sprache 'unterhalten' durch das Wortteil "unter" immer mit niedrig assoziiert. Entertainment ist leichter, einladender, 'enter' wie eintreten, mitmachen, dabeisein.) 
Ist es, weil ich zu viel Theater sehe, das was ich selber mache und das der anderen? Werde ich überkritisch, überfüttert und dekadent?
Ist es, dass ich doch zum konservativen, reaktionären Dinosaurier geworden bin und nur verpasst habe, auszusterben? 
Ist es, weil eigentlich momentan keiner so recht weiss, warum der ganze Aufwand? Mit wem 'unterhalten' wir uns über was? 
Da ist das schlechte Gewissen, weil wir ja immerhin noch subventioniert werden, "denkt nur an die ganzen Krankenhäuser und Schulen, die das Geld auch nötig hätten". Da ist die tiefe Sehnsucht, die Gier nach Spiel. Aber auch die Angst, die Zeit, die notwendige Veränderung zu verpassen. Und aber auch die Trendgeilheit, aufgepeitscht von einem Feuilleton ohne Humor und Theaterliebe.
Theater, wenn es langweilig ist, ist es, wie wenn Du urplötzlich bemerkst, dass dein Liebster häßlich ist oder dumm. Wie sehr traurig!
Und doch gehe ich immer wieder. Wie ein Junkie kann ich nicht aufhören. Und es gibt sie ja die wunderbaren Ausnahmen, die Überraschungen, den Moment wo ein Spieler etwas tut mit dem ich nicht rechne, wo ich mich erwischt fühle, wo einer viel schlauer ist als ich und wahrhafter, als ich es zu seien wage. Aber die vielen Abende dazwischen! Wo ich förmlich mein Leben in Dali-Uhren Weise zerfliessen sehe. Zwei Stunden, die mir das Gefühl von 20 geben. Hoffentlich, hoffentlich tue ich das nicht anderen an!


Chas Addams
 

3 Kommentare:

  1. Alexander Höchst6. Februar 2011 um 01:30

    Ich war jung und sah E.T. von Steven Spielberg. Ich fühlte mich vergewaltigt, da der Film bei mir Tränen und Trauer auslöste und ich wurde wütend, da ich mich den abgefuckten, arroganten Mechanismen dieser Geschichte nicht entziehen konnte. Er saugte mich aus und gab mir nichts zurück; keine Hoffnung, keine Kraft, keine Zuversicht und keine Erkenntnis. Ich ging ausgelaugt und enttäuscht aus dem Kino und alle anderen waren begeistert, was mich noch wütender machte. Der Streifen war darauf angewiesen mich zu missbrauchen, da er nichts zu erzählen hatte und trotzdem viel Geld einspielen sollte. Inzwischen leide ich nicht mehr so unter solchen Filmen, ich kann sogar mitunter das gute Handwerk respektieren. Ob das nun ein Fortschritt ist, sei dahin gestellt. Es gibt dann Filme wie Apocalypse Now von Francis Ford Coppola, der keine Antworten gibt, sondern frei nach Joseph Conrad, die Abgründe der menschlichen Seele zu beleuchten versucht und mir eine Ahnung davon vermittelt. Er geht auf die Suche, weiß viel aber auch nichts... Großartig Marlon Brando, Martin Sheen wie auch Dennis Hopper als todessüchtiger Reporter der Finsternis. Für mich der beeindruckendste Vietnamkriegsfilm überhaupt. Ich komme erschüttert aber gestärkt aus dem Kino. Das Handwerk ist in beiden Fällen perfekt. Die Geschichten sind weiter von mir entfernt.
    Theater ist für mich mehr oder weniger eine lange Geschichte der Enttäuschungen mit wunderbaren Ausnahmen. Es ist näher dran an mir. Es wirkt physischer auf mich. Es sind meine Nachbarn, die es machen. Es spricht aber oft nur einen Teil von mir an, nämlich den Kopf. Es ist zum großen Teil ambitioniert und schwerfällig oder aber auch anbiedernd und niveaulos. Wenn dann das Handwerk auch zu wünschen übrig lässt, möchte ich am liebsten den Saal verlassen. Nur der Respekt vor den Schauspielern und die Hoffnung, es wird vielleicht doch noch besser, hindern mich daran. Jetzt wird mir keiner mehr glauben, dass ich das Theater liebe. Aber Theater kann viel schneller auf Veränderungen reagieren. Es wird dort öfter aus der Hüfte geschossen. Da ist die Trefferquote eben entsprechend. Aber das ist für mich auch das Faszinierende. Wenn Theatermacher Risiken eingehen und reagieren w o l l e n; bei aller Unzulänglichkeit. Ich glaube, nur darin liegt die Chance des Wunderbaren. Es ist eben nicht planbar und nicht berechenbar. Also jeder Cent, der für Theater ausgegeben wird ist es wert, weil wir uns die Chance erhalten müssen, uns auf dem Theater auszudrücken und das Außergewöhnliche zu entdecken!

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  2. theater ist schwerer zu ertragen weil es komplizierter zu konsumieren ist als film.
    logisch.
    ich persönlich allerdings mache viel lieber theater als film. guck mir aber viel viel viel seltener theater an als filme und zwar schon immer.

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  3. Unterhaltung und Unterhalten sind Synonyme für Unterstützen (Menschen oder Geschäfte), Gespräche oder Kunstrezeption. Durchaus denkbar, dass der Unterhalt, den man Gauklern, Musikern, Dichtern und Philosophen an den Höfen gewährte, sich als Begriff verselbstständigte und leicht abgewandelt zur Unterhaltung wurde. Auf der anderen Seite unterhielt man auch Armeen, Landgüter, Manufakturen, Mätressen, Kinder, etc., deren Unterhalt aber nicht immer zu den erfreulichen Dingen gehörte. So blieb es beim ursprünglichen Wort Unterhalt.
    Im Romanischen und Angelsächsischen hat man hingegen die Künste und philosophischen Gespräche nicht unter materiellem, sonder unter spirituellem- und emotionalem Aspekt betrachtet, daher auch die schönen Bezeichnungen wie: Entertainment, Entretenimiento/Diversion, Divertissement, Divertimento/ Intrattenimento, etc., was Zerstreuung, Zwischenerkenntnisse bedeutet.
    Das Theater habe ich früher nur gemocht, wenn es hin und wieder außergewöhnlich gut war. Trotz alledem aber nie so sehr geliebt wie den Film. Wenn ich Theater sah oder machte, fühlte ich mich wie einer, der sich mit Mona (Theater) tröstet, dabei aber die ganze Zeit an Lena (Film) denkt.
    Heute ist es andersrum, weil sich Lena sehr zu ihrem Nachteil verändert hat. Dagegen wird Mona von Tag zu Tag anziehender. Will sagen, dass das Theater heute der adäquatere Ort ist, sich künstlerisch auszudrücken. Der Film ist vom Kommerz platt gewalzt worden. Es spricht nur noch die Sprache des Geldes. Große Filmkünstler sind Dinosaurier. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie vom Aussterben bedroht wie die Natur - Tiere und Pflanzen.
    Die Finanzierung der wenigen künstlerisch wertvollen Filmprojekte dauert immer länger, sieben Jahre und noch viel mehr. Darunter leiden sie sehr und die meisten bleiben ganz auf der Strecke. Der Film - zum extrem einträglichen Fastfood mutiert - hat den künstlerischen Anschluss an den Puls der Zeit verloren. Unter den gewaltigen ökonomischen Zwängen kann es keine eigene Sprache mehr finden, keine neue Strömung entwickeln, oder wegweisende Richtungen kreieren, wie die von Chaplin, Buster Keaton, Eisenstein, Fritz Lang, Murnau, Bunuel, Capra, Wilder, Hitchcock, De Sica, Pasolini, Fellini, Bergmann, Polanski, Kubrick, Kurosawa, Copolla, etc.
    Das Theater ist heute der geeignetere Ort für künstlerische Experimente, weil man damit nicht reich werden kann. Es steht aber da wie ein verlassenes Dorf, dessen Bewohner in die Stadt gezogen sind, um dort das große Geld zu machen. Es ist langweilig, weil es brach liegt. Die, die das Theater wirklich lieben, sollten sich deshalb zusammen tun und die große Chance nutzen. Es mit neuem Leben füllen. Die gebeutelten Zuschauer werden es ihnen danken. Die Filmkunst liegt bereits nach 100 Jahren im Sterben. Dagegen hat die Theaterkunst seit über 2000 Jahren alle Krisen überwunden. Der Film ist leider tot, es lebe das Theater.

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